"Die gewählte Rufnummer ist zurzeit nicht erreichbar." Eigentlich sollte es jetzt am Firmensitz der Würzburger Interieur Manufaktur (Wima) klingeln. Das zum Anschluss gehörende Büro in der Würzburger Zellerau wurde inzwischen aber geräumt.
Die Produktionsstätte des Unternehmens ist in Leinach, rund 20 Minuten von Würzburg entfernt. Normalerweise werden hier Inneneinrichtungen für Luxus-Yachten gefertigt. Seit Monaten aber steht die Arbeit still. Inzwischen hat das Amtsgericht Würzburg "zur Sicherung des Schuldnervermögens vor nachteiligen Veränderungen" einen vorläufigen Insolvenzverwalter beauftragt.
Probleme bei Zahlung von Löhnen und Miete
Ein Teil der rund 30 Angestellten in Leinach berichtete jüngst der Redaktion von ihrer Situation. Die Löhne etwa kämen seit Monaten nur mit großer Verspätung. Laut dem Betriebsratsvorsitzenden Christian Krämer stünden die Löhne für Juli, August und September aktuell noch aus. "Für Teile der Belegschaft ist das existenzbedrohend", sagt er. "Es ist eine Frechheit, wie mit den Mitarbeitern umgegangen wird."

Weil Miete und Nebenkosten nicht mehr gezahlt worden seien, hat der Vermieter, wie er auf Nachfrage der Redaktion bestätigt, dem Unternehmen außerdem vor Monaten das Wasser abgestellt. Ohne Wasser kein Arbeitsschutz und damit keine Arbeit, sagt Krämer. Deswegen blieben jetzt alle zu Hause. Aber gekündigt wurde bisher wohl niemandem.
Ausbleibender Kontakt sorgt für Unsicherheit in der Belegschaft
Was im Betrieb eigentlich los ist, weiß von der Belegschaft niemand. "Wir hängen in der Luft", sagt Krämer. Seit Monaten hätten sie keinen Kontakt mehr zur Geschäftsführung.
Geschäftsführer der Wima ist der deutsche Unternehmer Lars Windhorst. "Wunderkind oder Skandal-Investor?" betitelte der NDR im September einen 17-minütigen Beitrag über den 47-Jährigen. Darin wird von wirtschaftlichen Schwierigkeiten mehrerer seiner Unternehmen berichtet – unter anderem der FSG-Nobiskrug Holding. Die wiederum hält 85 Prozent der Anteile an der Wima. Die weiteren 15 Prozent liegen bei einem Steuerberater im Landkreis Kitzingen.
Warum gibt es keine neuen Aufträge für die Inneneinrichtung von Yachten in Leinach?
Seit Dezember sei der Betrieb ohne Auftrag, sagt Krämer. Warum, wisse vor Ort niemand. Auf dem Markt sei die Nachfrage groß, die Auftragslage gut, heißt es aus der Belegschaft.

Adrian Heinrichs ist stellvertretender Produktionsleiter. Er berichtet, sein Team habe in den vergangenen Monaten weiter Anfragen von Kunden bearbeitet und Aufträge kalkuliert. "Die waren fix und fertig ausgehandelt. Es fehlten nur noch die Finanzierung und Unterschrift", sagt er. Für die hätten sie die Unterlagen zum Geschäftsführer geschickt. Eine Antwort sei nie gekommen.
Jede größere Entscheidung in Leinach muss von Lars Windhorst abgesegnet werden
Jede Entscheidung mit Ausgaben über 300 Euro müsse von Windhorst persönlich unterschrieben werden, sagt Heinrichs. Bis März habe es noch einen Interimsgeschäftsführer gegeben. Seitdem antworte die Geschäftsführung den Kollegen vor Ort einfach nicht mehr. Eine Managementebene zwischen dem global agierendem Finanzinvestor und dem 30-Mann-Betrieb in Leinach gebe es nicht.

Wie sehen Geschäftsführer und Eigentümer die Situation bei der Wima? Lars Windhorsts Sprecher verweist die Redaktion mit ihren Fragen direkt an den Betrieb. Er könne dazu nichts sagen: "Da müssen sie sich vor Ort erkundigen." Die Presseabteilung des Wima-Haupteigentümers reagierte nicht auf E-Mails der Redaktion. Aus dem Büro des Minderheitseigentümers aus dem Landkreis Kitzingen heißt es nur: "Keine Auskunft".
"Ich weiß einfach nicht, wie es weitergeht."
Adrian Heinrichs, stellvertretender Produktionsleiter
"Es ist eine schwierige Situation, wenn alles den Bach runtergeht und du keinen Ansprechpartner hast", sagt Heinrichs. Wie seine Kolleginnen und Kollegen hoffe er, dass der Betrieb irgendwann irgendwie weitergeführt wird – oder wenigstens in eine geregelte Insolvenz gehe.
Unklare Lage und verspätete Löhne werden für die Mitarbeiter zur Belastung
"Ich weiß einfach nicht, wie es weitergeht", sagt der 43-Jährige aus Leinach. Er müsse seine Familie weiter finanzieren und lebe momentan vom Ersparten. "Wir können nicht mehr wie vorher leben, sondern müssen darauf achten, wie es die nächsten Monate weitergeht."
Auch andere Mitarbeiter berichten von finanziellen Folgen der ausbleibenden Löhne – etwa bei der Abzahlung von Krediten. Außerdem stünden sie mit der Agentur für Arbeit in Kontakt, berichtet Betriebsratsvorsitzender Christian Krämer. Die Situation sei aber sehr schwierig, weil den Angestellten nie offiziell gekündigt wurde.
IG Metall Würzburg unterstützt Belegschaft in Leinach
"Die Kollegen sind in großer Not", sagt Norbert Zirnsak, der erste Bevollmächtigte der IG Metall Würzburg. "Sie sind darauf angewiesen, dass jeden Monat der Lohn fließt, weil sie ihre Familien bezahlen müssen." Die Belegschaft sei geschlossen bei der Gewerkschaft und bekomme von dieser eine Rechtsberatung. "Wir sind mit unseren Juristen dran, dass die Löhne fließen."

Die Situation bei Wima bezeichnet Zirnsak als "total absurd". Dass hier der Geschäftsführer, zumal ein global agierender Investor, jede Entscheidung persönlich absegnen muss – das "Modell Lars Windhorst", wie er sagt – sei auch für den erfahrenen Gewerkschafter "kein alltäglicher Fall".
Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Würzburg gestellt
Laut dem NDR ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft Kiel gegen die FSG-Nobiskrug unter anderem wegen möglicher Insolvenzverschleppung. Ein Sprecher der Kieler Staatsanwaltschaft erklärt auf Nachfrage dieser Redaktion, dass dies nicht automatisch auch die Tochterfirma Wima betreffen würde, wenn es sich um ein eigenständiges Unternehmen handelt.
Wie das Amtsgericht Würzburg der Redaktion bestätigt, hat inzwischen ein Gläubiger des Unternehmens einen Antrag auf ein Insolvenzverfahren gestellt. Gründe dafür könnten beispielsweise drohende oder tatsächliche Zahlungsunfähigkeit sein. Damit kein Wettlauf der Gläubiger um das Geld des Unternehmens entstehe, seien Sicherheitsmaßnahmen und eine vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet worden. Das bedeute aber nicht, dass ein Insolvenzverfahren auch tatsächlich eröffnet wird, erklärt der Gerichtssprecher. Das Verfahren könne auch eingestellt werden, sollten sich die finanziellen Probleme lösen lassen.
Die mit der vorläufigen Insolvenzverwaltung beauftrage Kanzlei teilt auf Anfrage der Redaktion mit, derzeit keine Angaben machen zu können.
Wie geht es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wima in Leinach weiter?
Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mit der die Redaktion gesprochen hat, betonen, wie gerne sie weiter bei der Wima arbeiten würden. Sie hoffen darauf, dass es doch noch weitergeht. Aber die Hoffnung schwinde.
Der Betriebsratsvorsitzende Christian Krämer erklärte an diesem Dienstag auf Nachfragen der Redaktion, dass inzwischen ein Gespräch der Belegschaft mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter geplant sei. Wie es weitergehe, wisse er aber nach wie vor nicht. "Es ist positiv, dass wir jetzt einen Ansprechpartner haben", sagt Krämer, "aber sonst kann alles passieren".