Die 100 kurzfristig Gemünden zugeteilten Asylbewerber sind am Samstagnachmittag eingetroffen. Es handelt sich ausnahmslos um Kriegsflüchtlinge aus Syrien. Zwei Busse brachten um 14.20 Uhr und um etwa 17 Uhr insgesamt 63 Erwachsene und 37 Kinder aus dem Aufnahmelager Schweinfurt, die dort schon seit etwa einer Woche untergebracht waren. Die Turnhalle des Friedrich-List-Gymnasiums ist nur für kurze Zeit ihre neue Bleibe.
Viele Flüchtlinge, unter ihnen auch schwangere Frauen, berichteten auf Nachfrage bereitwillig von ihren Odysseen mit wochenlangen Fußmärschen und von den Schicksalen ihrer Familien. Mehrere gaben an, in Ungarn von der Polizei geschlagen worden zu sein und zeigten blaue Flecken auf Rücken und Schultern, ein junger Mann kam mit gebrochenen Zehen an, musste im Rollstuhl gefahren werden.
Bereits am Freitag, unmittelbar nach der Bekanntgabe der Zuteilung, hatte die Organisation vor Ort begonnen, um die Turnhalle des Friedrich-List-Gymnasiums (FLG) als kurzfristiges Notlager herzurichten. Die Schulleiter, Thomas Feser von der Staatlichen Realschule und Walter Fronczek vom FLG, unterstützten mit Schülern die eingesetzten 30 Mitglieder der Rot-Kreuz-Bereitschaften aus Arnstein, Gemünden, Karlstadt und Marktheidenfeld.
Am Samstagvormittag waren die Helfer vom THW im Einsatz. Sie stellten Abtrennwände, legten Stromleitungen und verbesserten die Beleuchtung. Die Beschäftigten des Objektbetreuers, der Firma Mainfranken Reinigungsdienst GmbH, brachten mehrsprachige Hinweisschilder an und verteilten auf die einzelnen abgeteilten Schlafzellen Hygieneartikel. Sie übernahmen später auch die Zuteilung der Parzellen und übernahmen den Sicherheitsdienst.
Landrat Thomas Schiebel erläuterte am Samstagvormittag im Beisein des amtierenden Gemündener Bürgermeisters Werner Herrbach und der Dritten Bürgermeisterin Irmgard Pröschl die auch für ihn überraschend entstandene Situation: Am Freitag um 10 Uhr habe die Regierung mitgeteilt, Unterfranken müsse kurzfristig 600 bis 800 zusätzliche Flüchtlinge aufnehmen. Verlangt war, innerhalb von zwei Stunden Unterbringungsmöglichkeiten zu melden. Die aktuell in der Diskussion stehende Scherenberghalle schied aus, da sie mit Veranstaltungsterminen belegt war. Weil sich die alte Realschulturnhalle als nicht geeignet erwies, entschied man sich für die Halle des FLG.
Noch unmittelbar vor der Ankunft des ersten Busses, der ursprünglich für 11 Uhr angekündigt war und erst nach 14 Uhr eintraf, war nicht bekannt, wo die Flüchtlinge herkommen, wie die Altersstruktur ist und ob sie schon länger in Deutschland sind.
Es sei beabsichtigt, die Menschen Zug um Zug im angemieteten Hotel Atlantis im Hofweg neben der Scherenberghalle unterzubringen, sagte Landrat Schiebel. Das könne aus rechtlichen Gründen bis Ende des Monats dauern. Demnach könnte die FLG-Halle bereits in etwa zwei Wochen wieder für den Schulbetrieb zur Verfügung stehen. „Alles das sind Informationen mit Stand Samstag, 10 Uhr“, wies Schiebel auf die „geringe Halbwertzeit“ von Nachrichten in diesen Tagen hin.
Schulleiter Fronczek betonte, die Belegung habe keine Auswirkungen auf den Schulbetrieb. Als Ersatz stehe unter anderem die alte Realschulhalle zur Verfügung. Er betonte wie Landrat Schiebel, dass der Zugang zur Notunterkunft auf der gegenüberliegenden Seite und unterhalb des Schuleingangs liegt und sich nicht mit dem Schulweg überschneidet.
Abschließend bedankte sich Landrat Schiebel bei den vielen ehrenamtlichen Helfern aller Organisationen und bei Dr. Hermann Burkard vom Gemündener Verein Netzwerk Asyl, der mit seinen Leuten seit Jahren wertvolle Dienste leistet. Sie waren auch jetzt zur Stelle und richteten spontan eine Kleiderkammer an der Turnhall ein und stellten mit einigen, schon länger in Gemünden lebenden und teils bereits anerkannten syrischen Asylanten Dolmetscher. Das erleichterte den Empfang der Neuankömmlinge ungemein. Seinen Dank an die Helfer sprach am Nachmittag und am Sonntag auch der örtliche Bundestagsabgeordnete Bernd Rützel aus, der sich vor Ort über die Situation informierte und sich von den Flüchtlingen berichten ließ.
Die Betreuung der Flüchtlinge obliegt den Rotkreuz-Bereitschaften Arnstein und Gemünden. Die Verpflegung erfolgt zunächst durch die Küche der BRK-Bereitschaft Kreuzwertheim, ab Montagmittag übernimmt dann ein Catering-Service.
Landrat Schiebel und Bürgermeister Herrbach weisen, wie bereits berichtet, auf einen wichtigen Termin hin: Am Dienstag, 22. September, findet um 18 Uhr im Foyer der Scherenberghalle eine Informationsveranstaltung für die Gemündener Bevölkerung statt. Dort wird auch über Spenden gesprochen werden und wie man den Flüchtlingen helfen kann.
Vorerst sei die Versorgung sichergestellt. Es würden für die kalte Jahreszeit jedoch sicher mehr Kleider gebraucht, aber zunächst müsse mehr Lagerkapazität geschaffen werden, sagt Hermann Burkard, der ebenfalls bei der Informationsveranstaltung anwesend sein wird. Geldspenden an das Gemündener Netzwerk Asyl sind möglich – Konto: IBAN DE88790500000047045497, Kontoinhaber Rainer Steck.