Die Bundesanwaltschaft übernimmt die Ermittlungen zu dem Auto-Anschlag am Donnerstag in München mit mindestens 39 Verletzten und begründet dies mit der „besonderen Bedeutung des Falles“. Das teilte die Behörde am Freitagabend mit. Gegen den Beschuldigten bestehe der dringende Verdacht des versuchten Mordes, der gefährlichen Körperverletzung sowie des schweren gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Wie die Bundesanwaltschaft weiter erklärt, bestehe der Verdacht, dass die Tat religiös motiviert gewesen und als „Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung“ zu verstehen sei. Damit, so heißt es weiter, sei die Tat geeignet, die innere Sicherheit Deutschlands zu beeinträchtigen. Die kriminalpolizeilichen Ermittlungen würden jedoch vom Bayerischen Landeskriminalamt fortgeführt.
Bereits zuvor war bekannt geworden, dass der Beschuldigte nun in Untersuchungshaft sitzt. Das ordnete am Freitagnachmittag ein Ermittlungsrichter an, wie die Generalstaatsanwaltschaft München mitteilte. Begründet wird die U-Haft unter anderem wegen dringenden Verdachts auf 39-fachen versuchten Mord. Die Ermittler gehen demnach von Heimtücke, niedrigen Beweggründen sowie gemeingefährlichen Mitteln aus. Der Verdächtige sitze inzwischen in einem Gefängnis.
Zahl der Verletzten nach Anschlag in München gestiegen
Der 24-jährige Asylbewerber aus Afghanistan war am Donnerstagmittag in eine Menschenmenge gefahren, hat dabei mehrere Menschen überfahren und mindestens 39 Menschen verletzt. Am schlimmsten seien eine Mutter und ihr Kind verletzt worden, das Kind ist laut Innenminister Joachim Herrmann derzeit in Lebensgefahr. Auch eine zweite Person schwebe in Lebensgefahr. Zudem sind acht weitere Menschen schwer und zehn mittelschwer verletzt worden. Viele Personen seien außerdem traumatisiert, sagt Christian Huber, Vizepräsident der Münchner Polizei. Die bayerische Landeshauptstadt ist unter Schock. Schon kurz nach der Tat sprach der bayerische Ministerpräsident Markus Söder von einem mutmaßlichen Anschlag. Doch noch ist vieles unklar.
Zunächst herrschte etwa Unklarheit über den Aufenthaltsstatus des Mannes. Herrmann erklärte am Abend nach der Tat, dass der junge Afghane einen gültigen Aufenthaltstitel und eine Arbeitserlaubnis hatte. „Damit war der Aufenthalt des Täters bis zum heutigen Tage nach gegenwärtigem Erkenntnisstand absolut rechtmäßig.“ Der Tatverdächtige wird am Freitag einem Ermittlungsrichter vorgeführt. Die Staatsanwaltschaft beantragt Haftbefehl.
Die neusten Erkenntnisse der Polizei zum mutmaßlichen Anschlag
Am Freitagvormittag teilt die Polizei ihre neusten Erkenntnisse zur Tat mit. Zuvor gedachten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kardinal Marx am Tatort den Verletzten. Laut Christian Huber, Vizepräsident der Münchner Polizei, ermittelt inzwischen eine sogenannte Sonderkommission (Soko) „Seidlstraße“. Guido Limmer, Vizepräsident des Landeskriminalamts, erläutert, dass 140 Beamtinnen und Beamte derzeit in mehreren Abschnitten zum Vorfall ermitteln. Auch über das bevorstehende Wochenende werden diese rund um die Uhr im Einsatz sein. Derzeit seien 50 Videos auszuwerten und an die 100 Zeugen zu vernehmen. Auch Daten des Handys des Tatverdächtigen wurden bereits und werden noch ausgewertet.
Laut Limmer wurde auf dem Mobiltelefon des Tatverdächtigen viele Chats auf der Sprache Dari gefunden, die Polizei habe aufgrund dieser Chats eine „gewisse islamistische Ausrichtung des Mannes“ feststellen können. Des Weiteren habe der junge Mann eine Nachricht an Angehörige versendet, bei der er sich mit den Worten „Vielleicht bin ich morgen nicht mehr da“, verabschiedet habe. Nach der Festnahme soll der Mann laut Gabriele Tillmann, leitende Staatsanwältin bei der Generalstaatsanwaltschaft, gebetet und „Allahu akbar“ gerufen haben, das heißt so viel wie “Gott ist groß“.
24 Stunden nach der Tat gebe es laut Tillmann noch keine abschließenden Antworten zu den Hintergründen der Tat. Sie informiert, dass sich der Afghane selbst als religiös bezeichne und auch regelmäßig eine Moschee besuche. In den sozialen Medien trat der Mann als Athlet und Fitnessmodel auf, postete jedoch auch Beiträge mit religiösem Bezug. Unter anderem soll unter einem Beitrag auf der Plattform Instagram stehen: „Oh Allah, beschütze uns immer.“
Tatverdächtiger gesteht, absichtlich in Menschenmasse gefahren zu sein
Inzwischen sei der 24-Jährige von der Polizei - auf deutscher Sprache - vernommen worden. Dabei habe er eingeräumt, bewusst in den Demozug gefahren zu sein. Es sei jedoch keine Rede davon gewesen, dass der Afghane ungläubige Menschen töten wollte. Laut Tillmann könne der Anlass der Tat dennoch als religiös motiviert zusammengefasst werden. Sie sagt: „Nach allem würde ich mich trauen von einer islamistischer Tatmotivation zu sprechen.“ Derzeit gebe es keine Hinweise auf ein Netzwerk oder die Eingliederung in eine islamische Organisation wie den IS. Wie bereits am Donnerstag vermutet, gehe die Polizei nach wie vor von einer Einzeltat aus. Derzeit gehen Behörden also nicht von einer terroristischen Tat aus. Auch auf psychische Probleme des Mannes deute nichts hin.
Warum die Tat am gestrigen Donnerstag stattfand und wieso der junge Mann in die Menschenmasse fuhr, ist noch unklar. Am Freitagnachmittag werde Haftbefehl gegen ihn beantragt. Es bestehe laut Staatsanwaltschaft dringender Tatverdacht wegen versuchtem Mordes in derzeit 36 Fällen, wegen gefährlicher Körperverletzung und gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr. Zudem bestehe Fluchtgefahr.
Im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) finden sowohl am Freitag als auch am Samstag Demonstrationen in München statt. Laut Christian Huber seien am Freitag sieben Stück geplant, davon eine nicht stationäre. Am Samstag seien weitere 15 angemeldet sowie weitere fünf nicht stationäre Demos. Die Zahl der Einsatzkräfte während der Sicherheitskonferenz sei nach der Tat am Donnerstag erhöht worden. Jedoch gebe es keinerlei Zusammenhang zwischen der Tat und der MSC.
Polizei: Anhaltspunkte für extremistischen Hintergrund der Tat
Die Polizei teilte bereits am Donnerstagabend mit, dass der mutmaßliche Täter zwar polizeibekannt war, jedoch weil er in seiner vorherigen Tätigkeit als Ladendetektiv als Zeuge geführt wurde. Die Polizei korrigierte damit Aussagen von Innenminister Joachim Herrmann, der zuvor erklärt hatte, der Verdächtige sei durch Betäubungsmitteldelikte und Ladendiebstähle polizeilich aufgefallen. Wie Der Spiegel berichtet, soll der Verdächtige 2001 in Kabul geboren und Ende 2016 nach Deutschland gekommen sein. Er sei im Münchner Stadtteil Obersendling gemeldet gewesen. Hermann erklärte laut dpa, sein Asylantrag sei „wohl“ abgelehnt worden.
„Nach gegenwärtigem Ermittlungsstand“ sei der Mann aber bislang durch keinerlei Gewalttätigkeit aufgefallen, sagte Herrmann. Er habe keine Vorstrafen. Am Freitagmorgen erklärte er zudem im Deutschlandfunk, dass ein Social-Media-Post des Mannes auf die Frage geprüft werden soll, ob er einen islamistischen Hintergrund haben könnte. „Es hat wohl vorgestern einen entsprechenden Post gegeben, den aber Experten noch näher beurteilen müssen.“
Wie Bayerns Justizminister Georg Eisenreich in der Nähe des Tatorts mitteilte, ermittelt die bayerische Zentralstelle für Extremismus und Terrorismus der Generalstaatsanwaltschaft.
Nach Anschlag in München durchsucht die Polizei die Wohnung des Verdächtigen
Am späten Donnerstagnachmittag nahmen die Ermittler auf der Suche nach dem Motiv auch die Wohnung des Verdächtigen in München unter die Lupe. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurde eine Wohnung im Stadtteil Solln durchsucht, in der der Afghane gewohnt haben soll. Am Freitag informiert die Polizei, dass bei der Wohnungsdurchsuchung keine weiteren Erkenntnisse entstanden. Es wurden weder Drogen noch Medikamente gefunden.

Klar ist am Freitag jedoch, dass es sich bei dem Tatauto um den eigenen Wagen des 24-Jährigen gehandelt habe. Zwar hatte dies ein Rosenheimer Kfz-Kennzeichen, dies sei jedoch vom Vorbesitzer übernommen worden.
Mutmaßlicher Anschlag in München: Was war passiert?
Die Tat ereignete sich am Donnerstagvormittag nahe des Stiglmaierplatzes im Stadtteil Maxvorstadt. Wie die Polizei berichtet, fand an dem Ort gegen 10.30 Uhr eine ordnungsgemäß angemeldete Streik-Kundgebung der Gewerkschaft Verdi statt. Hinter dem Verdi-Demonstrationszug sei ein Wagen der Polizei gefahren. Diesen habe der 24-Jährige überholt. Dann habe er beschleunigt und sei auf das Ende der Menschenmenge zugefahren. Dabei wurden mindestens 30 Menschen verletzt, manche von ihnen schwer. Es sei vonseiten der Polizei ein Schuss auf das Auto gefallen, der Täter wurde dabei nicht verletzt. Dann wurde der Mann aus dem Auto gezogen und festgenommen. Er wurde dabei leicht verletzt. Laut Herrmann habe das rasche Eingreifen der Polizei verhindert, dass es zu weiteren Gefährdungen kam.
Laut Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) befanden sich auch einige städtische Mitarbeiter bei der Kundgebung von Verdi. Es seien auch Kinder unter den Verletzten. „Ich bin tief erschüttert.“
München: Einsatzkräfte bis in den Abend am Unglücksort
Auf der Kreuzung zwischen Dachauer Straße und Seidlstraße waren nach der Tat zahlreiche Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst im Einsatz, in den Nebenstraßen standen etliche Rettungswagen, um die Verletzten zu versorgen und in die umliegenden Krankenhäuser zu bringen. Auch Stunden nach dem Vorfall war der Bereich weiträumig abgesperrt, die Ermittler führen vor Ort Untersuchungen durch.

Wie die Münchner Polizei mitteilt, war der Einsatzort in der Maxvorstadt erst gegen 20 Uhr wieder frei, zuvor baten die Beamten die Menschen darum, den Bereich weiträumig zu umfahren, damit die Einsatzkräfte ungehindert arbeiten konnten.
Um die Hintergründe des Vorfalls aufzuklären, hatte die Münchner Polizei im Löwenbräukeller am Stiglmaierplatz eine Zeugensammelstelle eingerichtet, inzwischen hat sie eine Hotline eingerichtet. Wer Angaben zu den Ereignissen machen kann, wird gebeten, sich dort zu melden. Zudem bittet die Polizei, Aufnahmen der Tat auf ihrem Internetportal hochzuladen.
München ist der dritte Anschlag innerhalb weniger Monate
Der Vorfall ist der dritte Anschlag innerhalb weniger Monate in Deutschland. Im Dezember raste ein Auto auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg, sechs Menschen starben. Im Januar wurden bei einem Messerangriff in Aschaffenburg ein Mann und ein Kleinkind getötet. In allen Fällen waren Menschen mit Migrationshintergrund beteiligt. Die bundesweite Debatte um die Migrationspolitik hatte daraufhin an Fahrt aufgenommen und den Wahlkampf zur anstehenden Bundestagswahl nachhaltig geprägt.
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