Deutschland steht ein Kraftakt bevor: Die Infrastruktur im Land gilt an vielen Stellen als sanierungsbedürftig, das betrifft auch Tausende Brücken. Nicht zuletzt der Einsturz der Carolabrücke in Dresden hat gezeigt, wie schnell es gefährlich werden kann: Anfang September stürzte das Bauwerk in die Elbe. Zwar erfolgte der Kollaps in der Nacht, während sich glücklicherweise weder Personen noch Fahrzeuge auf der Brücke befanden. Doch die Brücke gehörte zu den am stärksten frequentierten Verbindungen zwischen Altstadt und Neustadt, der Einsturz hätte fatal enden können. Problemstellen gibt es indes auch in Bayern, und vor allem im Südwesten des Freistaats haben Brückeningenieure zudem mit den Folgen der Hochwasserkatastrophe im Juni zu kämpfen.
Besonders schwer getroffen hat das Hochwasser den Landkreis Günzburg. Wie die Regierung von Schwaben mitteilt, müssen hier die Geh- und Radwegbrücke über die Günz bei Kleinkötz und die Kreisstraßenbrücke über den Krebsgraben bei Schönenberg „hochwasserbedingt komplett neu gebaut werden“. Die Regierung von Schwaben führt die Aufsicht über die staatlichen Bauämter in Augsburg, Krumbach und Kempten, die unter anderem für den Bau und die Instandhaltung vieler wichtiger Straßen in Schwaben zuständig sind – konkret sind dies die Bundes- und Staatsstraßen. Beschädigt worden seien beim Hochwasser an den Brücken unter anderem sogenannte Kolksicherungen – also schwere Steine, die das Flussbett sichern. Hinzu kamen ausgeschwemmte Böschungen, beschädigte Geländer und hinterspülte Widerlager, die den Übergang zwischen Brücke und Ufer sichern.
Hier sind wichtige Bauarbeiten an Brücken im Allgäu und Schwaben geplant
Ein Großteil der Sicherungsmaßnahmen sei sofort getroffen worden und bereits abgeschlossen, teilt die Regierung von Schwaben mit. Der Neubau der zerstörten Brücken in Schönenberg und bei Kleinkötz ist für das kommende Jahr vorgesehen. Sie stellen zwei von mindestens 24 Brückenarbeiten im Regierungsbezirk Schwaben sowie den Landkreisen Neuburg-Schrobenhausen und Landsberg am Lech dar, die für die kommenden Monate vorgesehen sind und wegen Sperrungen für Verkehrsprobleme sorgen könnten. So werden etwa 2025 mehrere Brücken auf der B16 zwischen Roßhaupten und Füssen im Landkreis Ostallgäu instand gesetzt, die Arbeiten sind mit einer „kurzzeitigen Vollsperrung“ verbunden, wie die Regierung von Schwaben mitteilt. Im Oberallgäu sind zudem mehrere Bauarbeiten auf der B19 geplant, bei denen es zu Teilsperrungen oder großräumigen Umleitungen kommen kann. Besonders lang sollen die Arbeiten beim Neubau der Adenauerbrücke zwischen Ulm und Neu-Ulm dauern, sie beginnen 2025 und sollen erst Ende 2028 abgeschlossen sein. Der Verkehr werde dabei aber nicht beeinträchtigt. Eine Liste der Bundesanstalt für Straßenwesen zeigt indes, dass bald noch weitere Brückenarbeiten in der Region folgen könnten.
Die BASt überwacht die Brücken an Autobahnen und Bundesstraßen und benotet diese. Für den Regierungsbezirk Schwaben und die Landkreise Neuburg-Schrobenhausen sowie Landsberg am Lech umfasst diese Liste, der „Brückenzustandsbericht“, 1866 Brücken. 43 davon sind laut BASt in einem „nicht ausreichenden“ Zustand – haben also eine Bewertung zwischen 3,0 und 3,4 – eine erhält gar die Note „ungenügend“, also bei 3,5 oder schlechter. Hierbei handelt es sich um die Illerbrücke an der A96 bei Aitrach an der bayerisch-württembergischen Grenze in Fahrtrichtung München. Laut Bernhard Möhrle, dem Bereichsleiter Brücken der Autobahn GmbH in Kempten, gebe es am Überbau des Bauwerkes Beschädigungen am Beton. Das soll planmäßig 2025 behoben werden. „Autofahrer brauchen aber keine Angst zu haben“, sagt Möhrle. Gefahr bestehe durch die Betonschäden nicht.
Wie viele andere Bauwerke werden auch Brücken regelmäßig überprüft: Eine Sichtprüfung gibt es jährlich, hinzu kommen im Wechsel alle drei Jahre jeweils entweder eine vollständige Hauptprüfung oder eine einfache Prüfung, deren Umfang zwischen Sicht- und Hauptprüfung liegt. Auf dieser Grundlage erfolgt die Benotung der Brücken. Bei einer Zustandsnote von 3,5 oder schlechter sind „die Standsicherheit und/oder Verkehrssicherheit erheblich beeinträchtigt oder nicht mehr gegeben“, wie die BASt mitteilt. Dies könne aber auch durch fehlende Gitterstäbe im Geländer bedingt werden oder sich „auf eine große Anzahl von Schäden“ beziehen, ohne dass die Standsicherheit gefährdet wäre. Eine Zustandsnote von 3,0 bis 3,4 sei hingegen ein Indikator dafür, dass in näherer Zukunft eine Instandsetzungsmaßnahme zu planen ist.
In diesem Zustand sind die Brücken in Schwaben, Neuburg-Schrobenhausen und Landsberg
Im bundesweiten Vergleich steht die Region insgesamt gut da: Eine Auswertung des Spiegel ergab, dass bundesweit jede neunte Brücke mit „nicht ausreichend“ oder „ungenügend“ benotet wird. Unseren Recherchen zufolge liegt dieser Anteil bei Brücken an Autobahnen und Bundesstraßen im Südwesten Bayerns dagegen bei rund zwei Prozent, ausgewertet wurden dabei die Brücken, bei denen die Baulast in der Hand von Bund oder Freistaat liegt sowie die Brücken an Hauptverkehrsstraßen in Augsburg. Die Stadt trägt laut Bundesfernstraßengesetz wie alle Gemeinden mit mehr als 80.000 Einwohnern die Baulast für die Bundesstraßen innerhalb der Ortsdurchfahrt. Einer Auflistung der Stadtverwaltung mit den Brücken an Hauptverkehrsstraßen zufolge ist die Situation im Stadtgebiet auffallend schlecht. Von den dort rund 100 gelisteten Brücken erhält aktuell etwa ein Viertel die Note 3,0 oder schlechter. Eine Brücke bei Margaret in der Altstadt wird sogar mit 3,5 benotet – also „ungenügend“.

Auch abseits der Bundesstraßen und Autobahnen gibt es in der Region mehrere Brücken, die verkehrstechnisch eine gesteigerte Bedeutung haben. Sie werden stark genutzt, eine Sperrung würde große Umwege bedeuten oder sie verbinden etwa zwei Teile des selben Ortes. Solche Brücken sind etwa die Elisenbrücke in Neuburg, die Donaubrücke am Auwaldsee in Lauingen oder die Illerbrücke bei Vöhringen. Anfragen unserer Redaktion ergaben, dass die meisten dieser Brücken den Noten zufolge in „sehr gutem“ bis „ausreichendem“ Zustand sind. Im Netz der Deutschen Bahn gibt es jedoch über 500 Brücken in der Region, bei denen Bauarbeiten zu planen sind. Aufgelistet sind die Eisenbahnbrücken im Brückenportal der Deutschen Bahn, hier erfolgt die Benotung in vier Klassen. 15 Brücken im Südwesten Bayerns erhalten die schlechteste Note, hier ist sogar vorgesehen, dass ein Neubau zu planen ist. Die meisten von ihnen liegen an Regionalverkehrsstrecken – anders ist dies etwa bei drei Brücken entlang der ICE-Trassen in Ulm und Donauwörth.
Die eingestürzte Carolabrücke in Dresden galt übrigens nicht als einsturzgefährdet. Teile waren erst in den vergangenen Jahren saniert worden, das Bauwerk wies zuletzt eine Zustandsnote von 3,0 auf. Für die Jahre 2025 und 2026 waren weitere Sanierungsarbeiten vorgesehen. Auch in Augsburg gab es in jüngster Vergangenheit einen Brückeneinsturz. 2016 war die Ackermannbrücke in die Wertach gestürzt. Das geschah jedoch nicht während des laufenden Verkehrs, die Brücke war für Abbrucharbeiten gesperrt. Zwei Arbeiter wurden beim Einsturz und eine Sanitäterin bei den Rettungsarbeiten verletzt.
Dieser Artikel zählt zu unseren Favoriten aus dem Jahr 2024. Er stammt aus dem Archiv, aber wir wollten Ihnen die Lektüre noch einmal ans Herz legen. Zuerst wurde er am 28.10.2024 veröffentlicht.
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