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Meiningen: Ganz großes Wagner-Kino in Meiningen: Selten war ein „Tristan“ so kurzweilig und tiefgründig zugleich

Meiningen

Ganz großes Wagner-Kino in Meiningen: Selten war ein „Tristan“ so kurzweilig und tiefgründig zugleich

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    Immer wieder weitet sich der Guckkasten zu unerschöpflich bunten Fantasiewelten. Im Bild: Lena Kutzner (Isolde), Marco Jentzsch (Tristan)
    Immer wieder weitet sich der Guckkasten zu unerschöpflich bunten Fantasiewelten. Im Bild: Lena Kutzner (Isolde), Marco Jentzsch (Tristan) Foto: Christina Iberl

    Auch wenn die beiden großen Theater in Unterfranken – Würzburg und Schweinfurt – sich derzeit durchaus mit Erfolg bemühen, in Ausweichspielstätten attraktive Programme anzubieten, eines ist während der Sanierung dieser Häuser nicht möglich: die großen musikdramatischen Werke Richard Wagners aufzuführen.

    Für Opernfans eine schmerzliche Lücke, die sie zwingt, nach Nürnberg, Frankfurt, Coburg, München oder gar Berlin auszuweichen. Oder nach Meiningen. Das Staatstheater dort ist nicht nur in Sachen Wagner immer ein lohnendes Ziel, nun ist mit der phänomenalen Neuninszenierung von „Tristan und Isolde“ von Verena Stoiber ein zwingender Grund hinzugekommen, einen Abstecher nach Thüringen zu machen.

    Vier Stunden Drama mit wenig Handlung, aber unendlich viel Emotion

     „Tristan und Isolde“ – vier Stunden Drama mit wenig Handlung, unendlich viel Emotion und einer rauschhaft-hypnotischen Musik, die süchtig machen kann und übrigens höllisch schwer zu spielen und zu singen ist. Die Wiener Staatsoper, an der einst die Uraufführung stattfinden sollte, musste das Vorhaben nach 77 Proben abbrechen. Diagnose: „Unspielbar!“

    Wenn Traum und Wachsein verschwimmen. Im Bild: Lena Kutzner (Isolde), Marco Jentzsch (Tristan)
    Wenn Traum und Wachsein verschwimmen. Im Bild: Lena Kutzner (Isolde), Marco Jentzsch (Tristan) Foto: Christina Iberl

    Erstmals vor Publikum erklang das Werk dann Jahre später, 1865 in München, auf Betreiben von Wagners großem Förderer Ludwig II., und die Reaktionen waren, gelinde gesagt, gemischt. Wagner selbst schrieb: „Ich fürchte, die Oper wird verboten, nur mittelmäßige Aufführungen können mich retten! Vollständig gute müssen die Leute verrückt machen.“

    Killian Farrell (31), Generalmusikdirektor in Meiningen und als Ire Landsmann von Isolde, sagte deshalb bei seiner Einführung zur zweiten Aufführung: „Wir streben nach Mittelmaß pur.“

    Seine Leistung und die der Meininger Hofkapelle entlarvten das wenig später als Scherz. Selten hört man die unendlich vielschichtige Musik so griffig, plastisch, farbenreich und nicht zuletzt auch präzise. Dieser „Tristan“ ist – unter anderem – ein Fest des Orchesters. Vieles, was etwa beim vielgerühmten Mischklang von Bayreuth verborgen bleibt, tritt hier offen zutage: Wilde Hörner, gallige Bratschen, unendlich zärtliche Violinen.

    Das eigentliche Wunder: Man hört fast überdeutlich, wie es gemacht ist, und doch bleibt die Magie vollständig erhalten.

    Das Staatstheater stemmt diese Produktion komplett ohne Gäste

    Ebenfalls bemerkenswert: Das Staatstheater stemmt diese Produktion komplett ohne Gäste. Lena Kutzner, längst kein Geheimtipp mehr für die großen Rollen des dramatischen Fachs, ist eine unglaublich souveräne und doch sensible Isolde, die als Figur emotional an ihre Grenzen gelangt - aber niemals stimmlich.

    Der Tristan von Marco Jentzsch, schlaksig, elegant, nervös, ist ihr idealer Widerpart und Partner in einem. Jentzschs Tenor ist heldisch im Überschwang, im dritten Aufzug wird er immer schlanker – auch das eine selten gehörte Kopplung an den Text, schließlich singt hier ein tödlich Verwundeter.

    Wenn Wirklichkeiten verschwimmen: Der sterbende Tristan vor dem Bett, der tote Tristan im Bett. Im Bild: Yuta Onouchi (Englischhorn), Marco Jentzsch (Tristan), Statist (im Bett), Shin Taniguchi (Kurwenal).
    Wenn Wirklichkeiten verschwimmen: Der sterbende Tristan vor dem Bett, der tote Tristan im Bett. Im Bild: Yuta Onouchi (Englischhorn), Marco Jentzsch (Tristan), Statist (im Bett), Shin Taniguchi (Kurwenal). Foto: Christina Iberl

    Selcuk Hakan Tiraşoğlu (Marke), Shin Taniguchi (Kurwenal), Tamta Tarielashvili (Brangäne), Johannes Mooser (Melot) und ein unsichtbarer, akustisch aber höchst präsenter Chor vervollständigen ein durchwegs überzeugendes Ensemble.

    Die eigentliche Sensation aber ist Verena Stoibers Regie im Zusammenspiel mit der Bühne von Susanne Gschwender und der wunderbaren Videokunst von Jonas Dahl: Immer wieder weitet sich der Guckkasten zu unerschöpflich bunten Fantasiewelten, vermischen sich Wachsein und Traum, Leben und Tod, Wunsch und Wirklichkeit.

    Das Ergebnis ist eine Hymne auf die Verliebtheit und die Liebe, die ganz im Sinne des Schöpfers all die moralischen, politischen, hierarchischen Aspekte des Stücks einfach wegfegt. Selten war ein „Tristan“ so kurzweilig und tiefgründig zugleich.

    Die nächsten Vorstellungen: 26. April, 15., 25. Mai, 9., 15. und 22. Juni. Karten: (03693) 451 222. www.staatstheater-meiningen.de

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