Wenn Christel Metz an das vergangene dreiviertel Jahr zurückdenkt, kommen ihr leicht die Tränen. Für die 64-Jährige aus Würzburg war es eine aufreibende Zeit – nicht weniger für ihren Vater, um den es in in dieser Sache geht.
Nach schwerer Erkrankung brauchte der frühere Lokomotivführer eine stationäre Pflege im Seniorenheim. Doch auf den Kosten blieben Tochter und Heim monatelang sitzen, weil die private Pflegeversicherung nicht bezahlte.
Der Fall zeigt, wie Pflegebedürftige mitunter um Erstattungen bei den Kassen kämpfen müssen und wie wichtig dabei die Unterstützung aus der Familie oder dem Heim ist.
Monatelange Außenstände und Sorge um den Heimplatz
„Wenn ein alter Mensch keinen Angehörigen hat, der sich kümmert, kann es wirklich dramatisch werden“, sagt Thomas Göhring, Leiter des Seniorenwohnstifts von Steren, das zum Bürgerspital gehört. In der 2018 eröffneten Einrichtung am Würzburger Hubland lebt Karl-Heinz Kleespies seit August 2023 – zunächst im betreuten Wohnen.
Im Juli vergangenen Jahres brauchte der frühere Bahnbeamte nach einem Klinikaufenthalt erst eine Kurzzeitpflege, im Anschluss einen stationären Platz. Der 89-Jährige denkt typisch für seine Nachkriegsgeneration: „Ich habe nie Schulden gemacht, wollte immer alles gleich bezahlt haben.“
Und dann dies. Monatelange Außenstände bei den Zahlungen der Pflegekasse. Einen fünfstelligen Betrag musste seine Tochter vorstrecken - bis sie nicht mehr konnte. Zwischenzeitlich habe er Angst gehabt, aus dem Heim zu fliegen, sagt Karl-Heinz Kleespies. Dazu kam die ärztliche Diagnose, er habe nur noch wenige Wochen zu leben. Sie bewahrheitete sich glücklicherweise nicht.
Nur weil dann die Einrichtung mit Verständnis und Entgegenkommen reagierte und in Vorleistung ging, konnte der 89-Jährige bleiben. Normalerweise steht ein Heimplatz infrage, wenn drei Monate lang keine Beiträge dafür bezahlt werden.

All die Jahre hatte sich Christel Metz um ihren Vater gekümmert, nach der schweren Erkrankung war dies nicht mehr möglich. Finanziell ist der ehemalige Lokführer – wie viele Menschen in Seniorenheimen – gar nicht in der Lage, den Heimplatz mit monatlichen Kosten von mehr als 5000 Euro zu bezahlen. Reich wurde er in seinem Beruf nicht, doch als Bahnbeamter musste er sich privat versichern. Für seinen Eigenbeitrag schießt der Bezirk zu, den Rest übernehmen zu 70 Prozent die Bahnbeamten-Beihilfe und zu 30 Prozent die private Pflegekasse. Und hier wurde es im vergangenen Jahr kompliziert.
Hintergrund: Die Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB) – sie gehört zur Gemeinschaft Privater Versicherungsunternehmen (GPV) – hat sich 2024 aus der Mitgliederverwaltung und Abrechnung bei der Pflegeversicherung zurückgezogen. Übernommen wurde dies als Dienstleistung von der HMM Deutschland GmbH. Die Umstellung wurde in mehreren Schritten umgesetzt. Dabei klemmte es teils gewaltig.
180.000 Betroffene in ganz Deutschland
Es handele sich um die „wohl größte Umschichtung eines Versichertenbestandes in der Geschichte“, erklärt Stefan Reker, Geschäftsführer des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV). Rund 180.000 Personen seien betroffen, in der Anfangsphase sei es „leider in vielen Fällen zu Komplikationen gekommen“.
Christel Metz kann ein Lied davon singen. Zwei Ordner an Unterlagen haben sich bei ihr angesammelt. Seit August habe sie „30 bis 40 Mal“ versucht, telefonisch Auskunft zu erhalten. Vergeblich. Stunden habe sie in der Warteschleife gehangen. Zig Mails habe sie geschrieben, keine Reaktion. „Man hat das Gefühl, gegen eine Wand zu laufen. Ich war am Verzweifeln“, sagt sie rückblickend. Auch ihren pflegebedürftigen Vater habe die Situation sehr verunsichert und belastet.

Dass man Betroffene und Angehörige über Monate im Ungewissen lässt, ärgert auch Heimleiter Thomas Göhring: „So geht man nicht mit Leuten um.“ Er hätte sich eine Information an die betroffenen Heime gewünscht, „damit wir die Sache einordnen können, aber niemand hat etwas erfahren“.
Beamten-Beihilfe blieb lange aus
Verschärft wurde das Problem durch die ausbleibende Beamten-Beihilfe: Die dafür weiterhin zuständige KVB hielt die Auszahlung der 70 Prozent zurück, solange der 30-prozentige Privatanteil über die HMM nicht abgerechnet war. Erst im Februar wurde dies geändert. Die HMM weist die Kritik mangelnder Aufklärung zurück: Versicherte und Bahn-Gewerkschaften seien mehrfach über Veränderungen und Probleme informiert worden.
Karl-Heinz Kleespies konnte im Seniorenstift bleiben, weil das Heim ab Oktober über Monate die Kosten vorfinanzierte und gemeinsam mit seiner Tochter um Erstattung kämpfte. Zwischendurch, berichtet Metz, seien Unterlagen bei der Versicherung verloren gegangen – per Einschreiben schickte sie alles nochmal. Im Februar schalteten sie den Ombudsmann der Privaten Kranken- und Pflegeversicherung ein. Zwar seien im Lauf der Monate einzelne Zahlungen der HMM eingegangen, vollständig seien sie nicht gewesen, sagt Metz.
Die Kosten für die Kurzzeitpflege vom Juli 2024 wurden erst nach der konkreten Anfrage dieser Redaktion im April erstattet. Dazu kam - erstmals - ein persönlicher Rückruf und eine Entschuldigung der HMM bei Christel Metz.
Pflegeversicherung: Antragsstau mittlerweile bearbeitet
PKV-Geschäftsführer Stefan Reker spricht von einem „anfänglichen Antragsstau“, mittlerweile seien bei der HMM alle Posteingänge bis Februar 2025 abgearbeitet. Auch der März sei zu 90 Prozent erledigt. Dass Christel Metz über Monate niemanden bei der Pflegekasse erreicht hatte, lag laut Auskunft der HMM an den vielen Anfragen nach der Umstellung.
In der Spitze, erklärt PKV-Chef Reker, habe man 8000 Anrufe an einem Tag gezählt – gerechnet hatte man mit 500 bis 700. Nach einer Umorganisation und Aufstockung des Personals würden inzwischen mehr als 80 Prozent der Anrufe angenommen. Bei Anfragen per E-Mail gebe es ein Sicherheitsproblem: Mails – hier oft mit sensiblen Gesundheitsdaten – seien in der Regel nicht verschlüsselt, deshalb habe die HMM auf eine Kommunikation über Online-Formulare umgestellt.
Thomas Göhring ist voller Anerkennung für den Einsatz von Christel Metz für ihren Vater. „Was aber“, fragt der Würzburger Heimleiter nachdenklich, „wenn alte Menschen niemanden mehr haben, technisch nicht klarkommen oder ihnen einfach die Kraft fehlt zu kämpfen?“
...und es ist eine glatte Lüge der HMM, dass ALLE Anträge bis Februar bearbeitet wären!!! Das stimmt einfach nicht!
Der Bericht ist 1 zu 1 unsere Situation.Nur dass wir das Heim komplett vorfinanzieren müssen.Die Pflegekasse der Bundesbahnbeamten GPV hat die Abwicklung an einen Dienstleister ausgelagert Seit dem funktioniert nichts mehr. Teilweise 6 Monate keine Leistungen und wenn gezahlt wird, dann hat man stundenlange Warteschleifen in der sogenannten "Servicehotline" ertragen, auch dann dauert es weitere Wochen bis das Geld da ist.Desweiteren ist es schier unmöglich, die aufgelaufenen Zahlungen den entsprechenden Monaten zuzuordnen Die HMM ist für die pflegenden Angehörigen eine Vollkatastrophe Und der absolute Hammer ist, dass niemand für diese Misere zuständig ist:Der Ombudsmann nicht, die Bafin nicht das Sozialministerium nicht das Bundeseisenbahnvermögen nicht, die GPV nicht - hat ja ausgelagert. Es gibt Betroffene, die ihre Rechte mit einer Klage beim Sozialgericht einklagen aus purer Verzweiflung. Die HMM reagiert mit "Vogel Strauß" - Kopf in den Sand. Gute Nacht Deutschland! Ariane Burtz
Der Begriff Pflegekasse ist insofern irreführend, als es sich um eine private Versicherung in Kombination mit der Beihilfe für Beamte handelt. Ich bin über die TK versichert und erhalte meine Pflegeleistungen problemlos!
Solche Heimleiter wünscht man sich!
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