Der 51-Jährige ist kein Unbekannter in Ingolstadt. Er betreibt mehrere Firmen, engagiert sich vielerorts, mit der Stadt Ingolstadt hat er bei Projekten zur Gewaltprävention zusammengearbeitet. Doch jetzt sitzt der Mann auf der Anklagebank am Landgericht Ingolstadt. Er kämpft mit den Tränen, als er sich an jenen Tag im Mai 2022 zurückerinnert, an dem die Polizei bei ihm vor der Tür stand. "Ich habe nicht ganz verstanden", sagte er am Montag beim Prozessauftakt über seine Festnahme. Den Grund dafür und für die anschließende dreiwöchige Untersuchungshaft hat er bald erfahren. Dem Geschäftsmann wird vorgeworfen, tags zuvor eine 18-Jährige, die in einem seiner Unternehmen als Schülerpraktikantin tätig war, während der Arbeitszeit vergewaltigt zu haben.
Der Unternehmer aus Ingolstadt saß in Untersuchungshaft
Er jedoch bestreitet die Vorwürfe. "Nein, das stimmt nicht", sagte der Ingolstädter nach Verlesung der Anklageschrift. Ja, er hatte in einem Fitnessraum Sex mit der jungen Frau, doch sei alles "einvernehmlich" gewesen. "Es war von beiden Seiten schön", sagte er.
Ganz anders sieht das Staatsanwältin Sophia Hager. Sie geht davon aus, dass der Ingolstädter die damals 18-jährige Schülerin aus dem Kreis Neuburg-Schrobenhausen zu allem, was geschehen ist, gezwungen habe. Sie habe ihn weggedrückt, als er sie küssen wollte, sei ausgewichen, habe mehrmals "Nein" gesagt. Doch der Mann "ließ nicht von ihr ab", heißt es in der Anklage.
Der 51-Jährige beschreibt die Praktikantin als "ganz sympathisch, sehr nett, sehr offen zu mir". Und er schildert ein Verhältnis, das weit über eine Chef-Praktikantinnen-Beziehung hinausgegangen sein soll. Bei gemeinsamen Autofahrten zu Bauprojekten hätten sie miteinander geflirtet, ihre Gespräche drehten sich um Beziehungen und Sex.
Die Vergewaltigung soll in einem Fitnessraum passiert sein
Auf dem Weg zu einer Baustelle, die sich auf dem eigenen Firmengelände befand, sei es dann "unerwartet passiert". Als sie einen Fitnessraum durchquerten, sei aus einem Gespräch heraus mehr geworden. Aber alles sei "angenehm" und "einvernehmlich" gewesen, sagte der Angeklagte. Danach habe man sich sogar für ein weiteres Date verabreden wollen: "Hab keinerlei Eindruck gehabt, dass sie irgendwie nicht wollte." Ganz im Gegenteil: Die Frau soll gelächelt und mehrmals mit einem "Ja" dem Geschehen zugestimmt haben. Anschließend sind beide wieder, so sagte es der Angeklagte, ins benachbarte Büro zurückgekommen und hätten weitergearbeitet. Einen Tag später wurde er festgenommen. Beim Prozessauftakt sagte er: "Ich weiß, dass es nicht korrekt war, ethisch. Aber es war alles einvernehmlich."
Die Aussagen der damals 18-Jährigen fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Doch Angehörige schilderten vor Gericht eine junge Frau, die seit jenem Tag eine andere ist. "Sie hat kein normales Leben wie jemand in diesem Alter", sagte ihre Mutter. Die 18-Jährige ging viele Wochen nicht in die Schule, die Noten rauschten in den Keller, das Abi hat sie trotzdem geschafft. Ein Studium aber hat sie sich bislang nicht zugetraut. Noch immer sei sie sehr zerbrechlich, weine viel. "Das Thema ist immer noch sehr präsent", sagte ihr Freund.
Die 18-Jährige aus dem Kreis Neuburg-Schrobenhausen ist auf der Heimfahrt zusammengebrochen
Er war es auch, der sie an jenem Tag von der Arbeit abgeholt hat. Auf dem Heimweg sei sie dann weinend zusammengebrochen. "Ich habe einen Menschen noch nie so am Boden gesehen", sagte der Freund. "Diese Leere in ihren Augen zu sehen - das war eine echte Katastrophe", so der 22-Jährige. "Mein Chef hat mich angefasst", sei das Erste gewesen, was sie gesagt hat. Erst nach und nach kamen dann die Details zur Sprache. "Am Anfang wollte sie nicht alles erzählen." Auch zur Polizei wollte sie zunächst nicht, doch Freund und Mutter konnten sie schließlich überzeugen. "Für die Eltern ist das das Schlimmste", sagte die Mutter. "Du passt immer auf dein Kind auf und dann schickst du es zur Schule und dann passiert so was."
Ein Urteil soll nach insgesamt vier Verhandlungstagen Ende November fallen.