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Raumausstatter TTL insolvent? Filiale in Neu-Ulm geschlossen

Neu-Ulm

TTL-Filiale geschlossen, kein Gehalt: Was ist los beim Raumausstatter?

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    Die Filiale des Raumausstatters TTL in Neu-Ulm ist seit dem 5. Februar geschlossen.
    Die Filiale des Raumausstatters TTL in Neu-Ulm ist seit dem 5. Februar geschlossen. Foto: Michael Kroha

    "Sehr geehrte Kunden, leider ist diese Filiale vorübergehend aus betrieblichen Gründen geschlossen!" So steht es auf einem Zettel an der Eingangstür zum Tapeten-Teppichbodenland, abgekürzt TTL Süd, in Neu-Ulm. Ein Kunde will das am Mittwochmorgen so noch nicht recht wahrhaben. Er rüttelt an der Tür, schließlich müsse er für eine Bekannte noch acht Rollen Tapete bestellen. Doch das wird zumindest in Neu-Ulm so schnell nicht möglich sein. Dem Raumausstatter fehlt es an Personal. Seit Dezember warten mehrere TTL-Beschäftigte auf Lohn, der Ärger ist entsprechend groß. Im Raum stehen Vorwürfe wegen Insolvenzverschleppung und Betrug. Auch die Polizei ist wohl schon eingeschaltet.

    Während vorn der Haupteingang geschlossen ist, wird am Hinterausgang der Filiale im Starkfeld kräftig ausgeräumt. Ein Beschäftigter hat an diesem Mittwoch seinen letzten Arbeitstag. Seine Ausbildung machte er bereits bei TTL, für einen beruflichen Aufstieg wechselte er nach Neu-Ulm. Dann sei kein Gehalt mehr gekommen, jetzt wechselt er das Unternehmen. Dem Einzelhandel aber will er erhalten bleiben. 

    TTL-Filiale in Neu-Ulm geschlossen: Beschäftigte wollen offen nicht über die Hintergründe sprechen

    Offen sprechen will über die Hintergründe der vorübergehenden Schließung so recht niemand in Neu-Ulm. Auch nicht langjährige Mitarbeiter aus der Führungsebene, die am Mittwoch vor Ort anzutreffen sind. Verweist wird lediglich auf Medienberichte, die bereits die Runde machen. Dem sei nichts hinzuzufügen, meint er. Der Laden in Neu-Ulm sei seit 5. Februar geschlossen. Kündigungen und Krankheitsfälle aufgrund der aktuellen Lage zwinge sie dazu. Schließlich brauche es mindestens zwei Personen, um den Laden geöffnet zu lassen. Der TTL-Standort in der Blaubeurer Straße in Ulm habe geöffnet. Zumindest derzeit noch. 

    "Aus betrieblichen Gründen", so heißt es an den Eingangstüren, ist die TTL-Filiale in Neu-Ulm aktuell geschlossen.
    "Aus betrieblichen Gründen", so heißt es an den Eingangstüren, ist die TTL-Filiale in Neu-Ulm aktuell geschlossen. Foto: Michael Kroha

    Im Juli vergangenen Jahres ist das Unternehmen mit Sitz in Heidenheim, das mit Artikeln wie Tapeten, Gardinen und Bodenbelägen sein Geld verdient, übernommen worden. Damals hatte sich die bisherige geschäftsführende Gesellschafterin, Miriam Plambeck, vom Familienunternehmen getrennt und an den neuen Eigentümer Sven Lampey übergeben. Bei einer Internetsuche stößt man auf einen Mann, der einen Bezug nach Belgien hat, und dessen Namen als Verantwortlicher bei mindestens zwei weiteren Firmen genannt wird. Es solle sich um einen Investor handeln, heißt es aus Mitarbeiterkreisen. Doch der mache seit seiner Übernahme Dinge, die man im Handel auf keinen Fall tun sollte: keine Werbung mehr schalten, keine Ware nachbestellen, am Personal sparen. Was dessen Plan ist, wissen sie nicht. Eine Anfrage unserer Redaktion bei der TTL-Zentrale blieb bislang unbeantwortet. Telefonisch ist niemand zu erreichen. 

    Was über den Raumausstatter TTL aus Heidenheim bekannt ist

    Volker Plambeck, Ehemann von Miriam Plambeck und vormals als Prokurist im Unternehmen tätig, bestätigt in einem Bericht der Heidenheimer Zeitung den Verkauf der Firma TTL, die lange Jahre in Familienhand war. Über die aktuellen Entwicklungen sei er nicht informiert. Heinfred Kübler, Vater von Miriam Plambeck, hatte die Firma gemeinsam mit Partnern 1974 gegründet und zu einem Raumausstatter-Filialsystem ausgebaut. Die erste Filiale wurde in Heilbronn eröffnet, vor 40 Jahren kam die Familie nach Heidenheim und eröffnete an der Steinheimer Straße eine Filiale, die dritte TTL-Filiale überhaupt. 

    Tochter Miriam Plambeck stieg 2013 in die Geschäftsführung ein und wurde ein Jahr später alleinige Gesellschafterin. Anfang 2022 löste sie die Filialen im Süden Deutschlands, die TTL Tapeten-Teppichboden Süd mbH, aus dem deutschlandweiten Verbund heraus, um ein neues Kapitel in der Firmengeschichte aufzuschlagen. Der Firmensitz wurde nach Heidenheim verlegt, eine neue Firmenzentrale gebaut. Inzwischen sind es 27 Standorte und etwa 400 Beschäftigte.

    Tochter des Firmengründers hat das Vertrauen in den neuen Firmeninhaber verloren

    Aktuell ist einzig Kathrin Kübler noch im Unternehmen tätig, ebenfalls eine Tochter des Firmengründers. Auch sie tappt laut dem Bericht der Heidenheimer Zeitung wie viele andere Beschäftigte im Dunkeln, berichtet davon, zum Firmeninhaber keinerlei Kontakt zu haben, und hat das Vertrauen in dessen Rechtschaffenheit verloren. Sie arbeitet nicht nur als Angestellte in der Heidenheimer Filiale, sondern sie ist auch Eigentümerin der TTL-Liegenschaften in Heidenheim und Dillingen. In Heidenheim gehören ihr der neu gebaute Firmensitz sowie das Filialgebäude. Sie berichtet, dass nicht nur Gehälter, sondern auch die Mieten nicht bezahlt worden seien. Seit November müssten Kunden in Vorkasse gehen. Kollegen hätten ihr erzählt, von verärgerten Kunden bereits bedroht worden zu sein. Sie selbst arbeitet derzeit in Dillingen, bringt Waren aus dem Heidenheimer Lager dorthin, um Kunden versorgen zu können.

    Eine Sprecherin des Arbeitsgerichts Stuttgart bestätigt auf Nachfrage unserer Redaktion, dass nach derzeitigem Stand 16 Verfahren im Zusammenhang mit TTL vorliegen. Es gehe dabei wohl um ausstehende Vergütungszahlungen für die Monate Dezember 2023 und Januar 2024 für die Arbeitnehmer. Es seien in fast allen Verfahren bereits Gütetermine bestimmt. Der früheste Termin findet voraussichtlich am 5. März in Aalen statt. Ein Insolvenzverfahren sei bislang nicht bekannt, so die Gerichtssprecherin. 

    Ulmer Polizei soll gegen TTL und dessen Firmeninhaber ermitteln

    Andere Mitarbeitende sollen sich laut Heidenheimer Zeitung an die Polizei gewandt haben und bezichtigen den Firmenchef des Betrugs oder der Insolvenzverschleppung. Ein Sprecher des Polizeipräsidiums in Ulm soll aus Datenschutzgründen zwar keinen Firmennamen genannt haben, bestätigte aber wohl auf Nachfrage, dass aus dem Raum Heidenheim und Ulm jeweils Anzeige erstattet worden sei gegen eine Heidenheimer Firma beziehungsweise deren Geschäftsführer. Am Donnerstag teilte die Ulmer Polizei auf Anfrage unserer Redaktion mit, dass derzeit im Rahmen eines Betrugsverfahrens bei einer Heidenheimer Firma ermittelt wird.

    Für Freitag solle es wohl auf einer Onlineplattform eine Betriebsversammlung geben, heißt es aus Mitarbeiterkreisen. Doch schon einmal sei ein Termin anberaumt gewesen und kurzfristig wieder abgesagt worden. Kunden, die Fragen zu laufenden Aufträgen haben, sollen sich per E-Mail an die Zentrale wenden. 

    Anmerkung der Redaktion: Die Ulmer Polizei hat erst am Donnerstag auf unsere Anfrage am Mittwoch reagiert. Wir haben den Absatz entsprechend nachträglich geändert.

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