Nach dem Scheitern der allgemeinen Corona-Impfpflicht wird nun auch die bestehende für die Beschäftigten in Gesundheitsberufen laut infrage gestellt. Die Krankenhäuser und der Verband der Pflegedienste verlangen, dass die Pflicht zur schützenden Spritze aufgehoben wird.
„Wir fordern die sofortige Aussetzung. Den Beschäftigten in den Krankenhäusern ist nicht zu vermitteln, warum sie bei fehlender Impfung Tätigkeitsverbote erhalten, während ein Großteil ihrer Covid-Patienten ungeimpft ist“, sagte der Chef der Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, dieser Redaktion. Vom Pflegeverband bpa heißt es: „Mit der Ablehnung der allgemeinen Impfpflicht gehört deshalb nun auch die einrichtungsbezogene Impfpflicht auf den Prüfstand.“
Arbeitsrechtliche Aspekte immer noch ungeklärt
Am Mittwoch wird sich der Gesundheitsausschuss des Bundestags mit der sogenannten einrichtungsbezogenen Impfpflicht befassen, weil noch immer arbeitsrechtliche Aspekte ungeklärt sind – zum Beispiel, ob eine fehlende Impfung ein Kündigungsgrund sein kann und wie es um die Lohnfortzahlung steht. Seit Mitte März müssen die Beschäftigten in Kliniken, Praxen und Pflegediensten nachweisen, dass sie gegen den Corona-Erreger geimpft sind oder als Genesene eine Infektion durchgemacht haben. Allerdings gilt der Genesenen-Status nur für begrenzte Zeit.

Ungeimpfte Mitarbeiter müssen den Gesundheitsämtern gemeldet werden, die dann prüfen, ob Bußgelder verhängt oder ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen wird. Zunächst wird aber versucht, die Skeptiker von einer Impfung zu überzeugen. Die Bundesländer verfahren dabei mit unterschiedlicher Entschiedenheit.
In Sachsen wohl ein Viertel bis ein Drittel des Pflegepersonals ungeimpft
Bayern und Sachsen fürchten zum Beispiel, dass bei einem Bann nicht geimpfter Pflegerinnen und Pfleger die Versorgung der Alten in den Heimen oder zu Hause nicht mehr gewährleistet werden kann. In Sachsen wird geschätzt, dass sich zwischen einem Viertel und einem Drittel des Pflegepersonals bislang gegen die schützenden Spritzen entschieden hat. In Bayern hatten die Gesundheitsämter bis Ende März rund 30.000 Mitarbeiter aus dem medizinischen Bereich gezählt, die ungeimpft sind. Baden-Württemberg kommt auf eine ähnliche Größenordnung. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sich zur Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht bekannt.
In Bayern ist das Bekenntnis weniger stark. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sieht die einrichtungsbezogene Impfpflicht an die allgemeine gekoppelt. „Sie war immer nur als erster Schritt hin zu einer allgemeinen Impfpflicht gedacht“, sagte Holetschek dieser Redaktion. Er verlangte von der Ampel-Regierung, einen neuen Anlauf für die allgemeine Impfpflicht zu starten.
Bei den Fachpolitikern der Ampel-Koalition löst die Forderung nach einer Abschaffung Unverständnis aus. „Dass wir überhaupt über eine einrichtungsbezogene Impfpflicht diskutieren müssen, empfinde ich als peinlich. Wer im Gesundheitswesen arbeitet, sollte der evidenzbasierten Medizin folgen“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Andrew Ullmann, dieser Redaktion. Der Würzburger Medizinprofessor deutete aber an, dass die Pflicht zur Spritze Ende des Jahres auslaufen könnte. Sollte die Impfrate sehr hoch sein, könne auf die Fortsetzung einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht verzichtet werden.