Bescheidenheit gehört nicht zu den prägenden Eigenschaften von Sahra Wagenknecht. Sie gibt sich wenig Mühe, zu verbergen, dass sie sich den meisten Menschen intellektuell überlegen fühlt. Und so glaubte die 55-Jährige ernsthaft, sie könne die CDU bei den Koalitionsgesprächen in Ostdeutschland vorführen. Doch Wagenknecht hat sich verzockt.
In ihrer Hybris ging sie davon aus, nicht nur den eigenen Laden, sondern sogar potenzielle Partner in der Hand zu haben. Schließlich wird ihr Bündnis gebraucht, um Rechtsradikale von der Macht fernzuhalten. Keine stabile Mehrheit gegen die AfD ohne Wagenknecht. So geht die Rechnung.
Als graue Eminenz diktiert die BSW-Chefin im Gefühl der eigenen Unverzichtbarkeit immer neue, immer absurdere Bedingungen für die Gespräche in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Und eine Zeit lang sah es so aus, als könnte sie damit durchkommen, obwohl die meisten Forderungen nichts mit der Landespolitik zu tun hatten. Dass jemand eigene Grundsätze und Werte über Machtoptionen stellen würde, konnte sie sich offenbar nicht vorstellen. Das sagt übrigens viel über Wagenknecht selbst aus.
CDU hat sich von Wagenknecht nicht erpressen lassen
Die CDU hat sich, zumindest in Thüringen, nicht erpressen lassen. Dabei galt der dortige Landvorsitzende Mario Voigt durchaus als Wackelkandidat. Erst recht, seit er gemeinsam mit den Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (Brandenburg, SPD) und Michael Kretschmer (Sachsen, CDU) eine Art Plädoyer für diplomatische Gespräche mit Wladimir Putin veröffentlichte, das in Wahrheit nur eine Adressatin hatte: Sahra Wagenknecht.
Als junge Frau hatte diese gesagt, sie hätte „natürlich tausendmal lieber ihr Leben in der DDR verbracht als in dem Deutschland, in dem ich jetzt leben muss“. Als Parteichefin macht sie keinen Hehl daraus, wie sehr sie mit dem gesellschaftlichen Konsens in Sachen soziale Marktwirtschaft, Westanbindung, Nato oder Europäische Union fremdelt.
Wagenknecht wollte, dass sich die CDU von Merz distanziert
Olaf Scholz nannte sie einen „Vasallenkanzler“, gesteuert aus Washington. Zu Wladimir Putin fällt der kremltreuen Talkshow-Agitatorin kein kritisches Wort ein. Im Rausch ihrer gefühlten Unverzichtbarkeit rief sie die CDU sogar auf, sich vom eigenen Parteivorsitzenden Friedrich Merz zu distanzieren, nachdem dieser eine entschlossenere Unterstützung für die Ukraine gefordert hatte. Es war der Moment, in dem Wagenknecht zu weit ging. Der Moment, in dem ihre destruktive Masche aufflog.
Denn in Wahrheit geht es ihr nicht um die Menschen in Thüringen, Sachsen oder Brandenburg. Im Gegenteil: Sie sabotierte die Sondierungsgespräche dort nach Kräften. Ihr Ziel ist ein Triumph bei der Bundestagswahl. Das klappt leichter, ohne Verantwortung übernehmen oder Kompromisse machen zu müssen. Das klappt nur, solange sie andere vor sich hertreiben kann, indem sie das BSW als vermeintliche „Friedenspartei“ inszeniert. Und das klappt am besten, wenn sie die Union als letzte Volkspartei spaltet.
Auch im BSW wächst das Unbehagen über Wagenknecht
Noch ist unklar, ob das BSW im Osten mitregieren wird. Fest steht: Wagenknecht hat ihre Macht überschätzt. In der eigenen Partei wächst das Unbehagen darüber, dass die Chefin nach Gutsherrinnenart herrschen will. Die Emanzipation von der großen Vorsitzenden hat bereits begonnen und es wird nun spannend zu beobachten sein, wie eng Wagenknecht die Zügel anzieht, wenn es etwa um die pragmatische Thüringer BSW-Chefin Katja Wolf geht.
Zum Zweiten: Die CDU hat sich eben nicht unterworfen. Wagenknecht reagierte gereizt. Sie weiß: Sollten die Koalitionsgespräche noch platzen, wird sie das Scheitern nicht mehr den anderen in die Schuhe schieben können.
Es ist ehrenhaft, wenn SPD und CDU sich ihrer Verantwortung bewusst sind, unter schwierigen Bedingungen handlungsfähige Koalitionen zu schmieden. Wer versucht, sie damit zu erpressen, hat in einer Regierung aber nichts verloren.
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