Rock am Ring, das Taubertal-Festival oder das Würzburger "Umsonst und Draußen" - die Fans haben, wie man sieht, im Sommer in Franken die Qual der Wahl. Neben den genannten namhaften Veranstaltungen, die alle etwas größer sind, gibt es das kleinere "Lutzi"-Festival, das heuer vom 27. bis 30. Juni wieder in Rottershausen steigt. Das Event wird von Ehrenamtlichen gewuppt. Vieles ist hier anders als bei den kommerziellen Konkurrenten. Letztes Jahr verbuchte man bei der "Lutzi" insgesamt rund 11.500 Gäste an drei Tagen. Was das kleine Festival groß macht:
1. Das ganze Dorf packt an: Das "Ab geht die Lutzi" lebt von Engagement und Ehrenamt

Es ist der Höhepunkt des Jahres für die kleine Gemeinde in Rottershausen. Knapp 12.000 Personen strömen seit mehr als einer Dekade am letzten Juni-Wochenende aufs Festivalgelände und feiern ausgelassen zu den Klängen von Indie, Rock, Reggae und Rap. Das versetzt die Dorfgemeinschaft natürlich in den Ausnahmezustand. Fast jede Hand packt an diesem Wochenende mit an. Knapp 500 Ehrenamtliche helfen den Veranstalterinnen und Veranstaltern, damit die Festivalfans problemlos feiern können. Im Veranstaltungsteam engagieren sich knapp 30 Menschen, die sich übers Jahr schon um das Booking, die Organisation und alles Nötige kümmern - natürlich ehrenamtlich.

2. Eine Rarität auf Festivals: Ein hoher Anteil an Musikerinnen

The Tchik, Mola, Mia Morgan, Nikra und weitere Frauen stehen auf der Bühne des "Ab geht die Lutzi"-Festivals. Was in der Musikbranche nicht überall selbstverständlich ist, nämlich dass auch Frauen auf der Musikbühne ganz vorn mitmischen, wird in Rottershausen umgesetzt. "Ehrlich gesagt ist das nicht unser Hauptaugenmerk beim Buchen, aber es ist schön, dass es dieses Jahr geklappt hat", erzählt Veranstalter Christian Stahl. "Ziel ist es aus allen Perspektiven, ein rundes Line-up hinzukriegen", fügt er hinzu. Durch die vielen Musikrichtungen mischt es sich recht gut. Ein weiterer Grund sind die jüngeren Crew-Mitglieder: "Dadurch, dass immer Jüngere ins Team gekommen, kommt auch neue Musik rein", meint Stahl. "Es ist ein wilder Mix dieses Jahr geworden."
3. Auf dem "Ab geht die Lutzi-Festival" können ab diesem Jahr auch Familien campen

Viele Eltern nehmen ihre Kinder tagsüber mit auf das Lutzi-Festival, um ihnen ihre eigene Lieblingsmusik näherzubringen. Kindern unter 13 Jahren war das Übernachten auf dem Zeltplatz jedoch zunächst untersagt. Doch die Anfragen häuften sich, ob es nicht doch möglich wäre, mit Kindern auf dem Zeltplatz zu übernachten. Auch im Team des Lutzi-Festivals sind viele in den letzten Jahren Eltern geworden und sympathisierten mit der Idee. Deswegen haben die Veranstalterinnen und Veranstalter dieses Jahr ein Family-Camp eingerichtet. Es liegt abseits vom Trubel des Zeltplatzes auf einer Wiese, wo Eltern im Wohnwagen oder Wohnmobil mit ihren Kids campen können. "Wir probieren das jetzt mal aus und wir hoffen, dass die Eltern sich verantwortungsbewusst verhalten."
4. Das "Lutzi"-Festival bringt Menschen zusammen

Das "Ab geht die Lutzi"-Festival ist im Kern ein großes Vereinsfest geblieben. Im Zentrum liegt der FC Rottershausen mit seinem Sportplatz, welches seit jeher als Festivalgelände dient. Der Verein war es auch, der auf die Jugendlichen im Dorf zuging und fragte, ob sie nicht Lust hätten, eine Feier auszurichten. Das hatten sie und herausgekommen ist das "Ab geht die Lutzi". Das Festival prägt die Gemeinde. Örtliche Vereine und soziale Organisationen profitieren teils von den Spenden, die das Festival einnimmt. Hinzu kommt, dass die Veranstalter, die damals nicht sonderlich viel mit dem FC am Hut hatten, heute selbst im Verein aktiv sind. Der Verein, in dem davor der Fußball dominierte, ist nun ein Verein zur Förderung von Sport und Kultur. Auch außerhalb der Festival-Saison ist das Sportheim zum Anlaufpunkt für Jung und Alt geworden.

5. Anstrengung um Inklusion: Das Lutzi-Festival will für möglichst viele Fans zugänglich sein

Die Idee, das Lutzi-Festival barrierefreier zu gestalten, kam den Veranstalterinnen und Veranstaltern auf einem Branchentreffen. Dort sprachen Betroffene über ihre Erfahrungen auf Festivals. In der Corona-Pandemie nutzte man dann die freie Zeit, um das Event inklusiver zu gestalten. Viele Dinge seien einfach umsetzbar gewesen, wie man hörte. Doch die größten Schwierigkeiten machte den Veranstaltern das Gelände. "Der Campingplatz ist eine Wiese. Das können wir nicht ändern, aber viele andere Bereiche konnten sich bereits umgestalten lassen", so Stahl.
Menschen mit Behinderung können beispielsweise die Duschen im Backstage-Bereich verwenden. Es gibt Strom auf dem Campingplatz für medizinische Geräte. Sogar mit einem Kühlschrank konnten die Veranstalterinnen und Veranstalter einem Festivalgast aushelfen, der seine Medikamente auf dem Zeltplatz sachgerecht lagern musste. Ganz zufrieden ist man aber noch nicht: "Es passt noch immer nicht perfekt, aber wir versuchen, das Beste von den Gegebenheiten zu machen", sagt Stahl. Und weiter: "Es geht darum, möglichst vielen Leuten das Festival zugänglich zu machen."