Dass Wolfgang Dürr und Paul Diestel der Kunst verfallen sind, wussten die beiden Künstler aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld schon immer. Wolfgang Dürr berichtet: „Ich habe an der Fachakademie für Fotodesign in München studiert. Ich war lange Architekturfotograf, aber habe das nie mit großer Leidenschaft gemacht. Später habe ich mit der Fotografie wieder angefangen, aber mit meinen eigenen Projekten.“ Hauptberuflich ist er mittlerweile Betreuer.
Paul Diestel hatte an der Kunsthochschule Kassel studiert „Am Anfang habe ich noch malerisch gearbeitet, aber dann gemerkt: Das Dreidimensionale ist mir näher.“ Der junge Künstler machte sich 2019 selbstständig und erschafft Skulpturen.
Beide setzen sich für die Ausstellung „Im Unterholz “ im Deutschherrnschloss in Münnerstadt mit der Natur auseinander.
Wolfgang Dürr: Auf Entdeckungsreise in den Wald
Wolfgang Dürrs Werke sind Bilder einer Wildkamera. Was wie Schnappschüsse in schwarz-weiß aussieht, ist ein genau so komponiertes Bild, mit einem Schuss Glück. „Wenn ich die Kamera einfach irgendwohin hänge, dann passiert nichts. Wenn ich zumindest dahin gehe, wo ich Wildwechsel sehe, wo Verbissspuren sind, dann verfolge ich das ins tiefe Unterholz hinein, bis ich noch eine interessante Struktur finde, die mein Bild komponiert“, sagt er. Dann baut er die Kamera dort auf und sie bleibt dort für Wochen, manchmal Monate.
Sechs Kameras hat der Künstler aus Heustreu, die auslösen, wenn sich etwas bewegt. Doch die meisten Bilder sind Ausschuss. „Wenn das Tier die Kamera auslöst, muss das passen: Das Licht muss stimmen, das Tier muss die richtige Körperhaltung haben, an der richtigen Stelle im Bild sein.“ Über 99 Prozent der Aufnahmen seien unbrauchbar, von den über tausend Bildern, die er am Ende sichten muss.
Entstehung der Bilder abgegeben
„Wenn es blöd läuft, ist es windig in einer Nacht und die Kamera löst andauern aus, weil sich ein Ast bewegt. Umso größer ist die Freude , wenn eine Perle dabei ist.“ Das sei aber auch das Interessante: Er kann den Output nur bedingt beeinflussen, weil er die Entstehung der Bilder abgibt. Am Ende bearbeitet Wolfgang Dürr seine Fotos, um sie interessanter zu gestalten.
Wie genau er auf die Idee dieses Projektes kam, weiß er nicht genau. „Ich habe nur irgendwann gemerkt, dass noch niemand solche Wildkamera-Fotos weiterverarbeitet hat.“ Da gehe es ja normalerweise nur um die nackte Information. „Was mich immer gereizt hat, war, den kreativen Prozess aus der Hand zu geben und drauf zu vertrauen, dass was von außen dazu kommt, wo ich keinen Einfluss drauf habe.“
Gefühl der Dankbarkeit erzeugen
Er versuche beim Betrachter das Gefühl, das er hat: „Das Gefühl: In der Natur geschehen Dinge, da sind Wesen unterwegs und da sind interessante Formen, und wenn das alles in dem Bild vereint ist, stellt sich bei mir Dankbarkeit ein.“
Die Bilder zeigen auch, wie viel Wildnis um die Menschen herum noch da ist. „Es ist unglaublich, wie viel da los ist, von dem wir nichts mitbekommen. Seitdem ich das mache, habe ich im Wald das Gefühl, mir sehen mindestens 100 Augen zu.“
Paul Diestel: „Mensch ist nicht immer der Maßstab“
Die Werke von Paul Diestel sind Skulpturen aus Holz, Stein oder Bronze, meist in der Größe verändert. „Prinzipiell schaue ich mir Dinge in der Natur an und versuche, eigene Formen herauszukristallisieren, die eine Klarheit haben.“ Zu Beginn seien seine Objekte kleiner gewesen, seine größte Skulptur misst fünf Meter. Es ist eine Kiefernnadel.
Es kann sich schon mal über ein bis zwei Jahre ziehen, wenn ein neues Objekt entsteht, berichtet der Künstler aus Unsleben. „Da gehe ich immer mal wieder dran. Die Werke müssen wie in der Natur über die Zeit reifen.“ Seine Objekte aus Bronze fertigt Paul Diestel ebenfalls aus Holz und gibt sie dann an eine Gießerei. „Dann bekomme ich den Bronze-Rohguss zurück und dann geht für mich die Formarbeit los: abschleifen und polieren.“
Welche Größe ist interessant?
Warum er Dinge vergrößert? „Eine Form hat erstmal keine Größe im Kopf. Ich überlege mir dann, welche Größe interessant ist, gegenüber dem menschlichen Maß. Ich frage mich: Muss der Mensch immer das Maß der Dinge sein?“
Was Paul Diestel erreichen will: „Vielleicht das, was ich in Ausstellungen immer suche: ein Staunen. Das ist ein Moment, den kann man nicht erzwingen, nicht künstlich produzieren, ein seltenes Gefühl, an das man sich noch lange erinnert.“
Dieses Staunen kann auch etwas mit Gefühlen zu tun haben: „Beispielsweise Ahornsamen. Da verbinden ganz viele Menschen diese Nasenzwicker damit. Ich finde es interessant, dass so simple Formen Träger von Erinnerungen oder Assoziationen sind.“
Ausstellung ab Samstag
Von Samstag, 5. April, bis Sonntag, 27. April, läuft die Ausstellung „Im Unterholz “ der Museumsfreunde Münnerstadt, bei denen die beiden Künstler ausgewählte Werke präsentieren. Öffnungszeiten sind Freitag bis Sonntag von 14 bis 17 Uhr.
Mia Hochrein als Künstlerische Beirätin der Museumsfreunde hat die Künstler ausgewählt. „Wäre es nur Paul Diestel mit seinen Skulpturen, da würde was an den Wänden fehlen, und wäre es nur Wolfgang Dürr, da hätte was im Raum gefehlt“, sagt sie.
Die Ausstellungseröffnung im Deutschherrnschloss ist am Freitag, 4. April, um 19 Uhr.