Lange Zeit lag der Landkreis Bad Kissingen mit der 7-Tage-Inzidenz, im Vergleich zu den Nachbarregionen, noch im "grünen" Bereich. Am 14. April wurde der empfindliche Schwellenwert 100 erstmals auch hier wieder überschritten. Am Mittwoch vermeldete das Landratsamt die Inzidenzzahl 152,1. Wie geht's jetzt weiter mit Schulen, Handel, Gastronomie und Kunst? Im Gespräch mit Landrat Thomas Bold wird klar: Auch die Politik ist an langfristigen Lösungen interessiert. Nach Bolds Ansicht wäre es zum Beispiel wichtig, Modellversuche zu starten – allerdings nicht jetzt, mitten in der dritten Welle.
Lange Zeit hat sich die Inzidenz des Landkreises stabil zwischen 80 und 100 auf und ab bewegt, sagt Bold. Dann sei die Entwicklung "dynamischer" geworden und bewegt sich nun zwischen 130 und 150. Es sei klar gewesen, dass der Landkreis die bundesweite Entwicklung nicht ausbremsen wird. "Aber wir hoffen jetzt auf Stabilität und dass es vielleicht mit der Inzidenz bald wieder in die andere Richtung geht."
Dass sich das Infektionsgeschehen im Kissinger Landkreis lange Zeit nicht so schnell nach vorn entwickelte wie bei den Nachbarn, hängt nach Bolds Ansicht damit zusammen, dass sich die Bürger großenteils an die Corona-Schutzmaßnahmen halten und dass es hier keine großen privaten Feiern gab, die zu Hotspots wurden.
Politik im Spannungsfeld
Zudem wirke sich bereits positiv aus, dass ein
ist, zumindest was die Erstimpfungen angeht. Mit bedenken muss man seiner Ansicht nach auch, dass die Kontaktnachverfolgung im Gesundheitsamt sehr gut funktioniert, selbst dann, wenn mal an einem Tag sehr viele Infizierte gemeldet wurden und dann die Zahl der zu recherchierenden Kontaktpersonen massiv in die Höhe schnellte.
Was Präsenzunterricht in den Schulen und die Öffnung von Geschäften und Restaurants angeht, bewege sich die Politik stets "im Spannungsfeld", sagt Bold. Wenn bei den Bund-Länder-Konferenzen Regelungen festgelegt werden, die dann in den einzelnen Ländern unterschiedlich umgesetzt werden, sei das den Bürgern langfristig nicht mehr zu vermitteln, sagt Bold. Vieles spreche also für eine bundeseinheitliche Regelung, aber dann habe jeder vor Ort weniger Handlungsspielraum.
Das Infektionsgeschehen eindämmen
Aktuell hält Bold es für die wichtigste Aufgabe, die Infektionen in dieser dritten Welle einzudämmen. Aber wenn weitere staatliche Beschränkungen auferlegt werden, müsse man auch langfristige Perspektiven für Handel, Gastronomie und Kunst eröffnen. "Man kann nicht ständig Geschäfte und Restaurants öffnen und dann wieder schließen." Seine Anregung für die Zukunft: "Die Inzidenzphasen nicht so eng fassen." Das hieße, zum Beispiel Geschäfte nicht schon beim Inzidenzwert 100, sondern vielleicht erst bei 150 schließen. Bundesweit Thema ist laut Bold derzeit bereits, dass Schulen künftig erst bei einer Inzidenz von 165 in den Distanzunterricht gehen sollen.

"Wenn wir mit dem Impfen weiter vorankommen und die gefährdeten Gruppen sicher sind, könnten wir solche höheren Inzidenzen verkraften", glaubt Bold. Zudem brächten auch Schnelltests jetzt schon mehr Sicherheit. Erst bei höheren Inzidenzen zu schließen, wäre nach Bolds Ansicht für das Gesundheitssystem verkraftbar, Handel und Gastronomie hätten eine relativ sichere Perspektive und die Bürger würden dies begrüßen. Allerdings müsse man freilich auch künftig die Notbremsewieder ziehen, wenn Höchstwerte überschritten würden, so Bold weiter.
Was die Öffnung von Handel und Gastronomie angeht, müsse man sich freilich auch im Landkreis Bad Kissingen an Bundesvorgaben halten, so der Landrat weiter. Dennoch sieht auch er, dass diese Regelungen für Großstädte wie Köln oder München eine andere Bedeutung haben als für mittlere Kleinstädte wie Bad Kissingen. Entscheidend zur Eindämmung des Infektionsgeschehens sei in großen Städten an vorderster Stelle, dass sich nicht Massen durch die Innenstädte bewegen und den ÖPNV nutzen.
Plädoyer für die Modellstadt
Eine Stadt wie Bad Kissingen sei hingegen überschaubarer, sagt Bold und plädiert daher für das vom Rathaus vor kurzem bereits angestoßene
. "Wir haben keine Erfahrung und wissen nicht, wie es sich auswirkt. Aber wenn wir zur Normalität zurückwollen, müssen wir Handlungskonzepte entwerfen und solche Modellversuche starten."Ein solches Projekt jetzt, in der Phase des exponentiellen Wachstums der Infektionszahlen, zu starten, hält Bold allerdings für kontraproduktiv. Zuvor müsse sich die Inzidenz wieder auf niedrigerem Niveau einpendeln. "Denn die Pandemie ist nicht zu Ende." Deshalb hält Bold es für wichtig, weiter klare Zeichen für die Bürger zu setzen, wie zum Beispiel die Verlängerung der Maskenpflicht in der Bad Kissinger Fußgängerzone.

Denn die Pandemie müsse wahrgenommen werden. "Die Masken sind ein sichtbares Zeichen." Ähnlich verhält es sich, seiner Ansicht nach, mit der aktuellen Ausgangssperre. Es handle sich zwar um eine vorübergehende starke persönliche Einschränkung, die jedoch "Sinn macht und fürs Bewusstsein wichtig" ist.
Bold hofft auf die vom Bund angekündigten großen Impfstofflieferungen im zweiten und dritten Quartal 2021. Dann könne man auch im Landkreis vielleicht die sogenannte Herdenimmunität erreichen,
. "Das Pandemiegeschehen wird uns wohl noch über Jahre begleiten, aber wenn die Herdenimmunität erreicht ist, wird ein großes Stück Normalität zurückkehren."Die aktuellen Corona-Fallzahlen im ÜberblickNach Angaben des Landratsamts liegen am 21. April 18 neue Corona-Fälle vor. Gleichzeitig fallen 20 gemeldete Fälle aus der Statistik heraus, sodass aktuell 249 Menschen mit dem Virus infiziert sind. 462 Kontaktpersonen befinden sich aktuell in Quarantäne. Die Zahl der aktuell Infizierten teilt sich wie folgt auf die Altlandkreise auf: Bad Kissingen (147) Hammelburg (65), Bad Brückenau (37). Drei Einrichtungen meldeten Corona-Infektionen. Betroffen ist eine Person aus der Belegschaft der Rehaklinik in Bad Bocklet, drei Mitarbeiter/innen aus dem Kindergarten Waldfenster und ein Schüler aus der Hammelburger Realschule. Seit Beginn der Pandemie wurden im Landkreis insgesamt 3024 Covid-19-Infektionen bestätigt. Als gesundet gelten 2681 Menschen. 94 Menschen starben an/mit dem Virus. Stationär behandelt werden momentan 15 Personen.Quelle: Landratsamt