Möglichst breit in der Bevölkerung wollen Oberbürgermeister Dirk Vogel und Projektmanager Peter Weidisch den Stolz auf den Welterbetitel verankern. Das machte der knapp dreistündige Festakt zur Ernennung am frühen Freitagabend deutlich.
Vor dem Regentenbau sorgte ein Standkonzert des Jugendmuskikorps für Schaulustige, während sich die geladenen Ehrengäste auf dem Balkon des Littmann-Baus in geselliger Runde auf die späteren Reden einstimmten. Zum Beginn des Festakts gab es eine Uraufführung. Auf der Großleinwand lief der kurze Imagefilm von Regisseur Max Kupfer. Er zeigt in musikalisch untermalten Sequenzen umfassende Aspekte der Kur in Bad Kissingen.
In drei lockeren Gesprächsrunden kamen neben den Machern der Welterbe-Bewerbung auch Vertreter von Wirtschaft und aus der Jugend zu Wort. Der Auftritt von Oberbürgermeister Dirk Vogel unterstrich, dass die Stadt nicht unerwartet zu den höheren Weihen gekommen ist.
Das Stadtoberhaupt versprach ein "Welterbe für alle". Von der Ernennung der Stadt sollen nicht nur die Kurgäste sondern auch die Einheimischen profitieren. Er kündigte für September die Vorstellung einer Studie an, die den Weg von reinen Tourismus-Angeboten zu einem Lebensraum-Konzept aufzeigen soll.

Dabei habe man das wachsende Segment der Tagesgäste auch aus der hiesigen Region im Blick. "Es ist nicht alles Gold, was glänzt", ging Vogel auf zahlreiche Leerstände in der Stadt ein. Zu deren Beseitigung möchte Vogel mit der Staatsbad GmbH eine Modernisierungsinitiative anstoßen.
Auslastung der Gastronomie verbessern
Den Handlungsbedarf auch auf anderen Feldern unterstrich er mit einem Blick auf die Auslastung heimischer Beherbergungsbetriebe. Sie reicht demnach von 97 Prozent bei Kliniken und Sanatorien über 70 Prozent bei gut geführten- und 49 Prozent bei durchschnittlichen Hotelbetrieben.
In Vorbereitung seien bereits eine Welterbe-Card zur Nutzung örtlicher Angebote und je eine Welterbe-Tour Süd und Nord zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt sowie eine Sisi-Tour und eine nächtliche Anstrahlung des Gradierbaues.
Es gehe nicht nur um Denkmalerhaltung, sondern um gelebte Geschichte, sagte Vogel. Mit der Planung des Kurparkressorts zeige die Stadt gleichzeitig, dass unter dem neuen Prädikat Weiterentwicklung möglich ist. Das Luxushotel samt Wohnungen soll in etwa zweieinhalb Jahren fertig sein.
Welterbe-Zentrum an der Unteren Saline
Als künftiges städtisches Welterbe-Zentrum sieht Vogel die Untere Saline, die mit Unterstützung des Freistaats als Informationsgelegenheit samt Wohnmöglichkeiten ausgebaut werden werden soll. Und auch im Kleinen tut sich was. So soll im Herbst ein höherpreisiges Mineralwasser auf den Markt kommen. Außerdem erscheint voraussichtlich 2022 ein Marco Polo-Stadtführer von Bad Kissingen.

"Nach der Bewerbung ist vor der Bewerbung", sagte das Stadtoberhaupt mit Blick auf das Streben nach einer Landesgartenschau 2030. Mit der Umgestaltung des südlichen Stadtrands soll Bad Kissingen besser ans Saaletal Richtung Hammelburg angeschlossen werden. Große Möglichkeiten sieht Vogel in Radtouren mit E-Bikes im Reha-Bereich auf dem Saaletalweg. Ausdrücklich dankte er dem Freistaat für dessen Engagement in Bad Kissingen.
Eck sagt weitere Unterstützung zu
"Wir werden Bad Kissingen auch nach dem Erreichen dieses Zieles nicht vergessen", sagte Staatssekretär Gerhard Eck im Namen der Staatsregierung mit Blick auf weitere Unterstützung. Projektmanager Peter Weidisch und Archivarin Anna Maria Boll hätten sich diesen Festnachmittag durch ihre Leistungen im Bewerbungsverfahren verdient. Franken gehöre zur Weltspitze, sagte Eck mit Blick auf die hier nun vorhandenen vier Welterbestätten.
Mit dem Antritt des neuen Intendanten Alexander Steinbeis beim Kissinger Sommer sei Bad Kissingen zur Welterbestadt geworden, sagte Staatsministerin Dorothee Bär, zugleich Mitglied des Kuratoriums Kissinger Sommer. "Die Messlatte liegt hoch", folgerte sie aus den neuen Ehren für die Stadt, auch mit Blick auf die musikalischen Ansprüche. Die Vielseitigkeit des Landkreises wertete Landrat Thomas Bold als dessen Stärke. Jetzt gelte es, die Stadt weiter zu entwickeln, damit sie ihre Bedeutung behält. Nun dürfe OB Dirk Vogel den Ruhm für einen Prozess einfahren, den sein Vorgänger Kay Blankenburg einst anstieß.
Altbürgermeister Blankenburg wirbt fürs Reisen
Mit einer Bitte wandte sich Altbürgermeister Kay Blankenburg an die Bevölkerung. "Fahren Sie in die anderen zehn Welterbe-Kurstädte, damit Sie sehen in welcher Liga wir spielen". Das erfolgreiche Bewerbungsverfahren sieht er als Indiz dafür, dass die EU womöglich besser zwischen Städten als zwischen Staaten funktioniere.
Thomas Gunzelmann vom Landesamt für Denkmalpflege wertete es als Aufgabe für die kommenden Jahre, besseres Recht für die architektonischen Schutzzonen der Stadt zu schaffen. Der Bund habe die Absicht, ein vor kurzem ausgelaufenes Investitionsprogramm für Welterbestätten fortzuführen.
Kuranlagen sollen Erlebniszonen werden
Sylvie Thormann, Geschäftsführerin der Bad Kissingen Staatsbad GmbH, kündigte Konzepte an, nach denen die Kuranlagen zu einer Erlebniszone umgestaltet werden sollen. Es gebe schon Anfragen zu einem möglichen Over-Tourismus, dem man aber mit Konzepten, etwa im Verkehrsbereich, entgegensteuern könne. Wichtig sei es jetzt, den Verband der elf Bäder in eine feste Organisationsform zu überführen.

Kontakte in die anderen europäischen Bäder zu pflegen, nannte Maximilian Menz, stellvertretender Vorsitzender des Jugendbeirates, als mögliches Engagement junger Menschen für das Welterbe. "Jetzt muss auch die Wirtschaft loslegen", folgerte Ralf Ludewig (Pro Bad Kissingen) aus dem dazu gewonnen Image der Stadt. Gastronomie und Handel würden nun an dem neuen Image gemessen, sagte er. "Die Befürchtungen sind auch eine Chance", bewertete er den Umstand, dass der Kaffee am Rosengarten oder am Marktplatz künftig ein bisschen mehr kosten könnten als in einem anderen Rhönstädtchen.
Eigenkomposition mit besonderer Note
Musiker der Staatsbad Philharmonie umrahmten den Festakt. Sie warteten am Ende mit der Uraufführung der getragenen Komposition Kissinger Liebe von Dirigent Burghard Toelke auf. Dabei setzte Toelke ein besonders Zeichen. Er streifte sich eine gelbe Westen mit der Aufschrift "Streik" über. Damit wollte er der Forderung nach einem Tarifvertrag für die Musiker Ausdruck geben. "Weltkultur gibt es nicht zum Nulltarif", lautete die Forderung, die auch auf Transparenten vor dem Littmann-Bau zum Ausdruck kam.