Mit 19 Jahren wollte er nur weg aus Bad Kissingen. Heute ist Sebastian Bünner 39 Jahre alt und wohnt wieder in der Kurstadt. Als Wirtschaftsförderer im Rathaus ist er Ansprechpartner für Unternehmer und Projektentwickler – und fungiert so als Bindeglied zwischen Privatwirtschaft und Stadtverwaltung.
Was er heute an seiner Heimatstadt so wertschätzt, warum es auf die richtige Mischung an Läden in der Innenstadt ankommt und welches gastronomische Angebot er in Bad Kissingen noch vermisst, erklärt er im Interview.
Frage: Sie sind in Bad Kissingen aufgewachsen. Hatten Sie ein Lieblingsgeschäft?
Sebastian Bünner: Mein Lieblingsgeschäft als kleiner Junge war 'Spielwaren Ahlert'. Dort habe ich mein ganzes Taschengeld für Modellautos und meine Märklin-Bahn ausgegeben. Als ich älter wurde und mich für Mode interessiert habe, war es dann der 'Stones'-Laden am Theaterplatz und zum Cocktail-Trinken ging es ins 'Café Timballo'.
Von den drei Läden gibt es nur noch Spielwaren Ahlert.
Bünner: Ja, und der läuft heute noch sehr gut. Für das 'Café Timballo' haben wir mit dem 'Café Ilse' einen geeigneten Nachfolger gefunden, der jetzt schon gut angenommen wird. Beim Thema Männermode bin ich froh, dass 'Mode Ludewig' mit dem 'Ludewig 2' vertreten ist und es daneben zum Beispiel auch noch den 'Camel Store' und 'Tropics' gibt. Den wenigen Herrenmodegeschäften stehen aber über 40 Damenoberbekleidungsgeschäfte gegenüber.
Das hört sich nach einem Shoppingparadies an. Fährt man zum Einkaufen nicht eher nach Schweinfurt oder Würzburg?
Bünner: Ich würde nicht sagen, dass man nach Schweinfurt fährt. Ich gehe zum Beispiel gerne zum Mützel nach Euerdorf. Aber mit 'Ernsting's Family' oder 'Cosimo Baby and Kids' haben wir auch Läden in Bad Kissingen, in denen man für die ganze Familie etwas findet.

Welche Funktion hat denn die Bad Kissinger Innenstadt?
Bünner: Die Innenstadt ist ganz klar auf den Tourismus ausgerichtet. Etwas mehr als die Hälfte der 1,5 Millionen Übernachtungen kommen aus dem Tourismusbereich. Die andere Hälfte aus dem Reha-Bereich.
Unterscheiden sich diese Gästegruppen?
Bünner: Die Gäste, die touristisch Bad Kissingen erkunden, sind hier, um sich in ein Café zu setzen, gut zu essen, zu shoppen und um Mitbringsel zu kaufen. Die Reha-Patienten halten sich im Schnitt 26 Tage in Bad Kissingen auf – sie suchen, was auch der Bürger braucht. Vom Einzelhandel, über den Lebensmittelhandel bis zum Friseur. Das ist ein bunter Mix und das Schöne ist, dass der Markt sich selbst reguliert. Dinge, die gefragt sind, werden auch angenommen. Anderes verschwindet wieder.
Die Mischung macht's also. Sind Sie mit der derzeitigen Situation zufrieden?
Bünner: Ja. Vor allem, wenn ich uns mit anderen Städten und Nachbarlandkreisen vergleiche. Wir haben eine hohe Dichte an unterschiedlichen Ladenlokalen. Wenn ich mir noch etwas wünschen könnte, wäre das die schnelle gastronomische Versorgung für Tagesgäste und neben dem vorhandenen Angebot noch weitere fränkische Lokale. Touristen wollen bei uns vor allem die typisch fränkische Küche kennenlernen. Und was toll wäre, wäre ein schönes Fischrestaurant.
Früher gab es die 'Nordsee' am Marktplatz.
Bünner: Ja, da habe ich als kleiner Junge immer einen Bremer bekommen. Die Nordsee-Filialen haben sich auch strukturell verändert. Es kann daher gerne auch ein Gastronom sein, der aus der Region kommt. Ich bin davon überzeugt, dass der Verkauf von Fischbrötchen über die Theke kombiniert mit einem Mittagstischangebot super funktionieren würde.
Der Markt regelt – was aber auch bedeutet, dass es immer wieder Leerstände gibt. Wie geht die Stadt damit um?
Bünner: Wir haben eine Leerstandsliste und stehen mit Eigentümern oder Hausverwaltern, sofern diese das wünschen, im Austausch. Man muss auch bedenken, dass nicht jedes Ladenlokal zu jedem Konzept passt. Dazu kommen Fragen, wie Größe, Schaufensterfläche oder Barrierefreiheit. Oftmals wollen die Eigentümer auch keine Gastronomie wegen der Mieter darüber. Dann wird es mit dem wenigen Leerstand, den wir noch haben, schwer etwas Passendes zu finden.

Gegen den Leerstand in der Innenstadt sollten die geförderten Pop-up-Stores helfen. Wie ist die Bilanz bisher?
Bünner: Die Bilanz ist sehr positiv. Bei einigen Pop-up-Stores war von vornherein klar, dass sie nur wenige Wochen bis Monate in Bad Kissingen sind. Das waren zum Beispiel 'Acara Silva' in der Ludwigstraße oder die Künstlergalerie 'ART97688' in der Oberen Marktstraße. Daneben gibt es aber auch geförderte Läden, die langfristig bleiben, wie 'Moon Sushi Bar' oder 'Antiques & Decoratives'.
Die Initiative hat sich also rentiert?
Bünner: Der Fördermittelgeber war das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr. Das Programm wurde während Corona aufgelegt, um Innenstädte attraktiver zu gestalten und die Aufenthaltsqualität zu steigern. Mittlerweile haben wir damit acht Ladenlokale fördern können. Natürlich müssen sich nach Ende des Förderzeitraums Mieter und Eigentümer privatwirtschaftlich einig werden.
Die wirtschaftlichen Zeiten sind momentan nicht einfach. Mit dem Aus von 'Esprit' droht bereits ein neuer Leerstand. Gibt es hier schon Pläne?
Bünner: Bei 'Esprit' war es mit Blick auf das Mutterunternehmen leider ein Aus mit Ansage. Aber auch hier gibt es schon Konzepte in der Hinterhand – die man natürlich erst öffentlich machen kann, wenn alles hieb- und stichfest ist. Vor allem ist das eine Fläche, die viele mit Kusshand nehmen würden.

Inwiefern?
Bünner: Mit rund 200 Quadratmetern ist das eine Ladenfläche, von der es in Bad Kissingen wenige gibt. Solche großen Flächen sind tatsächlich in so einer kleinen Mittelstadt, wie bei uns, schwierig zu finden. Oftmals sind nur die Erdgeschossflächen attraktiv und die sind nahezu alle besetzt.
Früher gab es noch das Rhön-Kaufhaus in der Kirchgasse, das auf mehrere Stockwerke verteilt war.
Bünner: Jetzt ist dort im Erdgeschoss der 'NKD', der zu den zehn erfolgreichsten in Bayern zählt. Aber die Stockwerke darüber sind viel schwerer zu vermieten.
Das Thema Inflation steckt in den Köpfen, dabei liegt Bad Kissingen laut der IHK beim Thema Kaufkraft in Mainfranken hinter Würzburg und Schweinfurt auf Platz 3.
Bünner: Mittlerweile ist die Inflation wieder rückläufig und wir merken zum Beispiel auch durch die vielen Zuzüge aus den Großstädten, dass Geld da ist. Sowohl von den Bürgern als auch von den Gästen. Wir müssen aber aufpassen, dass wir für jeden ein Angebot schaffen. Auch für die, die weniger verdienen. Sie müssen sich Wohnraum oder Restaurantbesuche noch leisten können. Das Wichtige ist, dass wir hier eine gewisse Balance erreichen. Erfreulich ist, dass in Bad Kissingen die Lebenshaltungskosten noch zehn Prozent unter dem Bundesdurchschnitt liegen.
Wie zufrieden sind die Bad Kissinger mit ihrer Innenstadt?
Bünner: Das kann ich ganz genau messen, weil – und das ist das schöne – die Leute mich immer direkt ansprechen. Mit allen Sorgen und Nöten, aber auch mit allen Komplimenten, der sie der Stadt zusprechen möchten. Ich finde das gut, weil es bedeutet, dass sich die Leute um ihre Stadt kümmern.

Und: wie fällt das Feedback aus?
Bünner: Wir müssen uns wirklich nicht verstecken. Und unsere Gäste sehen das teilweise mehr als unsere Bürgerinnen und Bürger. Letztere sehen es oft als gegeben an, dass der Kurpark so aussieht, wie er aussieht oder der Rosengarten so schön ist. Aber Gäste und Reha-Patienten kommen hier an und staunen, wie aufgeräumt und sauber es ist. Das sind die gar nicht gewohnt.

Sie sind selbst Kissinger. Wie sehen Sie die Stadt?
Bünner: Mit 19 Jahren wollte ich nur hier weg, weil die Stadt für mich damals todlangweilig war. Mit 30 habe ich Bad Kissingen erst richtig zu schätzen gelernt. Ich nenne sie auch immer die '15 Minuten-Stadt', weil man in einer Viertelstunde zu Fuß fast alles erreicht. Von der Kita über die Schule, den Arzt, Park oder Lebensmittelhändler. Ich habe in München gelebt, wo man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln schon von a nach b eine dreiviertel Stunde braucht.
Die Bad Kissinger sollten ab und an also mal die Urlauber-Brille aufsetzen?
Bünner: Ja, das finde ich einen schönen Vergleich!