Was für ein schöner, lauer Sommerabend. Doch die Etikette des Kissinger Sommers verpflichtet klassischerweise, sich in Frack und Krawatte oder im langen Abendkleid im imposanten Max-Littmann-Saal einzufinden. Der ist zwar aufgrund seiner beeindruckenden Holzvertäfelung und seiner dadurch einzigartigen Akustik jedes Mal aufs Neue ein wahres Highlight. Doch kann es auch hier bei der anspruchsvollen dargebotenen Klassik, die höchste Konzentration sowohl der Musiker, als auch des Publikums einfordert, an solch einem lauen Juliabend durchaus auch schon mal unangenehm warm werden.
Da möchte man doch lieber den Abend mit einem sommerlichen Getränk in der Hand draußen verbringen, die letzten Sonnenstrahlen und die angenehme Wärme des ausgehenden Tages genießen. Wie schön, dass mit der Umgestaltung des ehemaligen Luitpoldbades der Kissinger Sommer nun auf eine gänzlich andere Veranstaltungsfläche zurückgreifen kann.
2018 fand hier im zwar historischen, aber frisch modernisierten Innenhof des neuen Behördenzentrums zum ersten Mal ein Konzert im Rahmen des Kissinger Sommers statt, und nach der jähen Pause in den Corona-Jahren etabliert sich auch dieser Termin zu einer festen und überaus beliebten Größe im Konzertkalender .
Es zeichnete sich schon vorher ab, dass uns die bislang heißesten Tage des Jahres bevorstünden. Der Wettergott zeigte sich gnädig und schickte die besten Voraussetzungen für das diesjährige Open-Air-Konzert unter dem, wie sollte es anders sein, überaus passenden Titel „Summertime“. Auch ist es bereits zu einer Tradition geworden, dass dieses Freiluftkonzert von Jazz, Swing und lockeren Bigbandsounds begleitet wird.
Hommage unter sommerlichem Himmel
In diesem Jahr war für die Sommerstimmung die Big Band der Deutschen Oper Berlin verantwortlich, die sich in einem besonderen Programm dem legendären Komponisten und Musiker George Gershwin widmete, der im vergangenen Jahr seinen 125. Geburtstag gefeiert hätte. Es wurde eine ganz besondere Hommage unter sommerlichen Himmel an die großen Hits und zeitlosen Klassiker wie „Summertime“, „S’wonderful“, „I got rhythm“ oder der weltbekannten „Rhapsody in blue“.
Leichtgängigere Wege einschlagen
Diese Bigband besteht gänzlich aus Musikern der Deutschen Oper Berlin , die sich im Jahr 2005 dazu entschieden haben, neben der ehrfurchtsvollen Darbietung von Wagner, Verdi oder Mozart , neue, leichtgängigere Wege in der Musik einzuschlagen. Leichter, lockerer, legerer, das ist der Bigband-Sound in jedem Falle. Mit Sonnenhut, Sommerjacke, Leinenhose, Sonnenbrille und dem sommerlichen Glas Wein in der Hand war auch das Publikum ganz und gar auf dieses Vergnügen eingestellt.
Die erste Amtshandlung der Musiker, nachdem sie die Bühne betraten: weg mit den schwarzen Jacketts! Und schon erklangen die ersten Töne des Klassikers der Bigband-Musik „Strike up the Band“. In diesem herrlichen Ambiente und bei den mitreißenden, stimmungsvollen Rhythmen und bei der Leichtigkeit des musikalischen Spiels vergaß man völlig, dass die Musiker trotz allem Höchstleistungen erbrachten. Aus ihren gut gelaunten Gesichtern sprach lediglich die pure Freude und die Leidenschaft an der Musik.
George Gershwin , 1898 als Sohn russisch-jüdischer Einwanderer in Brooklyn/New York geboren, wurde keine 40 Jahre alt. Und trotzdem erlangte er bereits zeitlebens den ersehnten Erfolg auf dem Broadway in New York. Er komponierte Werke für Musicals und Filme und verband den großen Bigband-Sound mit den Kompositionen der klassischen Musik.
Deutlich wird dies ganz besonders in einem seiner wohl bekanntesten Stücke, der „Rhapsody in Blue“. Ein monumentales Werk, in welchem sich die Sounds und Klänge des Jazz und der Klassik um ein virtuoses Klavierspiel brillant vermischen.
Leider bot die Big Band der Deutschen Oper Berlin an diesem Abend lediglich eine deutlich abgespeckte Bigband-Version dieser im Original fast 20 Minuten dauernden Nummer. Fairerweise muss gesagt werden, hätte dies aber wohl auch den Rahmen dieses lockeren Abends deutlich gesprengt.
Leidenschaftlicher Gesang
Für helle Begeisterung sorgte dafür die überaus charmante, auch aus dem Fernsehen bekannte Musical- und Theaterschauspielerin und Sängerin Vasiliki Roussi, die zahlreiche der Nummern der Big Band mit ihrem temperamentvollen, leidenschaftlichen und mitreißenden Gesang begleitete. Wer sonst würde sich besser in diese glitzernde Theater- und Schauspielwelt des Broadway einfühlen können?
Gershwin, das Einwandererkind, verdiente Millionen, hatte in seiner 14-Zimmer-Maisonettewohnung in Manhattan drei Steinway-Flügel stehen und erreichte durch seine Musik überragenden Erfolg am Broadway und in der gesamten USA. Er muss wie ein Besessener für seine Musik gearbeitet haben. Am 9. Juli 1937 brach er über der Arbeit sitzend am Klavier zusammen und verstarb nur einen Tag später an einem Hirntumor.
Auch das gehört zu dieser durch und durch amerikanischen Geschichte von Aufstieg und Fall, für die es wohl keinen besseren Soundtrack gibt, wie sein ewiger Jazzstandart „Summertime“.
Mehr aus dem Kissinger Sommer lesen Sie hier:


