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Bad Kissingen: Bei Tim Fischer ist jedes Lied eine eigene Show

Bad Kissingen

Bei Tim Fischer ist jedes Lied eine eigene Show

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    Tim Fischer und Thomas Dörschel beim Kissinger Sommer
    Tim Fischer und Thomas Dörschel beim Kissinger Sommer Foto: Werner P. Vogel

    „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“ skandieren die Fußballfans derzeit in den Stadien und meinen das Endspiel der EM. Kissingen hat es besser, da kommt die Hauptstadt zu uns. Weltbekannte Orchester und Stars der Klassik aus der – oder mit Bezug zur – Metropole sind zu Gast beim Kissinger Sommer um das Motto des Festivals „Ich hab noch einen Koffer in …“ mit Leben zu erfüllen.

    Der deutschsprachige Chansonstar überhaupt

    Intendant Alexander Steinbeis kennt natürlich die gesamte Kunstszene Berlins und präsentiert neben der Klassik ein etwas anderes, nicht weniger anspruchsvolles Genre und hier mit Tim Fischer den deutschsprachigen Chansonstar überhaupt im Kurtheater .

    Mit 15 stand Fischer in Hamburg schon auf der Bühne, sein buntes Leben, seine Achterbahnkarriere hat in Berlin sein Zuhause gefunden. Hier kommt er, kommt seine Interpretation an, wird sein Theaterstück – „Ich bin die Zarah Leander auf Probe“ zum Erfolg, hier spielt er in der TV Kultserie Babylon Berlin einen Nachtclubsänger – also sich selbst – wird im letzten Jahr mit dem Deutschen Chansonpreis ausgezeichnet. Fischer verkörpert einen der Koffer, die der Kissinger Sommer in Berlin stehen hat, nicht das edle Markenteil, eher die etwas ramponierte, bunte, aber unübersehbare Reisetasche, die aber schon so viel gesehen hat.

    Cityfeeling und Lebenslust

    Was für ein Glücksgriff: Cityfeeling und Lebenslust strahlt er aus, Bühnenpräsenz und eine tolle Stimme hat er sowieso. Fischer braucht nur einige bunte Scheinwerfer, die Anzug und Ohrringe zum Glitzern bringen, ein wenig Nebel dazu und schon füllt er mit seiner ausdrucksstarken Stimme das ganze Kurtheater , seine Aura nimmt das Publikum gefangen, er zieht es auf seine Seite, fordert es geradezu heraus.

    Tastenvirtuose und kongenialer Begleiter

    Thomas Dörschel am Flügel bleibt im Hintergrund, ist aber Tastenvirtuose und kongenialer Begleiter. Sie nehmen das doch etwas verjüngte Publikum von der ersten bis zur letzten Minute total gefangen. Man ist gespannt auf das nächste Lied , die etwas anspruchsvolleren Chansontexte unter dem Motto „Glücklich“ sind zu verstehen und Fischer führt sein Publikum mit kurzer Leine auf eine abenteuerlich-vergnügliche Reise ins Glück. Eine furiose Achterbahnfahrt mit Liedern von Tucholsky, Georg Kreissler, Ludwig Hirsch , Thomas Pigor und anderen Chansonklassikern. Ferdinand Raimunds „Hobellied“: „Da streiten sich die Leut’ herum, oft um den Wert des Glücks…“ kann man noch mitsummen, hat es aber seit Paul Hörbiger oder Michael Heltau nie mehr so ausdrucksstark erlebt. Es wird sentimental bei „Abends im Regen“ und Fischer fragt das Publikum direkt „Warum gehst Du am Glück vorbei?“ Dann spazieren Glückspilze, gar Glücksschweine über den verschlungenen Weg, Kurt Weill spricht von der „Angst, glücklich zu sein“ und dann muss sich halt auch mal Osnabrück auf Glück reimen.

    Buntes Repertoire

    Beifallumrauscht die Interpretation von den Glücksgefühlen in Samoa, die Georg Kreisler verfasst hat und der Jubel steigert sich nochmals beim „Weihnachtsmann auf der Reeperbahn “ und weil man schon beim Thema ist, schwingt Fischer als „Bordsteinschwalbe“ oder vornehmer „Rinnsteinprinzessin“, mit dem Täschchen, Täschchen, Täschchen, … womit denn sonst…! Fischers Repertoire ist bunt wie er selbst. Georg Kreislers Wiener Bissigkeit trifft er, den schillernden Pigor ahmt er nach, hat keine Scheu vor großen Namen, reibt sich an Denkmälern wie Friedrich Hebbel . Köstlich bereitet er Friedrich Hollaenders Filet Stroganoff zu – man spricht russisch! – und der Chansonabend wird zur witzigen Komödie, wenn er mit sich selbst kokettiert: „Ich finde mich unerträglich!“ oder „Morgen ist unser Talent nichts mehr wert.“

    Jedes Lied ist eine eigene kleine Show. Zum Schluss klagt er den Kritiker seines Vortrags herzzerreißend an: „Er hat mich so verrissen.“ Das macht der Rezensent des Abends keinesfalls. Im Gegenteil: Er beschreibt den stehenden Jubel im Kurtheater so: Was für ein Abend!

    Tim Fischer und Thomas Dörschel beim Kissinger Sommer
    Tim Fischer und Thomas Dörschel beim Kissinger Sommer Foto: Werner P. Vogel
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