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Bad Kissingen: Gut gelaunt dank Bruckner

Bad Kissingen

Gut gelaunt dank Bruckner

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    Die Philharmonie Festiva und  Solotrompeter Sebastian Berner im Regentenbau von Bad Kissingen.
    Die Philharmonie Festiva und Solotrompeter Sebastian Berner im Regentenbau von Bad Kissingen. Foto: Thomas Ahnert

    Der Sommer hat auch dieses Jahr wieder einen Vorboten nach Bad Kissingen geschickt – in einer Zeit, in der der Frühling sich noch schwertut, sich vom Winter zu trennen: Den Ebracher Musiksommer. Organisatorisch und logistisch in Ebrach beheimatet und im Bamberger Raum aktiv, hat sich aber sehr schnell die Tradition entwickelt, mit großen Orchesterproduktionen nicht nur im Bamberger Joseph-Keilberth-Saal, sondern auch im Bad Kissinger Max-Littmann-Saal zu gastieren.

    Dabei präsentieren die Philharmonie Festiva, ein großes Projektorchester, das 2007 vom Dirigenten Gerd Schaller gegründet wurde, oft interessante Programme jenseits des Mainstreams. Womit man bei den Konzerten immer rechnen kann: mit einer Sinfonie von Anton Bruckner in einer der vielen Fassungen.

    Das ist kein Zufall, denn der international ausgewiesene Bruckner-Spezialist Gerd Schaller konnte und wollte es sich nicht versagen, alle Sinfonien des Österreichers mit allen Fassungen und Bearbeitungen aufzuführen und einzuspielen. Also nicht nur die neun bekannten Sinfonien mit Opuszahlen, sondern auch vier Kompositionen, die es nicht in den Kanon geschafft haben. „Bruckner 2024“ heißt das Mammutprojekt. 20 CDs sind bereits fertig und erschienen; am (absehbaren) Ende werden es 30 sein.

    Aufzeichnung des Bayerischen Rundfunks

    Kein Wunder also, dass auch jetzt Bruckner im Fokus stand. Der Bayerische Rundfunk zeichnete die 3. Sinfonie in der Urfassung von 1873 für das Projekt auf.

    Aber erst einmal gab’s Joseph Haydn mit seinem berühmten Trompetenkonzert Es-Dur Hob.VIIe:1 und dem Solisten Sebastian Berner. Berühmt ist es deshalb geworden, weil es das erste Konzert war, das nicht mehr mit der Naturtrompete gespielt werden konnte, sondern von der neu entwickelten Klappentrompete, einer Frühform der heutigen Ventiltrompete. Die ermöglichte nicht nur ein breites Ton- und Halbtonspektrum, sondern erweiterte auch die Möglichkeiten.

    Und genau das zeigten Sebastian Berner und Gerd Schaller. Die Trompete war nicht nur das schmetternde Kraftpaket, sondern zeigte auch, wie leise, geradezu intim sie sein kann.

    Man kann nur vermuten, wie oft Berner dieses Konzert bereits gespielt hat, denn es ist nun einmal ein Favorit der Trompeter und der Veranstalter. Aber es schlich sich keine Routine ein, sondern es gab eine zielstrebige, sehr differenzierte Gestaltung mit einem deutlichen, spannungsfördernden Vortrieb – eine Haltung, die das Orchester präzise übernahm. So kam es zu wunderschönen Dialogen und Imitationen, über die man durchaus auch mal leise lachen konnte.

    Als Zugabe spielten Berner und das Orchester eine „ Romanze für Cornet á Pistons mit Pianoforte“ op. 19, einen hochromantischen Satz des Erzgebirglers Oskar Böhme (1870 – 1939), der als russischer und später sowjetischer Komponist und Trompeter Karriere machte. Der Satz ist mehrfach bearbeitet worden und heißt – fast ein bisschen überraschend – „Entsagung“.

    Und dann also Bruckner mit seiner 3. Sinfonie d-Moll in der Urfassung von 1873, die den Beinamen „Wagner-Sinfonie“ bekommen hat – der allerdings nur für die Wagner gewidmete Erstfassung Sinn macht, den in der zweiten Überarbeitung 1888/89 fielen die Wagner-Zitate Kürzungen zum Opfer.

    Uraufführung war ein Desaster

    Die Uraufführung in Wien war ein heftiges Desaster – nicht nur wegen der Länge der Sinfonie, sondern auch wegen der Aufführungsqualität. Denn der ehemalige Linzer Domkantor Bruckner, der selbst am Pult stand, konnte zwar Chöre dirigieren, aber keine Sinfonieorchester . Damals verließ nicht nur das Publikum reihenweise den Saal, sondern auch einige Musiker sollen sich davongemacht haben. Ein Erfolg wurde die Sinfonie erst in der dritten Fassung, deren Uraufführung 1890 Hans Richter dirigierte.

    Jetzt konnte man eigentlich nur bedauern, dass nicht die Urfassung, sondern die dritte Version zum Standardrepertoire geworden ist. Denn Gerd Schaller ließ ihr Gerechtigkeit angedeihen, machte aus diesem langen Werk eine bis zum Schluss spannende Sache. Er rückte nicht den Mystiker Bruckner in den Vordergrund, sondern den Musikanten .

    Er machte die Sinfonie unterhaltsam und strukturell erfahrbar. Denn sie ist kleinteilig angelegt, in viele Abschnitte eingeteilt, die durch Pausen deutlich abgegrenzt sind. Diese Abschnitte waren in sich dynamisch und agogisch kontrastreich gestaltet. Aber sie verloren trotz der Pausen nie den Zusammenhang. So konnten lange Spannungsbögen entstehen. Und erstaunlicherweise war Bruckners Musik plötzlich geeignet, gute Laune zu erzeugen.

    Wenn sich das Orchester immer wieder in ein mehrfaches Fortissimo steigerte, wirkte das nicht erdrückend, sondern ein bisschen übermütig. Wobei vor allem das Scherzo mit seinen steirischen Ländlermotiven und seinem tiefenbasierten, plastisch herausgearbeiteten Dreivierteltakt eine unerwartete Heiterkeit verbreiteten konnte.

    Harte Arbeit, spielerisches Vergnügen

    Man muss aber auch sagen, dass das Orchester sich außerordentlich gut disponiert zeigte. Und dass dieser Bruckner nicht nur harte virtuose Arbeit, sondern auch spielerisches Vergnügen bereitete, dass die solistischen Bläser mit großer Klarheit und Präsenz die Zuhörer beeindruckten, dass die Streicher mit großer Virtuosität und Präsenz musizierten und auch in den Passagen rhythmischer Verschiebungen ganz präzise und durchhörbar blieben.

    Eine Bruckner-Sinfonie, wie man sie nicht oft zu hören bekommt. Man war trotz vieler Wiederholungen froh, einmal die ungekürzte Originalfassung in so einer ansteckenden Spiellaune zu hören. Und auch nach eineinviertel Stunden Musik dachte man: Es hätte gerne auch noch ein Satz mehr sein können. Eine seltene Idee.

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