Der Bahnhof in Bad Kissingen ist das Einfallstor für alle Gäste, die mit dem Zug in die Bäderstadt reisen. Und er ist das Letzte, was diese Gäste bei ihrer Abfahrt von der Stadt sehen. Doch der Bahnhof in Bad Kissingen ist momentan alles andere als ein Aushängeschild. „Ich war entsetzt, als ich vor kurzem dort gewesen bin“, sagt eine Bad Kissingerin. Es gibt keine öffentliche Toilette . Auf dem Bahnsteig fehlen Sitzmöglichkeiten. Tatsächlich wirkt der einst repräsentative Bahnhof aus dem Jahr 1874 gar nicht welterbeverdächtig, sondern eher wie ein vernachlässigtes Anhängsel.
350 Meter zum nächsten Klo
Wartende, die kurz nach Ankunft oder kurz vor der Abfahrt ein dringendes Bedürfnis überkommt, haben schlechte Karten. Während auf dem Bahnsteig ein Schild auf ein WC hinweist, versperrt ein Bauzaun in der Wartehalle den früheren Weg zum Klo. An der Absperrung hängt ein Zettel der Stadt Bad Kissingen und informiert, dass die Anlage zu ist. Verwiesen wird auf die öffentliche Toilette am Tennisclub. Die ist 350 Meter entfernt. Eine Skizze weist den Weg.
Viele Treppen auf dem Weg
Sollte sich tatsächlich jemand dazu entschließen, die empfohlene Anlage aufzusuchen, braucht er zu Fuß hin und zurück – bei normalem Schritttempo samt Erledigung seines dringenden Geschäfts – rund 13 Minuten. Die Redaktion hat es getestet. In diesem Fall muss die Toilette aber frei sein und der oder die Betroffene sollte gut Treppen gehen können. Barrierefrei ist diese Anlage nicht. Außerdem sollten sich die Fahrgäste in Bad Kissingen ein bisschen auskennen. Außerhalb des Bahnhofes gibt es den ersten Wegweiser nach rund 200 Metern.

Täglich müsse sie Fahrgästen erklären, dass es keine Toilette gibt, bestätigt Sabine Schuster, die im gut bestückten Bahnhofskiosk – dem derzeit einzigen Lichtblick der Anlage – an der Kasse steht. Die Frau glaubt, dass die meisten Wartenden gar nicht genügend Zeit hätten, die angebotenen Alternative aufzusuchen. Sie geht davon aus, dass einige Fahrgäste in ihrer Not „einfach in die Prärie gehen“. Geschlossen ist die Toilette bereits seit Dezember. Ein weiterer Zettel im Bahnhof gibt Vandalismus als Begründung an. Den habe es in der Vergangenheit tatsächlich gegeben, weiß Sabine Schuster.
Bänke hinterm Bauzaun
Doch auch wer nur am Bahnsteig auf seinen Zug warten will oder muss, sich aber gerne in dieser Zeit setzen möchte, hat Probleme. Weil das historische Glasdach am Bahnsteig saniert wird, sind weite Teile der Plattform mit einem Bauzaun abgesperrt und mit ihm alle Bänke. Lediglich im Bahnhofsinnern gibt es einige wenige Sitzplätze. Enttäuschen muss Sabine Schuster Besucher, die nach dem Fürstensaal des Bahnhofs fragen und ihn gerne besichtigen möchten. Auf der Homepage der Stadt wird für diesen reich dekorierten Wartebereich der einstigen Kur-Prominenz geworben. Doch offen für Besichtigungen ist der seit langem nicht mehr.

So hinterlässt der Aufenthalt im Bad Kissinger Bahnhof momentan eher ein „Schnell-Weg-Bedürfnis“ als ein „Herzlich-Willkommen-Gefühl“. Dabei sei er eigentlich echt schön, findet die Frau am Kiosk. Doch die Mängel fallen Fahrgästen auf. „Was für ein Bahnhof “, sagt eine Reisende – verwundert und nicht bewundernd – zu ihrem Begleiter, nachdem sie vor dem Einsteigen in den Zug einen letzten Blick auf die Szenerie geworfen hat.
Das sagen Stadt und Bahn
Am Bad Kissinger Bahnhof könnte es noch eine ganze Weile dauern, bis Bahnreisenden endlich wieder eine Toilette zur Verfügung stehen wird. Das ist nach Stellungnahmen von Stadt Bad Kissingen und der Deutschen Bahn AG zu befürchten, um die die Redaktion zur aktuellen Situation am Bahnhof gebeten hatte. Bestätigt wird, dass wiederholter Vandalismus der Grund für die Schließung ist.

Ein Problem sind natürlich die Zuständigkeiten. Das Bahnhofsgebäude gehört nicht der Stadt Bad Kissingen , sondern der Deutschen Bahn . Die Bahn nennt den Vandalismus als Grund für die Schließung der Toiletten im Bahnhofsgebäude. Bad Kissingen steht damit jedoch nicht alleine da. Es handelt sich um ein bundesweites Problem. So habe die DB im Jahr 2021 insgesamt 34.000 Fälle von Vandalismus registriert, heißt es in der Stellungnahme. Der finanzielle Schaden belaufe sich dadurch auf jährlich 12,2 Millionen Euro.
Bahn: eigentlich Sache der Stadt
Gleichzeitig verweist die Bahn aber auch darauf, dass die Bereitstellung von Toiletten am Bahnhof gar nicht in ihr Aufgabengebiet, sondern in das der Kommune fällt. Dies sei in der bayerischen Gemeindeordnung so geregelt, heißt es. Die Gemeinde müsse demnach für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Reinlichkeit sorgen. Allerdings verweist die schriftliche Stellungnahme der DB auch darauf, dass aus dem Artikel 57 der Verordnung keine direkte Verpflichtung zur Errichtung und zum Betrieb von öffentlichen Toiletten an Bahnhöfen abgeleitet werden könne. Die Gemeinden sollten jedoch in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit entscheiden, ob und wo sie Toilettenanlagen errichten und betreiben, erklärt eine Sprecherin der Deutschen Bahn .

Stadt will Gespräch suchen
Die Stadt Bad Kissingen verweist jedoch auf den Eigentümer des Gebäudes, die Deutsche Bahn . „Die aktuelle Situation am Bahnhof , vor allem die geschlossene Toilette , ist auch aus Sicht der Stadt nicht gut. Dieses Thema wurde bereits direkt bei der Deutschen Bahn angesprochen,“ so die städtische Stellungnahme. Die Stadt bedauere dies und habe mit der Staatsbad GmbH als Notlösung während des Rakoczy-Fests auf die nächstgelegene öffentliche Toilette hingewiesen. „Selbstverständlich sind diese, auch aus Sicht der Stadt, für die Kunden der Deutschen Bahn zu weit entfernt“, erklärt die Stadt Bad Kissingen auf Anfrage der Redaktion.
Gespräche mit der Bahn
Oberbürgermeister Dirk Vogel werde die aktuelle Situation jetzt erneut zum Anlass nehmen, den Sachverhalt bei der Deutschen Bahn anzusprechen und um Abhilfe bitten. Solange bleibe der Stadt nichts weiter übrig, als im Rahmen ihrer Initiative „Die freundliche Toilette “ digital und analog auf die zahlreichen Möglichkeiten in Bad Kissingen zu verweisen, heißt es in der Stellungnahme. Eine vorübergehende Aufstellung eines Provisoriums in Bahnhofsnähe (Dixiklo oder Toilettenwagen) scheint demnach nicht vorgesehen zu sein.
Fortgeschrittene Jahreszeit
Keine schnelle Besserung wird es auch bei den fehlenden Bänken am Bahnsteig geben. Wie die Deutsche Bahn erklärt, wird dort das Glasdach saniert. Im Zuge der Arbeiten wurden beschädigte Drahtglasscheiben ausgebaut. Angesichts der fortgeschrittenen Jahreszeit und der aktuell fehlenden Glasplatten würden in diesem Bereich aktuell keine weiteren Sitzbänke aufgestellt. Die Bahn verweist auf Sitzgelegenheiten der Bahnhofshalle.

Denkmalpflege vor Ort
Die DB teilt in diesem Zusammenhang mit, dass es am 29. August einen Ortstermin mit der Denkmalschutzbehörde geben soll. „Hier wird über das weitere Vorgehen und die Art der Sanierung beraten“, so die Stellungnahme.
Hoffnungen auf eine baldige Besichtigungsmöglichkeit des Fürstenzimmers macht die Bahn nicht. Dieses befinde sich im rückwärtigen Bereich der leerstehenden Bahnhofsgaststätte und sei somit kein öffentlich zugänglicher Bereich.
Modernisierung im Blick
Die Stadt Bad Kissingen betont noch, sie stehe mit der Deutschen Bahn bezüglich der grundsätzlichen Modernisierung des Bahnhofes und seines Umfelds im „engen und sehr guten Austausch“. „Wir hoffen, in den nächsten Jahren gemeinsam eine umfassende Verbesserung zu erzielen, die auch die aktuellen Probleme dauerhaft beseitigt.“
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