Spätestens seit Goethes "Italienischer Reise" ist Italien das Sehnsuchtsland der Deutschen schlechthin. Bad Kissingen, die Stadt mit den historischen Kurgebäuden, deren Arkadengänge durchaus südliches Flair ausstrahlen, ist kein schlechter Ort, um diese Sehnsucht einen Sommer lang musikalisch zu stillen. Der Kissinger Sommer 2023 wird das unter dem Motto "La dolce vita" viereinhalb Wochen lang versuchen.

Am Donnerstag stellte Intendant Alexander Steinbeis das Programm vor. Den Titel des Programmhefts zierte im vergangenen Jahr ein Wiener Schnitzel auf einer Klaviertastatur - was nicht jedem und jeder gefiel. Aber gesprochen wurde darüber, wie Steinbeis mit Genugtuung vermerkte. Diesmal ist ein fallengelassenes Einkaufsnetz auf Marmorstufen zu sehen, aus dem Zitronen kullern. Pianistinnen und Pianisten können sich heuer also entspannen, ihr Instrument blieb beim Shooting verschont.
Wie schlägt sich das Motto im Programm nieder?

Obwohl jede Menge gekrönte Häupter, Adel und sonstige Berühmtheiten hier kurten – Italiener waren nur wenige darunter. Mit Ausnahme des großen Opernkomponisten Gioachino Rossini (1792-1868), der in Bad Kissingen versuchte, Linderung für seine Gonorrhoe zu bekommen. Und seine "Péchés de vieillesse" komponierte, seine Sünden des Alters. Ansonsten schlägt sich das Motto an vielen Stellen vor allem in Form von Repertoire und Interpreten nieder, mit Kompositionen wie Monteverdi, Vivaldi, Rossini, Verdi, Puccini, Nono oder Respighi.
Eröffnungs- wie Abschlusskonzert werden von italienischen Orchestern bestritten, dem Orchestra Sinfonica di Milano mit einer Operngala und der Accademia Nazionale di Santa Cecilia mit dem zweiten Klavierkonzert von Rachmaninoff und der Solistin Khatia Buniatishvili. Weitere Abende sind dem italienischen Barock und der Renaissance gewidmet. So spielt die Capella de la Torre in einem der Wandelkonzerte Musik aus der Zeit Sandro Botticellis (21. Juni). Und auch eine der dunkleren Seiten Italiens wird zur Sprache kommen: Beim Talk-Konzert am 13. Juli wird der Mafia-Spezialist Sandro Mattioli erwartet.
Welche großen Namen stehen im Programm?

Erstmals überhaupt gastiert Anne-Sophie Mutter beim Kissinger Sommer (25. Juni). Aber auch sonst herrscht kein Mangel an großen Namen: Es kommen unter anderem Lisa Batiashvili (17. Juni), Steven Isserlis (18. Juni), Anna Prohaska (18. Juni), Leif Ove Andsnes (22. Juni), Daniel Müller-Schott (1. Juli), Grigory Sokolov (6. Juli), Avi Avital (14. Juli) und Khatia Buniatishvili (16. Juli). Auch bei den Lesungen tauchen bekannte Namen auf, zum Beispiel Ulrich Noethen (24. Juni), Mechthild Großmann (8. Juli) oder Harald Krassnitzer (9. Juli).
Welche Orchester werden erwartet?

Je zweimal spielen die Bamberger Symphoniker (17. Juni, unter dem dann fast 96-jährigen Herbert Blomstedt, und 29. Juni), Deutsches Symphonie-Orchester Berlin (1. und 2. Juli unter Kent Nagano) und Tschechische Philharmonie (7. und 8. Juli unter Semyon Bychkov). Außerdem: Christian Thielemann dirigiert Bruckners monumentale Fünfte mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (9. Juli), und das Münchner Rundfunkorchester lädt zur Reise nach Italien ("Viaggio in Italia") mit Filmmusik von Ennio Morricone, Riz Ortolani, Piero Piccioni und Nino Rota aus Filmen wie "Cinema Paradiso", "La Dolce Vita" der "Der Pate".
Was findet außerhalb der Konzertsäle statt?

Bewährt "wie Bombe" haben sich laut Intendant Alexander Steinbeis die Prélude-Konzerte, die immer freitags und samstags, 18 Uhr, an öffentlichen Plätzen in der Stadt zu hören sind. Künstlerinnen und Künstler aus den Gastorchestern geben halbstündige Open-Air-Konzerte. Jeden Freitag gibt es außerdem nach dem Konzert eine "After-Concert-Lounge" im Schmuckhof des Regentenbaus. Im Freien, so das Wetter mitspielt, findet auch die Wiederauflage des Symphonic Mob statt (ansonsten geht's in die Wandelhalle). Beim Symphonic Mob dürfen alle Musik-Begeisterten teilnehmen und den Klang ihrer Stimmen oder Instrumente mit dem eines Spitzenorchesters mischen. Es dirigiert Kent Nagano.
Was gibt es für Neugierige außerhalb der ausgetretenen Pfade?

Der Kissinger Sommer ist nicht unbedingt für Ungewohntes bekannt - möglicherweise zu Unrecht. Schließlich hat seit vielen Jahre die Liederwerkstatt ihren festen Platz im Programm. Unter der Leitung des Pianisten Axel Bauni geht es am 8. und 9. Juli um Lied und Vokalmusik von der Klassik bis in die Gegenwart. Diesmal stehen Uraufführungen von Oscar Bianchi, Eun-Hwa Cho, Markus Hechtle, Wolfgang Rihm, Steffen Schleiermacher und Manfred Trojahn auf dem Programm.
Am 16. Juli zeigt der junge Italiener Simone Rubino, der unter anderem den ARD-Wettbewerb gewann, was man alles als Solist und im Ensemble mit dem Schlagzeug anstellen kann: von Bach bis Gegenwart. Das deutsch-schweizerische Duo Grandbrothers wiederum verbindet ungewöhnliche Klangerlebnisse mit Lichtdesign. Zwischen Klassik, Minimal Music und Jazz hat man den Stil der beiden Musiker Erol Sarp und Lukas Vogel eingeordnet (28. Juni).
Das komplette Programm steht online unter www.kissingersommer.de Dort können ab sofort auch die Tickets gekauft werden. Oder telefonisch unter (0971) 8048 444 (Mo bis Fr 8.30-20 Uhr, Sa und So 10-14 Uhr). Vor allen Konzerten an Freitag-, Samstag- und Sonntagabenden gibt es wieder einen vorab buchbaren Bus-Shuttle-Service von Fulda und Würzburg nach Bad Kissingen (10 Euro).