Seit einer Woche ist in Bayern der Schutz des Wolfes aufgeweicht: Seit 1. Mai dürfen Wölfe abgeschossen werden, wenn zum Beispiel Weidetiere gerissen wurden, sich Wölfe trotz Vertreibungsversuchen Menschen nähern oder unprovoziert aggressiv werden.
Die Entscheidung liegt bei den Unteren Naturschutzbehörden der Landkreise. „Ich bin dafür, dass der Bestand reduziert wird“, befürwortet Jäger Sebastian Becker die neue bayerische Wolfsverordnung. „Ein Zusammenleben mit dem Wolf ist auch in einer Kulturlandschaft möglich“, entgegnet die Kreisgruppe Bad Kissingen im Bund Naturschutz.
„Der Wolf gilt nach wie vor als streng geschützte Art“, stellt das Landratsamt Bad Kissingen klar. Laut Bundesnaturschutzgesetz sei es „grundsätzlich verboten, ihm nachzustellen, ihn zu fangen, zu verletzen oder zu töten“. Die neue Wolfsverordnung konkretisiere und erweitere die bereits bisher möglichen Ausnahmen. Die Tötung des Wolfs solle allerdings als letztes Mittel dienen, wenn Fangen oder Vergrämen nicht möglich seien. „Die Vorschrift hat vor allem den Schutz der Almwirtschaft im Blick“, teilt das Landratsamt weiter mit.
Das Landesamt für Umwelt hat die Rhön offiziell als eines von aktuell sieben bayerischen Wolfsgebieten ausgewiesen. Im Norden des Landkreises Bad Kissingen gibt es demnach standorttreue Wölfe . Deshalb werden Schutzzäune gegen Wölfe im größten Teil des Landkreises bezahlt. Laut dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sind im Kreis in den vergangenen drei Jahren 81 Anträge auf Herdenschutzmaßnahmen für Weidetiere genehmigt worden.
Zäune behindern auch andere Tierarten
„Da spielt Geld keine Rolle“, wundert sich Edgar Thomas , Kreisvorsitzender im Bayerischen Bauernverband , dass nicht nur Zäune, sondern auch der Zaunbau komplett bezahlt werden. Er selbst habe zwei Winterweiden eingezäunt, weil es sonst ab dem kommenden Jahr keinen Schadensersatz mehr gebe, wenn Wölfe ein Nutztier reißen. Fraglich sei, ob die Zäune den Wolf wirklich aufhalten. „Wir brauchen Lösungen, der Naturschutz darf sich nicht wegducken.“
Wolfszäune würden auch Rehen oder Rotwild den Zugang zu Äsungsflächen versperren, sagt Sebastian Becker , Vorsitzender der Kreisgruppe Hammelburg im Bayerischen Jagdverband. Er wundere sich, dass niemanden zu interessieren scheine, dass das Wolfsrudel in der Rhön das Muffelwild nahezu ausgerottet habe. Becker befürchtet, dass Wölfe die Scheu vor dem Menschen verlieren, wenn nicht gehandelt werde. „Mir ist die Lage aber noch unklar“, kommentiert er die neue Wolfsverordnung.
Widerspruch zu Bundenaturschutzgesetz?
„Da die Verordnung erst vor wenigen Tagen erlassen wurde, lassen sich zum Vollzug noch keine Aussagen treffen“, gibt auch das Landratsamt zu. Die Behörde geht aber davon aus, dass der Schutz vor wirtschaftlichen Schäden im Landkreis eher eine untergeordnete Rolle spielen wird, weil hiesige Weideflächen besser schützbar seien als in den Alpen.
Nach Auffassung des Bund Naturschutzes steht die neue bayerische Wolfsverordnung im Widerspruch zum Bundesnaturschutzgesetz . Bisher habe nur die höhere Naturschutzbehörde Abschussgenehmigungen für Wölfe erteilen können, die trotz Schutzmaßnahmen Weidetiere gerissen oder Menschen gefährdet haben.
Nun könnten Landratsämter bereits bei einem einmaligen Nutztierriss oder der Annäherung an eine Ortschaft handeln. Ministerpräsident Markus Söder „wirft den Wolf hinsichtlich der Gefährlichkeit in einen Topf mit dem Bären“, kritisiert die BN-Kreisgruppe und verweist auf die „ausgesprochen positive Wirkung“ des Wolfes auf Verbissschäden. Das begünstige den „dringend notwendigen klimaangepassten Waldumbau“. Auch die Reduktion des Mufflons sei kein Problem, da es eine standortfremde Tierart in der Rhön sei.
Leichtathleten sehen Lage entspannt
Entspannt sieht Hobby-Läufer Hans Wagner die Situation: Wagner ist stellvertretender Leiter der Leichtathletik-Abteilung des TV Bad Brückenau : Drei Tage in der Woche treffe sich die Laufgruppe für ihre zehn bis 15 Kilometer langen Touren mitten durchs offizielle Wolfsgebiet Rhön. Rehe hätten sie schon oft gesehen, Hans Wagner sei auch schon mal von einem Hund gebissen worden, aber vor dem Wolf habe bislang keiner der Läufer Angst.
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