Was kann man bei einer Exkursion zu den letzten Zeugnissen jüdischen Lebens im Landkreis neu entdecken? Cornelia und Michael Mence (Hammelburg) versichern, dass es bei der Busfahrt des Landkreises im Rahmen der Jüdischen Kulturtage nicht nur um die Besichtigung steinerner Monumente geht. Die Menschen damals sollen bei der Schilderung historischer Gegebenheiten im Mittelpunkt stehen. „Wir wollen vermitteln, wie die Juden gedacht und gelebt haben“, sagt Michael Mence. Für die Spurensuche per Bus am Sonntag, 21. Juli, haben die Mences acht verschiedene Haltepunkte ausgewählt.
Die Entdeckungsfahrt ist von langer Hand vorbereitet, denn das Ehepaar weiß, dass selbst Menschen, die sehr an Geschichte interessiert sind, möglicherweise „abschalten“, wenn man sie mit Wissen überhäuft. Deshalb haben Beide lange überlegt, was sie für ihre Gäste aufbereiten, haben sorgfältig eher weniger Themen gesetzt und mehr Anschauungsmaterial und Anekdoten mit eingeflochten. Eines ist für Michael Mence jedoch jetzt schon klar: „Wenn man in den Gassen steht und die Häuser sieht, ist die Wirkung des Erzählten viel unmittelbarer.“
Die Busreise beginnt in Hammelburg. Nachdem der Friedhof in Pfaffenhausen besichtigt wurde, geht's über Westheim, Garitz, Platz und Geroda nach Bad Brückenau und Völkersleier. An allen Stationen gibt's Geschichte hautnah. So zum Beispiel auch am Judenbildstock bei Bad Brückenau, dessen Bedeutung Cornelia Mence unlängst erst im Staatsarchiv in Marburg ausgrub und inzwischen aufwändig erforschte.
Denn es galt dabei einen dicken Stapel historischer Polizei- und Prozessakten in zum Teil veralteten Schriftzügen mühselig zu entschlüsseln und in Zusammenhang zu bringen. Die Story, die sie zu Tage förderte, ist schauerlich, denn an jenem Bildstock soll vor 150 Jahren ein jüdischer Viehhändler aus Schondra einem Raubmord zum Opfer gefallen sein. Das steinerne Monument an sich hat allerdings gar nichts mit jüdischer Geschichte zu tun. In seiner Nähe führte aber ein Handelsweg der Juden vorbei, auf dem vermutlich jener jüdische Händler einst unterwegs war. Deshalb wurde der Bildstock, der aus einem ganz anderen Jahrhundert (von 1724) stammt, zum „Judenbildstock“.
Bei ihrer Entdeckungsreise haben die Mences auch Gegenstände dabei, an denen sie historische Tatsachen anschaulich machen. Wer damals deportiert wurde, durfte nur bestimmte Habseligkeiten in einen Rucksack packen, der jeweils vor Ort eigens hergestellt und verteilt wurde, weiß Michael Mence zu berichten. Solch ein Gepäckstück werden die Mences dabei haben.
Bei den Recherchen zu ihren beiden Büchern „Last Traces“ und „Nachbarn der Vergangenheit“ interviewten sie Ende der 1980-er Jahre nämlich zahlreiche Zeitzeugen. Darunter war auch der inzwischen verstorbene Sattlermeister Karl Kleinhenz, einst Bürgermeister in Oberthulba. Er war kein Nazi, hatte aber den Auftrag, solche Deportations-Rucksäcke herzustellen. „Er hatte die Maße noch im Kopf, wusste genau, wie die aussahen“, erinnert sich Mence. Für eine Ausstellung baten sie ihn, nochmals solch ein Gepäckstück herzustellen.
Gern würde Michael Mence auch Tonbandaufnahmen der Zeitzeugen bei der Bustour vorspielen, das würde den Rahmen der Exkursion jedoch sprengen, meint er. Nach all diesen Gesprächen damals hat er für sich ein interessantes Resümee gezogen: Wer zur Nazizeit bereits erwachsen war, stand Hitlers Rassenpolitik äußerst kritisch gegenüber. Wer aber in diese Zeit hineingeboren wurde, hat alles so zu sagen „mit der Muttermilch aufgesogen“.
„All diese Gespräche haben unser Leben unheimlich bereichert“, so Mence weiter. Angesichts der aktuellen NSU-Prozesse ist für ihn klar: „Es gibt noch Nazis unter uns. Es ist wichtig, die Thematik des Dritten Reichs wach zu halten.“
Anmelden kann man sich für die Fahrt bis zum 3. Juli im Landratsamt unter Tel. (09 71) 801-33 70 und 33 71.