Nein, mit Kraft hat es nichts zu tun, wenn man die Kutsche mit den vier Pferden zu je 800 Kilo durch den Straßenverkehr bugsiert, widerspricht Yvonne Körner vehement. Für die neue Herrin der alten Postkutsche sind die Tiere „keine Motoren, sondern Lebewesen“. Sie vertrauen ihr, der Rest ist Routine. „Ich fahr sehr gern“, sagt die 36-Jährige und meint damit auch die Tatsache, dass Stefanie Seufert neben ihr das Posthorn bläst: Denn da gibt's immer was zu reden und zu lachen.
Daran, dass auf dem historischen Vierspänner jetzt Frauenpower herrscht, ist auch „Original-Kutscher“ Hans Körner nicht ganz unschuldig. „Ich wollte mal was anderes machen und meiner Frau macht das Postkutschenfahren momentan mehr Spaß als mir“, sagt er überzeugend. Wenn man fast 25 Jahre lang mit dem Gelben Wagen unterwegs war, hinterlässt das Spuren: Man ist manchmal genervt, weil einem ein Autofahrer die Vorfahrt nimmt. Leute springen plötzlich auf die Straße. Abgestellte LKW werden bei starkem Gegenverkehr zum Hindernis.
Die Königsklasse für Vierspänner
Vor etlichen Jahren wurden im Zuge einer Münchner Studie mal die Gehirnströme von Postkutschenfahrern im Stadtverkehr gemessen: „Das ist, wie wenn du als Jet-Pilot im Landeanflug bist“, beschreibt der 57-Jährige die hochkomplexe Leistung der grauen Zellen. Kutsche fährt Körner aber trotzdem noch: Er macht mit Kurgästen Stadtrundfahrten – Reiseführung inbegriffen. Und dann ist da noch das Geschäft für Reitsportzubehör in Arnshausen, das im Internet inzwischen „relativ groß“ geworden ist. Da müssen täglich etliche Kisten gepackt und zur Post gebracht werden.
Dass jetzt zwei „Damen“ hoch oben auf dem Gelben Wagen sitzen, finden die Leute klasse. „Das hören wir am Tag ein paar Mal“, sagt Yvonne Körner. Die Gäste fühlen sich offenbar bei den zwei Frauen gut aufgehoben. Und das zu Recht: So leicht wie es aussieht, ist es schließlich nicht, einen Vierspänner sicher durch die Straßen zu lenken. Man braucht dazu nicht nur das Kleine und das Große Deutsche Fahrabzeichen, sondern gleich die„Königsklasse“. Dann versteht man's wie Yvonne Körner meisterhaft, den historischen Wagen ruck-zuck den schmalen Weg hoch zum Aschacher Schloss zu lenken – enges Eingangstor inbegriffen.
Und wenn dann das Posthorn ertönt, bleiben alle stehen und lauschen wehmütig althergebrachten Klängen wie „Muss i denn zum Städtele hinaus“ oder „Ännchen von Tharau“. Stefanie Seufert hat das inzwischen ganz gut drauf – und das obwohl sie eigentlich gelernte Bäckerin ist und zuvor von Tuten und Blasen im wahrsten Sinn des Wortes keine Ahnung hatte.
Als Horst Stiller sich als Postillion verabschiedete und kein Nachfolger in Sicht war, fragte sie die Körners, mit denen sie befreundet ist, ob's denn schwer sei, so ein Horn zu blasen. „Natürlich war's schwer“. Aber nun nimmt die junge Frau beim altgedienten Postillion Stefan Matthes Privatunterricht. Jetzt muss sie auch zuhause immer mal üben. Die 27-Jährige lacht: „Beschwert hat sich zum Glück noch kein Nachbar.“
Ihre Liebe zu Pferden hat die gebürtige Ebenhäuserin schon mit sechs Jahren entdeckt. Da war sie zu Besuch auf einem Ponyhof und wollte dann unbedingt Reitunterricht nehmen. Seit 20 Jahren hat sie eigene Pferde. Aber wenn man ein Pferd hat, braucht man Zeit. Deswegen lernte sie später auch Bäckerin: „Ich dachte, ich arbeite nachts und kann tagsüber mein Pferd pflegen.“
Gleich 13 Pferde in Obhut
Jetzt hat sie bei Hans und Yvonne Körner gleich 13 Pferde in ihrer Obhut. Um 9 Uhr werden sie gefüttert und ausgemistet. Vier von ihnen macht sie dann für die Postkutsche fertig. Und um 14 Uhr geht dann am einstigen Steigenberger-Hotel quasi die Post ab.
„Ich hoffe, dass ich das lange machen kann, denn es macht wirklich Spaß.“ Als sie ihren Bäcker-Job aufgab, konnten viele Leute nicht verstehen, dass sie jetzt als Postillionin über Land fahren will. Die Neugierde habe sie getrieben und der Ehrgeiz, sich in diese Tätigkeit einzufinden, sagt Seufert. „Denn wenn man herumkommt, lernt man was.“ Außerdem kann sie jetzt Beruf und Hobby verbinden. „Es ist einfach perfekt.“