Am Faschingsdienstag wurde die Ruhe in der Seniorenresidenz Parkwohnstift mit einer schlechten Nachricht jäh gestört. Nach Feiern war plötzlich keinem mehr gewesen. Beim Spielnachmittag an diesem Tag habe es sogar "Tumult" gegeben, berichten Betroffene im Gespräch mit dieser Redaktion.
Nach Verkündung der Insolvenz der Parkwohnstift GmbH als Tochterunternehmen der Arbeiterwohlfahrt, samt drohender Schließung des Hauses mit 273 Bewohnern und 159 Mitarbeitern zum 30. Juni, ist nichts mehr wie es war. Sogar Suizidgedanken sollen einzelne Bewohner angesichts empfundener Ausweglosigkeit geäußert haben, erfährt diese Redaktion im Gespräch mit den Menschen, die dort wohnen. 97 Bewohner der Pflege haben, laut AWO, schon neue Unterbringungsangebote. Andere stehen bereits unter dem bitteren Eindruck, dass es bundesweit so gut wie keine Wohnalternativen für sie gibt.
Nach den Gesprächen folgte der Protest
Nach der ersten Schockstarre machen die Leidtragenden mobil. Ein Gesprächstermin einiger Bewohnerinnen und Bewohner mit dieser Redaktion vor Ort mündet in eine spontane Protestbekundung. Um ihrer Betroffenheit Ausdruck zu verleihen, stellen sich zahlreicher Senioren und Seniorinnen zum Gruppenfoto auf.

Bei aller Fassungslosigkeit gibt es aber auch Stimmen unter den Bewohnern, die zur Besonnenheit mahnen. Dass etliche Personen jetzt an Auszug denken, könne den Fortbestand des Hauses zusätzlich gefährden, heißt es. Dabei gibt es ja offenbar noch Hoffnung: Am Dienstagnachmittag informierte die AWO im Haus, dass die AXA nun kompromissbereit sei, um die Residenz gemeinsam an einen Investor abzugeben.
AWO will im März über den Stand der Dinge informieren
Offiziell bestätigt wird das nicht. "Es gibt keinen neuen Sachstand", teilt die AWO Unterfranken dazu auf Nachfrage mit. Aber es seien Gespräche "mit verschiedenen Akteuren" aufgenommen worden. Voraussichtlich am 15. März werde man bei einem Pressegespräch darüber informieren, eventuell auch früher.
Vor allem die Informationspolitik sorgt bei den Bewohnern des Parkwohnstifts für Verärgerung. "Die Aufregung der vergangenen Tage kostet mich drei Jahre meines Lebens", ist Doris Drochner (82) überzeugt, die in der hausinternen Interessenvertretung Appartements (IFA) mitwirkt.
"Wir drängen jetzt auf Tempo, sonst werden die Leute hier verrückt."
Doris Drochner von der Interessenvertretung Appartements
Damit die Betroffenen nicht weiter in der Luft hängen, sei jetzt vereinbart worden, dass am schwarzen Brett in kurzen Abständen über den Stand der Dinge informiert werden soll. Außerdem sollen "der oberste AWO-Boss" (Drochner) sowie Oberbürgermeister Dirk Vogel, Landrat Thomas Bold und auch Bundestagsabgeordnete eingeladen werden, damit Bewohner und Angestellte das Gefühl bekommen, dass sie nicht alleine dastehen.

"Wir drängen jetzt auf Tempo, sonst werden die Leute hier verrückt", sagt Drochner. Wie zu hören war, würden sich einzelne Mieter nun getäuscht fühlen, dass sie, im Vertrauen auf den Fortbestand des Parkwohnstifts, gerade erst bis zu 70.000 Euro investiert hätten, um ihre Mietappartements zu optimieren. Es gebe sogar Arbeiten, die unter dem Eindruck der Insolvenz kurzfristig eingestellt worden seien.
"Das ist alles sehr grenzwertig", beschreibt Drochner im Gespräch mit der Redaktion den Umgang der AWO mit den Mietern unter dem Eindruck ihrer eigenen Betroffenheit. Erst 2022 hatte sie mit ihrem Mann Hartmut (85) das eigene Haus verkauft, um im Parkwohnstift einzuziehen. Bislang seien sie sehr glücklich gewesen.
"Für Bad Kissingen haben wir uns entschieden, weil wir dachten, das Haus gehöre der gemeinnützigen AWO", erzählt Drochner. Erst bei der Anmeldung im Bürgerbüro habe das Paar erkannt, dass die AXA dahinter steht.
"Wir waren völlig von den Socken."
Doris Drochner, 82
Der größte "Schlag ins Kontor" sei die Verkündung der Insolvenz gewesen. "Wir waren völlig von den Socken", sagt Drochner. Eigentlich habe die IFA nur eine Petition gegen die schlechte Internetanbindung der Appartements übergeben wollen.
Anderswo Wartezeiten von bis zu sechs Jahren
Heidi Vorndran (84) ist seitdem ebenfalls in großer Sorge, rät aber als IFA-Vertreterin auch dazu, Ruhe zu bewahren. "Nichts wird so heißt gegessen, wie es gekocht wird", sagt sie im Gespräch in ihrem Appartement. Die Nachricht sei noch zu frisch und die Mietverträge nicht einmal gekündigt.

Weniger gelassen ist Helge Bonnet. "Wir sind praktisch obdachlos", zeichnet sie mit Blick auf ihre ungewisse Zukunft düsteres Bild. Die 88-Jährige hat nach eigenen Angaben bereits von Hamburg bis nach München telefoniert. "Es ist alles ausgebucht", beschreibt sie Wartezeiten von bis zu sechs Jahren.
Dass ihr Leben im Alter so turbulent werden würde, hätte sie sich nicht träumen lassen, als sie ihre Wohnung in Paris veräußerte, um in die Welterbestadt an der Saale zu ziehen. Gelockt habe die Möglichkeit, künftig mit den Pflegeoptionen im Parkwohnstift alt zu werden. Sieben Konzerte habe sie 2023 beim Kissinger Sommer gebucht. "Dieses Jahr wegen der aktuellen Unsicherheit erst einmal gar nichts mehr", verrät sie.
Völlig vor den Kopf gestoßen
Vor den Kopf gestoßen ist durch die Insolvenz auch Gerhard Bauer. Der 87-Jährige hatte 2022 sein Haus in München verkauft, um näher bei der Verwandtschaft in Elfershausen zu sein. "Jetzt bin ich richtig hilflos", sagt er in seiner Zweizimmerwohnung zur bisher vergeblichen Suche nach einer neuen Wohnung. Er habe die Seniorenresidenz "mit der AWO dahinter" für eine sichere Sache gehalten.

Marliese Baltrock (80) stellt sich in ihrem Zimmer als rheinische Frohnatur vor. Den Einzug in das 32-Quadratmeter-Zimmer mit Klappbett hatte sie sich als Ersatz für eine geplante Kreuzfahrt vor zehn Jahren zum Geburtstag geschenkt. "Das Parkwohnstift war mein Traumschiff", sagt sie.
Nur noch ein Thema im Friseursalon
Doch jetzt liegt dieser Schatten über dem Wohnglück. Tatsächlich kann Baltrock die Tränen kaum verdrücken, wenn sie vom drohenden Auszug spricht. Sie gehört einem ehrenamtlichen Team an, das Gesellschaftsspiele, wie Canasta und Skat, jeden Dienstag mit rund 25 Teilnehmern anbietet. Die jüngsten Begegnungen musste sie immer wieder unterbrechen, damit sich die Mitspielerinnen und Mitspieler wegen des Themas Insolvenz Luft machen konnten.
Als "Stadt in der Stadt" mit ihren vielen Beschäftigten bezeichnet Friseurmeisterin Ilona Heilmann das Parkwohnstift mit seinen Angeboten samt Hallenbad, Lädchen und dem Taxistand davor. In ihrem Salon gebe es unter den Kunden aktuell nur ein Thema. Keiner könne sich vorstellen, dass in dem nachts hoch über Garitz leuchtenden Wahrzeichen tatsächlich die Lichter ausgehen sollen.