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BAD KISSINGEN: Ein Bettler brachte sie ins Grübeln

BAD KISSINGEN

Ein Bettler brachte sie ins Grübeln

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    Gesprächsrunde: Karin Reinshagen (links) und Barbara Thiele (rechts) führten ein Interview mit Iris Hönig.
    Gesprächsrunde: Karin Reinshagen (links) und Barbara Thiele (rechts) führten ein Interview mit Iris Hönig. Foto: Foto: Frauenring

    Der Bad Kissinger Frauenring hatte im April 2009 Oberbürgermeister Kay Blankenburg zum ersten Women's date zu Gast. Inzwischen hat sich die Veranstaltungsreihe etabliert und beim jüngsten Gesprächsabend war Iris Hönig, die Gründerin und Vorsitzende der Bad Kissinger Tafel, eingeladen. Das Projekt hatte Hönig 2004 bei einem Neujahrsempfang des Frauenrings im Weißen Saal erstmals zum ersten Mal vorgestellt. Nach dieser fast zehnjährigen Erfolgsgeschichte nutzten die Frauenrings-Vorsitzende Karin Reinshagen und ihre Stellvertreterin Barbara Thiele nun das Women's date für ein Interview mit Hönig über ihre Herkunft, Almosen, Kritik an der Bedürftigkeit der Tafel-Kunden und die Unterstützung ihrer Familie.

    Frage: Schon bei diesem Neujahrsempfang waren alle von Ihrer Idee begeistert, einen Tafel-Verein zu gründen. Inzwischen kennt Sie jeder hier, aber von Ihrem „Vorleben“ wissen wir nichts.

    Iris Hönig: Ich stamme aus Freudenstadt im Schwarzwald und habe ein Diplom als Verwaltungswirtin, eine Ausbildung, die mir übrigens bei meiner heutigen Tätigkeit sehr hilft. Ich habe bei einer Stadtverwaltung gearbeitet, später bei der Telekom. Bewusst hatte ich mich dafür entschieden, meine Berufstätigkeit aufzugeben, als meine beiden Töchter geboren wurden. Durch den Beruf meines Mannes sind wir sehr oft umgezogen – bis wir 1999 nach Bad Kissingen kamen. So lange wie hier wohnten wir noch nie an einem Ort.

    Wie entstand die Idee, eine Tafel in Bad Kissingen zu gründen?

    Hönig: Nach einem ausgedehnten Shopping-Ausflug nach Nürnberg saßen meine Begleiterinnen und ich mit vollgepackten Einkaufs-Tüten in der S-Bahn, als wir von einem Bettler um ein Almosen gebeten wurden. Wir gaben ihm nichts – kamen aber im Nachhinein ins Grübeln.

    Bereuten Sie Ihr Verhalten?

    Hönig: Ja, wir dachten darüber nach, warum wir uns so ablehnend verhalten hatten: Waren wir wirklich so überheblich und konsumorientiert, dass uns die Probleme anderer Menschen egal waren? Ich stellte mir ganz ernsthaft die Frage, auf welchem Weg ich da eigentlich sei.

    Mit welcher Antwort?

    Hönig: Um keine Zeit zu verlieren, bin ich am nächsten Tag in die Wärmestube zu Eva Matthies gegangen und bat sie um Rat, wie ich mich sinnvoll engagieren könne. Eva erzählte mir, dass es schon seit langem die Idee gebe, eine Tafel in Bad Kissingen zu gründen. Im Internet habe ich dann intensiv recherchiert. Bei der nächsten Mitgliederversammlung von Kidro war eine Reporterin anwesend und interviewte mich zu meinem Vorhaben. Ich weiß noch, wann der Artikel erschien. Es war der 20. Dezember 2003.

    Sie lebten damals erst ein paar Jahre in Bad Kissingen, wie ist es Ihnen so schnell gelungen, genügend Mitstreiterinnen zu gewinnen?

    Hönig: Die Druckerschwärze war noch nicht trocken – da rief Angela Kahle an, meine heutige Freundin und Stellvertreterin bei der Tafel. Sie erklärte sich spontan bereit, bei der Tafel mitzuarbeiten – und auch sonst war die Resonanz riesengroß. 39 Personen gründeten den Verein. Inzwischen arbeiten bei der Tafel ungefähr 50 ehrenamtliche Helfer, die Mitgliederzahl ist auf circa 90 gestiegen.

    Wie war die Bereitschaft zur Unterstützung vonseiten der Stadt?

    Hönig: Die Stadtverwaltung und der damalige Oberbürgermeister standen uns schnell und unbürokratisch zur Seite – und der heutige OB Kay Blankenburg war Gründungsmitglied und arbeitete die Satzung aus.

    Es gibt auch immer wieder kritische Stimmen zur Bedürftigkeit der Tafel-Kunden – wie antworten Sie denen?

    Hönig: Die meiste Kritik erregen die vermeintlich großen Autos der Abholer. Aber die Autos am Vorplatz der Tafel gehören uns Helfern. Samstags sind oft 13 bis 14 Ehrenamtliche bei der Ausgabe beschäftigt – auch die müssen irgendwo parken. Manchmal werden Kunden von Nachbarn oder Enkeln mit dem Auto abgeholt. Wir Tafel-Mitarbeiter würden uns sicher nicht so viele Stunden ehrenamtlich engagieren, wenn wir Zweifel an der Sinnhaftigkeit unserer Arbeit hätten. 6800 Stunden ehrenamtlicher Arbeit waren es allein im vergangenen Jahr. Und jeder Tafel-Kunde muss einen gültigen Berechtigungs-Ausweis haben.

    Neben diesem zeitintensiven Ehrenamt suchten Sie den beruflichen Wiedereinstieg – und fanden ihn als Geschäftsführerin des Bad Kissinger Mehrgenerationenhauses. Was macht die Arbeit dort für Sie wichtig?

    Hönig: Das MGH soll eine Begegnungsstätte für alle Bürger der Stadt sein. Von den Krabbelgruppen über Integrations-Angebote bis hin zum Sitztanz für ältere Menschen oder Treffen von Behinderten mit Nicht-Behinderten – wenn diese Menschen nicht zu uns kommen könnten, säßen sie vielleicht allein zuhause.

    Bei der Tafel können die Mitglieder aktiv mitarbeiten, das schätzen viele. Sehen Sie im MGH auch Möglichkeiten?

    Hönig: Wir freuen uns immer, wenn jemand bei einer Veranstaltung mithilft oder vielleicht einen Kuchen backt. Wir suchen auch sogenannte Bildungspaten, die mit Kindern, die Migrationshintergrund haben, für die Schule lernen.

    Und wie steht Ihre Familie zu all diesen Aktivitäten?

    Hönig: Als meine beiden Töchter noch jünger waren, haben sie voller Begeisterung mitgearbeitet – sie sehen mein Engagement positiv. Jetzt bekochen sie mich manchmal oder bringen mich mit dem Auto zu einer Veranstaltung – so wie heute.

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