Genau ein Jahr ist es her, dass der 24/7-Supermarkt Tante Enso seine Türen in Münnerstadt öffnete. Teilhaberinnen und Teilhaber können seitdem zu jeder Tages- und Nachtzeit einkaufen – diejenigen, die lediglich die Enso-Karte besitzen, können das wegen einer bayerischen Regelung seit 1. Dezember nur noch werktags zwischen sechs und 20 Uhr . Wer keine Karte hat, kann zu den personalbesetzten Öffnungszeiten des Marktes einkaufen.
Der Weg vom Wunsch, wieder eine Einkaufsmöglichkeit in der Stadt zu haben, bis zur Öffnung, war ein weiter. Die Stadt Münnerstadt habe dies jahrelang vergeblich versucht, so Bürgermeister Michael Kastl (CSU). Unzählige Gespräche scheiterten an den immer gleichen Faktoren: zu wenige Parkplätze vor der Tür, schwierige Anlieferungssituation, zu kleine Verkaufsflächen.
Langer Weg von der Idee zur Eröffnung
Als man auf das Konzept Enso stieß, war klar: "Wir wussten, dass wir uns ins Zeug legen müssen", so Kastl. Denn eine Kleinstadt mit zwei Supermärkten im Ort ist nun wirklich nicht das Beuteschema des Unternehmens. Die Läden sollen eher die Tante-Emma-Läden in Dörfern ohne Nahversorgung ersetzen. Doch das Unternehmen wagte den Schritt und ließ sich auf Münnerstadt ein. Mehr als die 300 benötigten Menschen unterzeichneten mindestens einen Anteil, um das Zeichen zu setzen: Wir wollen den Laden hier haben.
Am 20. April 2022 stand klar: Tante Enso kommt nach Münnerstadt. Dann ging die Suche nach einer geeigneten Immobilie los. Im Oktober 2022 die Nachricht: Tante Enso kommt in das Gebäude der alten Norma am Anger. Nach ein paar Verschiebungen der Eröffnung war es am 14. Dezember 2023 so weit. Nun ist bereits ein Jahr vorbei.
Bürgermeister Kastl von Enso überzeugt
Bürgermeister Michael Kastl (CSU) ist nach wie vor überzeugt: "Ich finde, dass das Tante-Enso-Konzept sehr gut zu Münnerstadt passt." Neben bisher nur einer Beschwerde höre er von den Bürgerinnen und Bürgern nur Gutes. Das Konzept, jederzeit einkaufen zu können, habe ihm gegenüber noch keiner infrage gestellt. Im Gegenteil: "Menschen, die in der Stadt arbeiten, die hier wohnen, oder Gäste zeigen Begeisterung, dass es so etwas hier gibt." Für Kastl wie für viele sei dabei wichtig, dass nachts und sonntags kein Personal im Laden sein muss.
Ein Geistlicher aus Münnerstadt habe mal geäußert, dass es doch toll sei, wenn man den Menschen auch mal eine Freude bereiten könne. Den Segen habe der Laden von beiden Kirchen bekommen. Vertreterinnen und Vertreter anderer Kleinstädte seien zu Besuch gekommen, um sich den Laden mal anzusehen. "Der Laden wird hervorragend angenommen und trägt massiv zur Belebung der Altstadt bei", resümiert Michael Kastl. Und das alles, ohne dass Steuergeld fließen muss.
Tante Enso: Münnerstadt hat kein Nahversorgungsproblem
Wie sieht es die andere Seite, das Unternehmen? "Ja, wir hatten anfänglich Bedenken. Tante Enso ist speziell entwickelt für die fehlende Nahversorgung in ländlichen Regionen und benötigt dafür eben auch Rahmenbedingungen, um wirtschaftlich betrieben werden zu können", berichtet Jessica Renziehausen von der Unternehmenskommunikation von Tante Enso. Die Wirtschaftlichkeit sei abhängig vom "echten Bedarf" der Menschen.
Der "echte Bedarf" und so auch die Nachfrage sei in einem Ort gegeben, in dem es im Wesentlichen an Allem fehlt. Und von dem es zum nächst erreichbaren Supermarkt mindestens fünf Kilometer entfernt ist. "Das alles finden wir in Münnerstadt nicht vor, sondern haben eher urbane Rahmenbedingungen, nämlich alles ist fußläufig erreichbar. Also: Kein wirkliches Nahversorgungsproblem."
Tante Enso in einer Kleinstadt? Münnerstadt ist Versuchsballon
Münnerstadt habe sich aber vorgenommen, so Jessica Renziehausen, den Ortskern innerhalb der Stadtmauern zu beleben und nach und nach dessen Attraktivität zu steigern. "Und da fehlt einiges." Daher sei Bürgermeister Kastl und sein Team mit ihrer Idee an das Unternehmen herangetreten, mit einem 24/7-Supermarkt die Steigerung der Attraktivität zu starten und dann gemeinsam nach und nach weitere Schritte zu ergreifen. Der Anger solle ein lebendiges Gesamtangebot werden.
Das Unternehmen war dabei - auch, um selbst zu lernen, "wie ein Tante Enso im Rahmen dieser Bedingungen funktionieren muss und was wir auf welche Weise zu dem Stadtkonzept beitragen können. Auch wenn sich unser Tante Enso in Münnerstadt ganz wacker schlägt, sind, ehrlich gesagt, unsere anfänglichen Bedenken zu einem Tante Enso in dieser Lage auch noch nicht komplett vom Tisch." Der Laden laufe noch nicht so, wie das Unternehmen sich das gewünscht hat und liegt mit etwa 20 Prozent unter dem Umsatzziel. Wie die Zukunft mit einem neuen bayerischen Ladenschlussgesetz aussehen wird, das digitalen Supermärkten nur bis 150 Quadratmetern eine 24/7-Öffnung erlaubt, ist bisher nicht gewiss.
Einkaufsverhalten der Münnerstädterinnen und Münnerstädter
Nachgefragt dazu, wie die Menschen in Münnerstadt einkaufen, gibt Jessica Renziehausen folgende Einblicke: Zum Alter der Einkaufenden können wir keine Aussagen treffen. Beliebte Produkte in Münnerstadt sind Getränke und Backwaren, aber auch Obst und Gemüse. Es sieht so aus, als versorgten sich hier die Menschen gern für und nach dem Arbeitstag. Allerdings ist der Sonntag, wie in vielen anderen Orten auch, der meistfrequentierte Einkaufstag.
Die Selbst-Checkout-Kasse nutzen 85 Prozent der Einkaufenden und 15 Prozent kaufen beim Personal an der Kasse ein. Im Durchschnitt kaufen mehr als 100 Menschen pro Tag im Tante Enso ein, für durchschnittlich 10 Euro.