(lip) Die Protestwoche der Kissinger Fachärzte begann am Montagvormittag auf dem Marktplatz. An die 30 Ärzte und ihre MitarbeiterInnen bezeugten anhand von Transparenten, Gesprächen und Unterschriftenaktion ihre Unzufriedenheit mit den seit 1. Januar geltenden Preisen für ärztliche Leistungen.
Danach gilt für jede Facharztpraxis ein bestimmtes Regelleistungsvolumen. Das eines Urologen beträgt pro Patient im Quartal 28,66 Euro, eine Frau ist gerade mal 16 Euro wert, ein Hautarzt bekommt 19,47 Euro.
Mit über 600 Unterschriften bekundeten Passanten ihr Verständnis für die Forderungen der Ärzte und die Schließung der Facharztpraxen in dieser Woche. Die Resonanz sei angesichts der Witterungsbedingungen sehr positiv, sagte Urologe Dr. Franz Köber auf Nachfrage der Main-Post. In den Gesprächen sei deutlich geworden, dass die Leute „unser Anliegen verstehen“: Abschaffung der Budgets. Die Unterschriftenlisten werden heute bei der Podiumsdiskussion in Würzburg einem Mandatsträger überreicht, so Köber.
Doch für einen Kollegen hat diese Protestaktion offenbar schon Konsequenzen: für den Augenarzt Dr. Pedro Schmelz. Er ist der unterfränkische Vorstandsbeauftragte der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Bayern. Inzwischen soll Schmelz wegen der Protestaktion von seinen Pflichten von der KV entbunden worden sein, war aus der Ärzteschaft zu hören. Von Seiten der KV München war dazu allerdings weder eine Bestätigung noch ein Dementi zu hören.
Die Fachärzte sind schlichtweg sauer über die Reglementierung. „Die Honorar-Reform ist eine Katastrophe, aber auch der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte“, sagte Dr. Michael Kersebaum (HNO). Von unhaltbaren Zuständen spricht Dr. Barbara Fuchs-Bauer (Gynäkologie). „Wir dürfen nicht mehr so behandeln wie vor einem Jahr.“ In den 16 Euro sei von akuten Bauchschmerzen bis zur Krebserkrankung alles enthalten. „Man ist total frustriert, dauernd um Geld zu diskutieren. Dafür habe ich nicht Medizin studiert.“
„Wir suchen einen Neurologen für unsere Praxis“, sagt Dr. Harald Denzel, denn Dr. Otto Hoffmeyer, er sei 70, möchte aufhören, aber unter den Bedingungen finden wir keinen Nachfolger, so Denzel. Ein Angebot gebe es: das Rhön-Klinikum würde übernehmen, sogar die ganze Gemeinschaftspraxis, und ins Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) im Elisabeth-Krankenhaus integrieren. „Aber wir möchten gern in Bad Kissingen mit Fachärzten die Stellung halten“, unterstreicht der Nervenarzt.
„Wir auf dem Land können den in Bayern ermittelten Durchschnittswert der Patientenzahl nicht halten“, sagt Kinderarzt Dr. Juan-Carlos Menéndez-Castro. Was darüber hinaus gehe, werde nicht bezahlt. Aber was machen mit den Kindern und Jugendlichen, die außerhalb der Sprechzeiten erkranken? Man könne das nicht reglementieren und dem Arzt dann das Risiko überlassen.
Es sei nicht in Ordnung, so pauschal abzurechnen und nicht nach der Leistung des Arztes, begründet Erika Schneider ihre Unterschrift.
Patienten haben Verständnis
Auch Stefanie Richter aus Aura unterschreibt, sie ist Arzthelferin und kennt die Situation. „Das Gesundheitsministerium macht nur Mist“, schimpft Jürgen Schmidt. Ein Klempner bekomme mehr und brauche nur drei Jahre lernen.
Etwas differenzierter sehen es Gertrud und Eckhard K., die vor vier Jahren in die Kurstadt zogen, um hier hausnah Anwendungen zu bekommen. Doch das gehe nicht, so die Krankenkasse. Sie sollten sich in Bad Bocklet ein Zimmer nehmen, dann könnte sie verschrieben werden. Das Ehepaar zeigte Verständnis für die Ärzte, ist aber auch sauer, weil die Krankenkassenbeiträge steigen, die Zusatzversicherungen kosten Geld und trotzdem bekommen sie nicht die erforderlichen Anwendungen.
„Bekennender Abweichler“
Augenarzt Dr. Hofstetter nimmt an der Protestaktion nicht teil, weil er mit dem Ziel nicht einverstanden ist. „Die derzeitigen Proteste wollen das bestehende System erhalten. Doch das System der gesetzlichen Krankenkassen-Versicherung ist nicht mehr zeitgemäß.“ Er favorisiert den Vorschlag der FDP: Abschaffung dieses Systems. Solidarisch finanzierte Basisversorgung für lebensbedrohliche Erkrankungen und Unfälle plus private Zusatzversicherung mit Selbstbehalt. „Die Gesundheitsministerin will ein sozialistisches Gesundheitswesen“, so Hofstetter, das als MVZ wieder eingeführt werde.