Es wird eng, und zwar für beide Seiten. Wollen die Befürworter der Reaktivierung irgendwann ihre Bahn durchs Sinntal rollen sehen, sollten sie schleunigst ihre Unterschrift unter den Pachtvertrag setzen. Seit Mitte März liege die Endfassung dem Verein "Hessisch-Bayerische Sinntal-Kreuzbergbahn" vor, sagt Heiko Brückner. So langsam verliert der Sachgebietsleiter der Regierung von Unterfranken für Straßen- und Schienenverkehr die Geduld. Deshalb hat er dem Verein eine Frist gesetzt. Und die läuft am 30. April aus.
Eng wird es aber auch für die Gegner der Sinntalbahn. Denn ist der Pachtvertrag erst einmal abgeschlossen, verzögert sich das Vorhaben, die Trasse zum Radweg auszubauen, vermutlich ins Unendliche. Der Unmut in der Bevölkerung über das Patt zwischen Befürwortern und Gegnern der Bahn ist groß. Denn so lange ein Interesse an Schienenverkehr im Sinntal besteht, kann die Strecke laut Gesetz nicht für eine andere Nutzung freigegeben werden (siehe unten).
"Ich bin zuversichtlich, dass wir den Vertrag abschließen", sagt Hermann Bulheller. Hält der Vorsitzende des Fördervereins Wort, hätte sich damit das Planfeststellungsverfahren zum Rückbau der Gleise erledigt. Die Deutsche Bahn (DB) hatte den Rückbau beim Eisenbahn-Bundesamt beantragt. Die Regierung von Unterfranken, die für das Anhörungsverfahren zuständig ist, stellte das Verfahren im März 2012 aber ruhend, weil die Rhein-Sieg-Eisenbahn (RSE) Interesse an einer Reaktivierung bekundet hatte.
Bemühen um Zusammenarbeit
"Seitdem frage ich regelmäßig nach, wie der Sachstand ist", sagt Brückner. Tut sich bis zum 30. April aber nichts, "dann ist für mich klar: Es gibt keinen Bedarf". Dann werde Brückner das Verfahren abschließen und dem Eisenbahn-Bundesamt die Empfehlung geben, dem Rückbau der Gleise zuzustimmen. Das Gelände bliebe dann zwar für Bahnzwecke reserviert, die Kommunen könnten aber einen Antrag auf Freistellung beim Eisenbahn-Bundesamt stellen, um den Radweg doch noch zu verwirklichen.
"Das Entscheidende ist, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben", sagt Bulheller. "Mit dem Pachtvertrag schaffen wir Fakten." Dabei schließt er einen Radweg nicht aus, aber eben nicht auf, sondern neben der Trasse. "Mit Bahn und Rad können wir mehr Leute in die Region holen", wirbt er um Zusammenarbeit. "Es wäre der größte Quatsch, wenn die Leute gegeneinander arbeiten."
Die Interessengemeinschaft Rhön-Sinntal-Radweg sieht das anders . Und auch einige der betroffenen Bürgermeister stehen der Sinntalbahn kritisch gegenüber. "Das Projekt Reaktivierung wird nicht hinhauen", sagt zum Beispiel Carsten Ullrich (SPD), Bürgermeister der Gemeinde Sinntal in Hessen. Seit einer Informations-Veranstaltung im Jahr 2012 habe er bis heute nichts mehr von den Bahn-Befürwortern gehört.
Stinksauer ist dagegen sein Zeitlofser Kollege auf bayerischer Seite. Über den Winter schnitt der Verein Streckenteile von Bewuchs frei, so auch bei Rupboden. "Und was bleibt am Ende: Ein Saustall!", regt sich Wilhelm Friedrich (CSU) auf.
Ob und wann die Sinntalbahn aber tatsächlich fährt, ist offen. "In ein paar Jahren", bleibt Hermann Bulheller vage.
Wegweiser durch den Dschungel der Fachbegriffe:
Die Stilllegung
kann als erster Schritt zur Auflösung einer Bahnstrecke betrachtet werden. Den Antrag auf Stilllegung stellt ein öffentliches Eisenbahninfrastrukturunternehmen, im Fall der Sinntalbahn also die Deutsche Bahn (DB) Netz AG, beim Eisenbahn-Bundesamt. Die Strecke zwischen Jossa und dem Arnsberg wurde im April 2005 offiziell stillgelegt. Das heißt, die DB ist nun nicht mehr verpflichtet, die Strecke zu betreiben, zu unterhalten und instand zu halten.
Gleichzeitig bleibt der Zweck - eine mögliche Nutzung für den Schienenverkehr - bestehen. Es könnte ja sein, dass die Strecke wieder in Betrieb genommen wird oder ein anderes Eisenbahnunternehmen, wie zum Beispiel die Rhein-Sieg-Eisenbahn (RSE), Interesse anmeldet, die Strecke zu reaktivieren.
Das Planfeststellungsverfahren
ist der zweite Schritt, um eine Bahnstrecke aufzulösen. Jede Änderung der Betriebsanlagen der Eisenbahn muss genehmigt werden. Das gilt auch für den Rückbau der Gleise. Im Fall der Sinntalbahn hat die DB den Rückbau der Gleise beantragt. Seit dem Jahr 2010 läuft deshalb ein Anhörungsverfahren bei der Regierung von Unterfranken. So soll geklärt werden, ob langfristig ein Bedarf der Strecke besteht oder nicht. Die endgültige Entscheidung trifft aber wiederum das Eisenbahn-Bundesamt. Wird der Rückbau der Gleise genehmigt, heißt das aber noch nicht, dass auf der Bahntrasse etwas anderes - zum Beispiel ein Radweg - gebaut werden darf. Die Grundstücke bleiben bis auf Weiteres für Eisenbahnzwecke reserviert.
Die Freistellung
ist der letzte Schritt, um eine Bahnstrecke aufzulösen. Man spricht auch von Entwidmung, weil der Grund und Boden vom Bahnbetriebszweck freigestellt wird. Die Kommunen bekommen die Planungshoheit über die Grundstücke zurück. Den Antrag auf Freistellung können Grundstückseigentümer, Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Kommunen, auf deren Gebiet sich die Strecke befindet, beim Eisenbahn-Bundesamt stellen. Auch hier gilt, dass ein Verkehrsbedürfnis dauerhaft auszuschließen sein muss. Für den Teilabschnitt von Jossa bis Wildflecken liegt kein Freistellungsantrag vor. Für die Strecke vom Bahnhof Wildflecken nach Oberwildflecken und zum Lager Arnsberg hat die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben die Freistellung beantragt.