Bad Kissingen - Eine Nachahmung der Europapokal-Trophäe stand schon neben dem Fernseher, den ein Schirm vor Regentropfen beschützte. Das Spiel war noch keine Stunde alt, als Emmanuel Papadopoulos in die von ihm so benannte "König-Otto-Gasse" (auf Zeit) hineinbrüllte: "Wenn's beim 1:0 bleibt, gibt's Freibier für alle."
Dieser Einladung hätte es gar nicht bedurft: Das Endspiel fesselte die Bad Kissinger in der Grabengasse auch so. Bekanntlich blieb es bei dem 1:0, mit dem die griechischen Kicker die Europameisterschaft gegen Gastgeber Portugal gewannen. So floss das Bier nach dem Schlusspfiff in Strömen, kreisten die Ouzo-Flaschen in der Schar der Fußballfreunde, derer wiederum rund 200 sich - trotz empfindlicher Kälte und Regenschauer - versammelt hatten.
Wann immer Griechenlands Trainer Otto Rehhagel auf der Mattscheibe auftauchte, ertönten "Otto! Otto!"-Rufe. Die Sympathien lagen eindeutig auf Seiten der Hellenen, auch wenn das nur wenige sichtbar machten. Die Flüche ob des Sieges der Griechen wurden allenfalls beiläufig gemurmelt von jenen, die auf die Portugiesen gewettet hatten. Das waren offenbar nicht wenige. Auf der Männertoilette zumindest überboten sich die Kundigen mit den Wettquoten. "Wenn du am Anfang 1000 Euro auf Griechenland gesetzt hättest, würdest Du jetzt 230 000 Euro bekommen", verkündet der eine. Die Quote sei bei 1:185 gelegen, wusste ein anderer. Getippt hatten sie beide nicht. Wohl aber der Sohn von Emmanuel Papadopoulos: Er hatte privat auf Hellas gesetzt und 25 Kästen Bier gewonnen. "Das wird eine Fete . . . !, meinte er nüchtern.
Gefeiert haben sie alle: Das Häuflein verbliebener Griechen, das schon den ganzen Tag über (und auch tags darauf) immer wieder mit "Otto! Otto!" und "Hellas! Hellas!" auf sich aufmerksam machte - und als Antwort so mancher Passanten immer wieder den nach oben gerichteten Daumen sahen.
Sein "Otto, Otto! Bitte bleib in Hellas! Bitte, bitte, bitte!" hatte Papadopoulos diesmal sogar auf ein Bettlaken gepinselt. Die meisten der Fußballgucker ließen sich von seinem südländischen Temperament nicht mitreißen, verfolgten aber seine Anfeuerungsversuche wohlwollend amüsiert. Und hinterher sangen viele mit, als die Hymne aller Sieges-Hymnen aus den Boxen dröhnte: "We are the Champions."
Während die Party in der König-Otto-Gasse sich aufheizte, fuhren den Berichten eines Taxifahrers zufolge drei Corsos - zwei bis fünf Autos stark - hupend durch Kissingens Straßen.