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Landkreis Bad Kissingen: Fußgängerin stirbt in Bad Brückenau: Prozess um Schuldfrage

Landkreis Bad Kissingen

Fußgängerin stirbt in Bad Brückenau: Prozess um Schuldfrage

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    Wegen eines tödlichen Unfalls in Bad Brückenau musste sich eine Frau vor dem Amtsgericht Bad Kissingen verantworten.
    Wegen eines tödlichen Unfalls in Bad Brückenau musste sich eine Frau vor dem Amtsgericht Bad Kissingen verantworten. Foto: Stefan Puchner (dpa)

    Es ist der Donnerstag vor Muttertag im Mai 2023: Ein älteres Ehepaar ist kurz vor Mittag in Bad Brückenau mit dem Auto unterwegs, um Einkäufe zu erledigen.

    Parkplätze belegt

    Sie wollen zu einem Blumengeschäft in der Bahnhofstraße, aber die Parkplätze vor dem Laden sind schon besetzt. Deshalb biegt der Mann in die Sinnaustraße ein und lässt seine Frau schon mal aussteigen. Sie soll vorausgehen, während er einen Parkplatz sucht.

    Was in den folgenden Sekunden passiert, schildert die Angeklagte vor dem Bad Kissinger Amtsgericht aus ihrer Sicht. Sie wollte von der Bahnhofstraße nach links in die Sinnaustraße abbiegen. Weil ihr ein Auto entgegenkam, musste sie auf der Kreuzung anhalten.

    "Ich habe wie verrückt gebremst!"

    Als sie schließlich abbiegen konnte, sei eine Frau vom Gehsteig plötzlich auf die Straße gelaufen. "Ich habe wie verrückt gebremst", sagt die heute 79-jährige Autofahrerin . "Sie stand noch, als ich ausstieg, dann ist sie plötzlich umgefallen."

    Von den Besucherplätzen ist ein Lacher zu hören. "Was gibt es da zu lachen?", empört sich der Anwalt der Angeklagten. "Warum ist sie zusammengebrochen?", will die Richterin wissen. "Vielleicht vor Schreck", ist die Antwort.

    Nach vier Tagen gestorben

    Die Staatsanwältin sieht das anders. Sie geht davon aus, dass die Rentnerin die Frau mit dem Auto erfasst hat, und wirft ihr fahrlässige Tötung im Straßenverkehr vor. Denn die Folgen dieses Unfalls sind tragisch. Die 83-Jährige erleidet schwere Kopfverletzungen und stirbt vier Tage später in einem Krankenhaus.

    Eine Zeugin schildert, wie sie den Unfall erlebt hat. Sie war gerade aus dem Blumengeschäft gekommen und habe gesehen, wie die Fußgängerin vor dem herannahenden Wagen gestikuliert habe. Dann sei sie angefahren worden und direkt umgefallen.

    Fahrerin unter Schock

    Sie sei sofort zur Unfallstelle gelaufen. Die Fahrerin habe noch im Auto gesessen – sichtlich unter Schock – und habe ihr aus dem geöffneten Seitenfenster zugerufen: "Sie sind mein Zeuge, ich kann doch nichts dafür."

    Eine Erzieherin, die mit ihrer Kindergruppe die Stadtbibliothek besucht hatte, konnte den Unfall durch ein Fenster beobachten. "Du musst doch anhalten, da steht eine Frau", sei es ihr durch den Kopf geschossen, als das Auto in die Sinnaustraße einbog.

    Aus der Nase geblutet

    Die Fußgängerin sei durch den Aufprall ein Stück weggeschleudert worden, schildert die Zeugin. Sie kümmerte sich um die Verletzte, die aus der Nase geblutet habe.

    Bis zum Eintreffen eines Rettungswagens, den ein Passant inzwischen telefonisch gerufen hatte, habe es nach Ansicht der Zeugin lange gedauert. Sie versteht auch nicht, warum kein Notarzt mitgekommen war.

    "Hätte die Fahrerin noch stehenbleiben können?", fragt der Vertreter der Nebenklage. "Nach meiner Ansicht ja", antwortet die Erzieherin.

    Kein Notarzt vor Ort

    Eine Beamtin der Polizeiinspektion Bad Brückenau schildert, was sie vor Ort gesehen hat. Das Auto war vor dem Eintreffen der Streife zur Seite gefahren worden. Wann und von wem kann nicht eindeutig geklärt werden.

    Auch die Polizistin berichtet, dass kein Notarzt vor Ort war. Sie habe an dem Auto keine Hinweise auf einen Aufprall feststellen können.

    Höchstens zehn Stundenkilometer schnell

    Die Aussage des Sachverständigen kann das erklären. Nach einem Unfall mit geringer Geschwindigkeit müssen am Fahrzeug nicht zwangsläufig Beschädigungen zu sehen sein. Der Experte hat anhand der Fakten errechnet, dass die Geschwindigkeit des Wagens nicht mehr als zehn Kilometer pro Stunde betragen hat.

    Drei Möglichkeiten

    Er schildert drei mögliche Szenarien: Wenn die Fußgängerin zum Zeitpunkt der Kollision schon auf der Fahrbahn gewesen wäre, hätte der Unfall vermieden werden können.

    Wäre die Frau kurz vor dem Auto vom Gehsteig auf die Straße gelaufen, hätte die Fahrerin nicht rechtzeitig bremsen können. Die dritte Variante konnte und wollte der Sachverständige nicht beurteilen: Die 83-Jährige wurde vom Fahrzeug nicht berührt und fiel vor Schreck um.

    Besondere Vorsicht beim Abbiegen

    In ihrem Schlussplädoyer geht die Staatsanwältin davon aus, dass die Verstorbene schon auf der Straße war, als der Unfall passierte. Die Angeklagte hätte sie sehen müssen und anhalten können. Sie verweist auf einen Paragrafen der Straßenverkehrsordnung , der beim Abbiegen besondere Rücksicht auf Fußgänger vorschreibt.

    Geldstrafe gefordert

    Die Rentnerin habe sich der fahrlässigen Tötung im Straßenverkehr schuldig gemacht. Die Anklagevertreterin fordert eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 20 Euro. Außerdem soll die Frau die Kosten des Verfahrens und der Nebenklage tragen.

    Verteidigung verlangt Freispruch

    Der Verteidiger ist überzeugt, dass das Unfallopfer vor dem Wagen auf die Straße gelaufen sein muss. Ansonsten hätte seine Mandantin rechtzeitig anhalten können. Zudem könne nicht bewiesen werden, dass die Frau von dem Auto berührt wurde. Er fordert deshalb Freispruch.

    Das Urteil

    Das Gericht schließt sich der Darstellung der Staatsanwaltschaft an und verhängt eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 20 Euro. Obendrein muss die Angeklagte die Kosten des Verfahrens tragen.

    Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil die Prozessbeteiligten Rechtsmittel einlegen können.

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