Die geplante Streichung der Vergünstigung für Agrardiesel: Sie treibt vielen Landwirten die Zornesröte ins Gesicht – und einige von ihnen mit ihren Traktoren auf die Straße. Doch wie groß sind die Einschnitte wirklich? Die Redaktion befragt dazu Acker-, Vieh- und Obstbauern sowie Winzer aus dem Landkreis Bad Kissingen. Und fördert ein weiteres Reizthema zutage.
Die Streichungen im Agrarbereich schlagen komplett auf das Einkommen durch, sagt der Münnerstädter Volker Schmitt , der auch eine große Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt betreibt. Einfach die Preise erhöhen, könnten Landwirte nicht, weil die Produkte nach internationalen Standards gehandelt werden.
Acht Prozent der Einsparungen tragen
Schmitt rechnet vor, dass lediglich 1,8 Prozent der Bevölkerung Landwirte seien. Sie aber sollen acht Prozent der Einsparungen im Bundeshaushalt tragen. „Das ist nicht in Ordnung“, findet er. Tendenziell sei es so, dass der Dieselaufwand pro Hektar sinkt, je größer die bearbeiteten Flächen sind. Also schlagen sich die Kürzungen besonders auf die kleineren Landwirte nieder.
Die Regierung setze auf den bäuerlichen Familienbetrieb, sagt Volker Schmitt . „Aber viele verdienen fast gar nichts.“ In schlechten Jahren kommen sie auf fünf Euro die Stunde, hat er überschlagen. Während der Mindestlohn immer mehr steige, sinken die Einnahmen bei den Landwirten weit darunter.
Kfz-Steuer-Befreiung fällt auch weg
Um einen Hektar Acker zu bewirtschaften, benötige man durchschnittlich etwa 110 bis 120 Liter Diesel pro Jahr. Biobauern hätten einen noch viel höheren Verbrauch, weil sie auf Pflanzenschutzmittel verzichten und das durch intensivere Arbeit wettmachen müssen.
Die Mehrkosten durch die Streichung der Agrardieselbefreiung seien aber auf dem Markt nicht wieder reinzubekommen, weil dort auch Bauern aus Ländern wie Argentinien, Frankreich und die USA ihre Produkte verkaufen, die teilweise hohe Subventionen erhalten.
160 Euro weniger Einnahmen pro Hektar
Volker Schmitt macht noch eine Rechnung auf. Durch die Agrarreform 2022 habe ein Landwirt rund 120 Euro Einnahmen pro Hektar verloren. Durch den Wegfall der Agrardieselbefreiung seien es noch einmal 20 Euro und ebenfalls 20 Euro durch den Wegfall der Kfz-Steuerbefreiung. Alles in allem sind das 160 Euro weniger Einnahmen pro Hektar.
Roland Strebl betreibt rund um Rupboden im Sinntal Ackerbau und eine Mutterkuhhaltung, bewirtschaftet Wiesen. Alles das im Nebenerwerb. Für seinen Betrieb setzt er jährlich im Schnitt 4000 Liter Diesel ein, hat er ausgerechnet. Würde er nicht mehr wie bisher auf Antrag 21,48 Cent pro Liter vom Staat zurückbekommen, würden ihm 859,20 Euro in der Jahresabrechnung fehlen. Mit ähnlichen Einbußen rechnet Strebl bei wegfallender Kfz-Steuerbefreiung, wenn nicht mit noch mehr.
Weitere Sargnägel für die Landwirte
Diese einschnitte sieht der Bio-Bauer als weitere Sargnägel für die Landwirte. Ohnehin hätten sich die Energiekosten in der Branche in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt. „Bei dieser Größe hat jeder Hof zu kämpfen.“ Da gehe es nicht einfach um den Wechsel eines Jobs, sondern um den Weiterbestand eines über Generationen aufgebauten Betriebes.
An einer Demo, um die Anliegen der Landwirte kundzutun, teilgenommen hat der Rupbodener noch nicht. Er will es aber demnächst tun, sagt aber auch: „Ich bin dagegen, irgendetwas lahmzulegen.“
Katharina Müller vom gleichnamigen Obsthof in Modlos sagt: „Die Einschnitte sind für jeden spürbar.“ Kleinere Betriebe treffe es vermutlich weniger hart als große. Was das für den eigenen Hof bedeutet, kann sie nicht genau sagen.
Weinanbau auf 12 Hektar
Lorenz Neder, der mit seinem Ramsthaler Betrieb auf zwölf Hektar im Saaletal Wein anbaut, sieht die geplanten Kürzungen beim Agrardiesel und der Kfz-Steuer ebenfalls kritisch. Wie stark sie einen Landwirt träfen, hänge von der Betriebsgröße ab. Im Weinbau sei man bestrebt, so wenig wie möglich in den Weinbergen herumzufahren. Das führe zu ungewünschten Verdichtungen im Boden. In den Steillagen dominiere auch die Handarbeit.
Dennoch schätzt der Winzer , dass seinem Betrieb am Ende der Jahresabrechnung „ein hoher dreistelliger Eurobetrag“ fehlt, wenn nicht gar ein vierstelliger. Lorenz Neder arbeitet im Umkreis von 20 Kilometern um Ramsthal. 3000 bis 4000 Liter Diesel verbrauche er pro Jahr.
Ähnlich wie Volker Schmitt aus Münnerstadt findet er es ungerechnet, „dass unter den Berufskollegen, die eh schon sehr tüchtig sind, versucht wird noch mehr herauszuholen. Irgendwann ist es auch mal gut.“
Wertschätzung „nicht da“
Sowohl im Lebensmittel- als auch im Weinbereich würden im Ausland Produkte unter anderen, günstigeren Voraussetzungen als in Deutschland produziert. „Es ist schade, dass die Wertschätzung für das, was im eigenen Land hergestellt wird, nicht da ist.“ Und die Marktlage werde noch weiter verschlechtert.
Noch nicht über Teilnahme nachgedacht
Über eine Teilnahme an einer Protestdemo hat Lorenz Neder noch nicht nachgedacht. Er würde es von beruflichen und familiären Verpflichtungen abhängig machen. Vielleicht gebe es ja ein Zeitfenster.
Der Ramsthaler würde es sich allerdings auch wünschen, dass die vielen Subventionen für heimische Produkte gar nicht nötig wären. Dass die Politik den Rahmen dafür schaffe, aber auch die Verbraucher ihr Kaufverhalten darauf ausrichteten.
Rückblick auf die bisherigen Proteste in Hammelburg: