Klare Appelle zu verstärktem politischen Engagement bestimmten die Mahnwache der Europa-Union auf dem Hammelburger Markplatz. Warum der Protest auch international Beachtung findet.
Wetterfest zeigten sich am Donnerstagabend die Teilnehmer einer Mahnwache für Demokratie auf dem Hammelburger Marktplatz. Für rund eineinhalb Stunden harrten die Demonstranten bei Regen aus, um Position zu beziehen. War in ersten Schätzungen von 500 Teilnehmern die Rede, so ergaben spätere Zählungen der Polizei, dass wohl 600 bis 800 Menschen auf dem Marktplatz waren.
Trotz grauen Wetters bot sich angesichts vieler farbiger Regenschirme ein buntes Bild. Bei aller Besorgnis sorgte der gemeinsame Schulterschluss der Versammelten, über alle Parteigrenzen hinweg, durchaus für gute Laune.
"Es gibt etwas, das uns jenseits aller politischen Differenzen verbindet."
Reinhard Schaupp von der Europa-Union
"Es gibt etwas, das uns jenseits aller politischen Differenzen verbindet", erklärte Organisator Reinhard Schaupp als Bezirksvorsitzender der Europa-Union vor dem weiten Rund der Zuhörer. Ziel der Europa-Union als Veranstalter sei es, überparteilich ein breites Bündnis aus der Zivilgesellschaft für eine offene Gesellschaft zu formen. Deswegen gebe es auch für Beiträge am Mikrofon keine Rednerliste mit den Mandatsträgern der Parteien, sondern einen Querschnitt aus der Bevölkerung.

Ausdrücklich dankte Schaupp der katholischen und evangelischen Kirchengemeinde, der Lebenshilfe, der Hammelburger Karnevalgesellschaft, der Gebietsverkehrswacht, der CSU, der SPD und Bündnis 90 /Grüne und der FDP für die Unterstützung und rief weitere Vereine zum Mitmachen auf. Es sei wichtig, für die Mitwirkung in den Parteien des demokratischen Spektrums zu werben.
Zahlreiche Gäste aus allen Parteien
Der Redner begrüßte in den Reihen der Demonstrantinnen und Demonstranten als Zuhörer unter anderem die Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann, (Bündnis 90/Grüne), den stellvertretenden Landrat Gotthard Schlereth sowie die Bürgermeister Armin Warmuth, Thomas Hack (Aura), René Gerner (Fuchsstadt), Rainer Morper (Ramsthal), August Weingart (Sulzthal), Florian Atzmüller (Wartmannsroth) und CSU-Bezirksrat Martin Wende.
Seiner Ansprache voran stellte Schaupp die Errungenschaften der europäischen Einigung. Sie hätten den Menschen auf dem Kontinent Frieden und Freiheit gebracht.
Entsetzen über alle, die Grenzzäune errichten wollen
"Deshalb bin ich entsetzt, wenn es eine rechtsnationale Partei gibt, die in Europa wieder Grenzäune errichten will und deren Verantwortliche von einem Austritt aus der Europäischen Union fantasieren", sagte Schaupp mit Blick auf die AfD. "Das wäre katastrophal für unser Land", warnte er.

Die Phase des "Wegschauens" müsse beendet werden. Gleichzeitig werde man mit den Frustrierten, Enttäuschten und Verunsicherten über die Zukunft der Gesellschaft reden, so Schaupp weiter, um die Spaltung durch Rechtspopulisten zu stoppen.
Kritik an Hubert Aiwanger
Politische Gegner verächtlich zu machen, bringe zwar Applaus, sagte Schaupp mit Blick auf den stellvertretenden Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger (Freie Wähler), mache aber zugleich das demokratische System verächtlich. "Wie brauchen keine Hasstiraden gegen den politisch Andersdenkenden", forderte der Redner.
"Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf", warnten auf dem Podium die Schülerinnen Hanna Schaupp, Sophia Thust und Sophia Warnke vom Frobenius-Gymnasium. Deshalb gelte es, vom Sofa aufzustehen und sich für die Grundwerte unserer demokratischen Gesellschaft einzusetzen.
kritisierte am Mikrofon die verbale Aufrüstung im Internet. "Da kann man nicht mehr sagen, ich bin nicht zuständig". Jetzt bräuchten Menschen Rückendeckung, wie etwa in Thüringen, wo angesichts der erstarkten AfD das Bekenntnis zur Demokratie schon zu Repressalien führen könne.
"Nicht pauschal gegen Rechts"
Gleichzeitig sensibilisierte Beichel für die richtige Wahl der Worte: "Wir sind nicht pauschal gegen Rechts", stellte er klar. Der Protest wende sich gegen den Radikalismus im gesamten Parteienspektrum. Jeder müsse sich fragen, inwiefern er bereit ist, die Demokratie zu verteidigen.

Einfach nur Abgeordnete zu wählen, reiche nicht mehr aus, begründete Susanne Möldner ihren Schritt ans Mikrofon vor der Menschenmenge. Wenn jetzt bei Rechtsextremen wieder von Deportation die Rede ist, sei sie froh über alle, die zu solchen Parolen laut Nein sagen.
Andere Meinungen akzeptieren
Als anspruchsvolles Modell bezeichnete als weiterer Redner
die Demokratie. "Sie beruht auf der Bereitschaft zu akzeptieren, dass andere Meinungen ihren Platz haben, auch wenn sie der eigenen widersprechen", zitierte er den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann.
Hügel weiter: "Wenn die Menschen meinen, der Staat sei eine Art Supermarkt, der permanent Angebote machen müsse, dann gehe die Demokratie vor die Hunde. "Macht endlich Politik, sonst machen es andere!", schloss der Redner.
Ein weiter Weg zum respektvollen Miteinander
"Der Weg ist lang und unser Engagement darf hier nicht enden", postulierte Markus Heurung. Es gelte, in den Vereinen dazu zu motivieren, sich dem Bündnis für ein respektvolles Miteinander anzuschließen.
Heide Gerlach-Hirt und Martina Bay vom Verein Kulturbunt warben für eine bunte Welt. Sie stehe noch unter dem Eindruck des Kinderfaschings im städtischen Kinderhort am gleichen Tag, sagte Hirt und habe von dort den Eindruck einer friedlichen Welt von fröhlich tanzenden und singenden Kindern in internationaler Zusammensetzung mitgenommen. "Das möchte ich keinesfalls zerstört wissen", sagte sie bewegt.
Lob aus dem Nachbarland Belgien
Beeindruckt von den aktuellen Demonstrationen in Deutschland und auch am Hammelburger Marktplatz zeigte sich auch Ruud Gossens. Der Redakteur der renommierten belgischen Zeitung Standard war auch am Marktplatz. Er wolle sich aktuell auf einer Rundreise einen Überblick über die Proteste in Deutschland verschaffen.
"Uns fällt auf, dass es in Deutschland sehr viele Demonstranten sind."
Ruud Gossens, Redakteur bei einer belgischen Zeitung
"Uns fällt auf, dass es in Deutschland sehr viele Demonstranten sind", schildert er im Gespräch mit dieser Redaktion seinen Eindruck. Er habe wahrgenommen, dass bei diesen Demos nicht nur einzelne Gruppen, sondern die gesamte Bevölkerung dabei ist, zollte Gossens Anerkennung.
In Belgien habe es in den 1990er Jahren ähnliche Proteste gegeben, "aber jetzt passiert nichts". Besorgt zeigte er sich über das Erstarken der Rechtsextremen in Flandern vor den Wahlen in wenigen Monaten. Die Lage in Deutschland sei ein Spiegel dafür, dass man hier die Gefahren erkenne.

Für Gänsehaustimmung sorgte bei der Kundgebung auch die Band The Timewalkers mit Liedern gegen Rechtsextremismus. Wer wollte, konnte mitsingen. Dazu hatte die Gruppe den Text mit einer etwas abgewandelten Form der Europa-Hymne ausgeteilt.
Demnächst will die Europa-Union eine lokalen Aktionsgruppe gegen Rechtsextremismus gründen. Termin ist der 16. Februar im Europahaus am Viehmarkt.