„In meiner Anfangszeit zahlte ich für die einfache Bahnstrecke Hammelburg-Kiel regulär 94 Euro“, berichtet die Biologie-Studentin. Inzwischen müsste sie nach Fahrplanänderungen sogar den Umweg über Würzburg nehmen. Macht noch einmal 20 Euro mehr. Und selbst mit 50 Prozent Ermäßigung durch die Bahncard 50 müsste die angehende Wissenschaftlerin ganz schön zur Kasse treten.
Weil die angehende Wissenschaftlerin zudem stört, dass viele Autos nur mit einer Person unterwegs sind, wechselte sie das Verkehrsmittel. Initialzündung war ein Anschlag am schwarzen Brett der Kieler Mensa: „Biete Mitfahrgelegenheit nach Bamberg!“. Nicole Sollfrank zögerte noch, hatte sie doch aus der Kindheit den Satz „Steig niemals zu Fremden ins Auto“ im Hinterkopf.
Nette Gespräche unterwegs
Dass sie trotzdem auf das Angebot zurück kam, bereute sie nicht. „Innerhalb von nur sechs Stunden nach Hammelburg ohne Umsteigen, nette Gespräche geführt und das für 28 Euro – perfekt!“, schwärmt sie. Auf die Spritbeteiligung einigt man sich selbst. Die Empfehlung der Mitfahrerzentrale beträgt fünf Euro auf 100 Kilometer. Sinn macht es nach Erfahrung der jungen Reisenden, möglichst große Städte als Ziel- oder Abfahrtsort angeben. Nach Hamburg gebe es immer ein passendes Angebot, Kiel sei schon schwieriger.
Obwohl Nicole Sollfrank gleich gute Erfahrungen machte, war sie dankbar, gleich darauf drei mal mit dem selben Fahrer unterwegs zu sein: „Es ist einfach ein besseres Gefühl“.
Unterwegs lerne man nette Leute kennen, die Fahrt vergehe wie im Flug. Am abenteuerlichsten war für die Studentin die Fahrt in einem laut Telefonabsprache „kleinen LKW“, der ihr, als er die Kapelle in Machtilshausen ansteuerte, groß vorkam. Weiterer Beifahrer: Ein Meerschweinchen, das in Hamburg von einem Mädchen mit dem staunenden Kommentar: „So ein großes Auto für ein Meerschweinchen!“ in Empfang genommen wurde. Dazu gab es auf der Strecke unendlich viele Lieder von Wise Guys.
Man könne sich die Fahrt aber auch mit Spielen wie „Teekesselchen“ oder „Ich packe in meinen Koffer“ vertreiben, so wie zwei Hamburger Physiotherapeuten, die nach München zu einer Fortbildung unterwegs waren. Sie bildeten abwechselnd einen Mammut-Satz mit immer neuen Begriffen. Wer am längsten durchhielt, gewann.
Mit einer Leistungssportlerin im Rudern hinter dem Steuer hatte Nicole Sollfrank die seltene Gelegenheit, sich über Olympia in Peking auszutauschen;. Und sie fuhr mit einem Taucher, der sich als Mitglied in ihrem Kieler Tauchverein entpuppte. „Das Thema auf der folgenden Fahrt war klar!“, schmunzelt Nicole Sollfrank. Weil ihr Chauffeur im Firmenwagen unterwegs war, fuhr sie auch noch kostenlos mit.
Kurzfristige Vermittlung
„Klar trifft man auch mal auf Leute, die mir nicht so sympathisch waren oder einfach zu dicht aufgefahren sind“, sagt die Studentin. Viele Mitfahrangebote seien kurzfristig verfügbar. In zwei Wochen fährt Nicole Sollfrank wieder nach Kiel: „Die Bahn werde ich wohl wieder stehen lassen“, blickt sie voraus.
Mitfahrgelegenheiten gibt es im Internet viele. Etwa unter mitfahrerzentrale.de!, mitfahrgelegenheit.de und frauenfahrgemeinschaft.de. Dort kann man Angebote durchstöbern, sich europaweit als Fahrer anbieten oder Fahrtziele wünschen.