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Maßbach: Jede dritte Frau erlebt Gewalt

Maßbach

Jede dritte Frau erlebt Gewalt

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    Daniela Schwarz (l.), die fachliche Leiterin des Frauenhauses Schweinfurt, berichtete im Maßbacher Theater über ihre Arbeit. Dafür dankte ihr Anne Maar.
    Daniela Schwarz (l.), die fachliche Leiterin des Frauenhauses Schweinfurt, berichtete im Maßbacher Theater über ihre Arbeit. Dafür dankte ihr Anne Maar. Foto: Thomas Ahnert

    „Grenzen“ ist das Motto der aktuellen Spielzeit im Maßbacher Theater. Und wo Grenzen sind, bleiben Grenzüberschreitungen nicht aus. Eine besondere, belastende Form war jetzt Thema in der „Besonderen Reihe“ im Kaminzimmer des Schlosses: „ Gewalt gegen Frauen “. Dazu hatten die Verantwortlichen eine Frau eingeladen, die an vorderster Front steht: Daniela Schwarz, die fachliche Leiterin des Frauenhauses Schweinfurt.

    Sie berichtete über die Arbeit in einer Institution, die den Spagat bewältigen muss, bekannt zu werden, aber im Dunkeln zu bleiben. Auf der einen Seite müssen Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt werden, wissen, dass es diese sichere Fluchtmöglichkeit gibt. Aber andererseits darf die Adresse des Frauenhauses nicht öffentlich bekannt werden, um die Gewalttäter nicht anzulocken.

    Natürlich gibt es nicht nur brachiale Gewalt gegen Frauen . Das beginnt bei verbalen Angriffen und Herabsetzungen und geht über finanzielle Gewalt – kein eigenes Geld oder kein Zugriff auf ein eigenes oder gemeinsames Konto – über soziale Gewalt – wie etwa die Überwachung der Kontakte durch den Partner, Telefonkontrolle, Feindseligkeiten am Arbeitsplatz oder Stalking – bis zu digitaler Gewalt. Das sind oft Grenzüberschreitungen, die schwer zu erkennen sind.

    Gewalt gegen Frauen ist keine Randerscheinung

    Eindeutig – und schmerzhafter – wird es bei sexualisierter Gewalt, bei Vergewaltigung, bei Schlägen. 80 Prozent der Frauen, mit denen sie es zu tun hat, so Daniela Schwarz, seien davon betroffen. Wobei man zusätzlich von einer erheblichen Dunkelziffer ausgehen müsse. Gewalt gegen Frauen sei keine Randerscheinung. Betroffen seien Frauen aus allen Schichten, mit und ohne Schulabschluss, mit Uni-Abschluss oder Doktorgrad, Frauen mit Kindern, Frauen ohne Kinder, schwangere Frauen, Frauen jeden Alters. „Die älteste Frau , die bei uns gewohnt hat, war 82.“ Die untere Grenze ist bei 18 Jahren. Darunter ist das Jugendamt zuständig.

    Oft, so Schwarz, finde die Gewalt im gesellschaftlichen Nahraum statt. Jede dritte Frau erlebt Gewalt in irgendeiner Form; bei jeder vierten ist es der eigene oder Ex-Partner. 155 Frauen wurden im letzten Jahr ermordet. Viele Übergriffe werden nicht angezeigt.

    Zum einen erkennen die betroffenen Frauen die ständig steigende Spirale der Gewalt nicht oder zu spät: „Bei manchen Frauen währt die Gewaltbeziehung schon 30 Jahre.“ Und: „Im Durchschnitt brauchen Frauen sieben Anläufe, bis sie sich von ihrem Partner trennen.“

    Angst vor Rache

    Zum anderen haben sie Angst vor der Rache der Männer. Wobei sie da nicht nur sich selbst sehen, sondern auch ihre Kinder, die von den Männern entführt und als Geiseln genommen werden können. „Die meisten Frauen finden erst zu uns, wenn es gegen die Kinder geht.“ Diese Bedrohungssituation aufzulösen, erfordert sehr viel Geduld und überzeugende Beratung.

    Das Schweinfurter Frauenhaus – ist es überhaupt in Schweinfurt? – ist für die Region Main-Rhön zuständig und kann zwölf Frauen und maximal 18 Kinder in sechs Wohnungen aufnehmen. „Die Frauen sollten den Alltag beherrschen.“ Denn sie sind sozusagen Selbstversorger für sich und ihre Kinder. Die Wohnungen sind – auch küchentechnisch – komplett eingerichtet, und es gibt auch eine „Notfallkiste“ mit Shampoo, Windeln und ein paar Lebensmitteln, denn der Einzug ins Frauenhaus kommt meistens überraschend. Nicht zuletzt deshalb, weil die Polizei bei ihren Einsätzen eher dahin tendiert, die Frauen (und Kinder) erst einmal in Sicherheit zu bringen und nicht die Täter aus dem Verkehr zu ziehen.

    Für die Frauen und die Kinder bedeutet das natürlich erst einmal den Verlust ihres gewohnten Umfeldes und ihrer sozialen Kontakte. Bei Hochrisikofällen – das geht bis hin zu Morddrohungen – versuchen Daniela Schwarz und ihr Team, einen Platz in einer anderen Stadt zu finden.

    Sicherheit ist ein wichtiger Aspekt

    Ein wichtiger Aspekt ist die Sicherheit des Hauses – das übrigens postalisch nur über Postfach zu erreichen ist. Es gibt eine telefonische Rufbereitschaft, die rund um die Uhr zu erreichen ist. Deren Nummer findet sich im Internet, kann aber auch bei der Polizei oder bei den Pfarrämtern erfragt werden. „Wir arbeiten viel mit den Frauen, dass sie nicht aus Gutwilligkeit oder aus Versehen Hinweise für die Verortung des Frauenhauses geben, denn das könnte gravierende Konsequenzen haben.“ Aber es passiert halt doch immer mal, dass ein randalierender Mann vor dem Tor steht. In dem Fall wird die Polizei gerufen.

    Ein Problem sind die Handys. Denn einerseits sollen die Frauen außerhalb des Hauses immer eines dabeihaben, um in Notfällen reagieren zu können. Aber andererseits kann man Handys orten. „Wir raten den Frauen, möglichst alle Passwörter zu ändern das GPS auszuschalten oder, noch besser, das Telefon auf Werkseinstellung zurückzustellen. Aber da gehen dann auch alle Bilder verloren.“ Und das bringen die meisten Frauen nicht übers Herz.

    Es gibt auch Männerhäuser, zum Beispiel in Nürnberg

    Natürlich, so Daniela Schwarz, kann der Umzug ins Frauenhaus keine Dauerlösung sein. Und es erfordert viel Betreuung und Beratung durch das Team, um örtliche und räumliche Alternativen zu finden. Da ist schon die Situation auf dem Wohnungsmarkt ein Haupthindernis. Und mit gerichtlichen Kontaktverboten für die Täter ist es auch nicht getan. Aber es ist doch eine Bestätigung für die Arbeit der Fachberatungsstelle, dass nur ganz selten Frauen ein zweites Mal kommen.

    Übrigens: Männerhäuser gibt es auch. Aber es sind erheblich weniger: Männer, die häuslicher Gewalt entfliehen wollen, müssen schauen, wie sie nach Nürnberg kommen. Dort gibt es die Fachberatungsstelle für Männer und Unterkunft.

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