Vor wenigen Jahren konnte man im Oberlauf der Schondra noch Steinkrebse finden, die bevorzugt in sommerkalten Oberlaufbächen und Gräben leben. Doch eine im vergangenen November im Auftrag der Hegefischereigenossenschaft Schondra (HGF) vorgenommene Analyse ergab anhand einiger Wasserproben aus der Schondra und ihren Zuflüssen keinen Nachweis für Steinkrebse.
„Daraus müssen wir folgern, dass die Steinkrebse bei uns ausgestorben sind“, erklärt HGF-Vorsitzender Dr. Thomas Heyne, hauptberuflich akademischer Direktor an der Universität Würzburg und Fachdidaktiker für Biologie im Bereich der dortigen Lehramtsausbildung.
Aufgabe der vor genau 100 Jahren gegründeten HGF Schondra sind der Schutz und die Pflege der Natur, vor allem die Erhaltung der Gewässer in natürlichem Zustand und die Hege artenreicher Fischbestände sowie die Vertretung der Belange der Fischerei.
Blick unter die Wasseroberfläche richten
Doch ihre zehn Mitglieder sind nicht etwa passionierte Angler, sondern die Eigentümer der im Genossenschaftsgebiet fließenden Gewässer oder deren Pächter. „Aufgabe der HFG ist allerdings auch, den Sinn der Bevölkerung für die Natur in und an den Gewässern zu schärfen“, ergänzt Heyne.
Der Blick der Öffentlichkeit sei meistens nur auf die sichtbare Oberfläche gerichtet. Das Leben unter der Wasserfläche bleibt den Menschen verborgen. „Wir müssen deshalb für ein ausreguliertes Bild in der Öffentlichkeit sorgen.“
Früher gab es viele Steinkrebse in der Schondra
Noch vor Jahrzehnten hatten sich im Gebiet der HFG Schondra viele Kinder den Spaß erlaubt, nach der Schule in den Bächen unter Steinen nach Steinkrebsen zu suchen. „40 Stück an einem Nachmittag waren damals keine Seltenheit“, erinnert sich HFG-Mitglied Kurt Schuhmann.
Nachdem in vergangenen Jahren keine Krebse mehr gefunden wurden, wollte die HFG der Frage wissenschaftlich auf den Grund gehen. Sie beauftragte im November gemeinsam mit der Fischereifachberatung des Bezirks Unterfranken die Mikrobiom-Lab GmbH (Oberthulba), anhand von Wasserproben eine DNA-Analyse in den Gewässern zu machen.
„Diese Untersuchungsmethode beruht darauf, dass Organismen an ihre Umwelt ständig in geringen Mengen genetisches Material abgeben“, erklärt dazu Laborleiter Peter Flaßhoff-Gockel. „Dieses lässt sich dann im positiven Fall in Wasserproben nachweisen.“

Doch alle auf Steinkrebs-Vorkommen untersuchten Wasserproben aus der Schondra und ihren Zuflüssen blieben negativ.
Vom Aussterben bedroht
Dies verwundert Fischereifachberater Michael Kolahsa, Sachverständiger im Bezirk Unterfranken, überhaupt nicht. „In ganz Unterfranken hat sich seit 2013 das Vorkommen von Steinkrebsen halbiert. Er ist ein Klimawandel-Verlierer.“ Der zwölf bis maximal 15 Zentimeter große Krebs, den es nach Vermutung der Wissenschaft bei uns schon seit der Eiszeit gibt, ist nicht die einzige Lebensart, die vom Aussterben bedroht ist.
Jährlich verschwinden etwa 10.000 bis 20.000 Tier- und Pflanzenarten auf der Welt, wird geschätzt. „Doch jede Tierart hat in unserem Ökosystem eine bestimmte Funktion“, betont Heyne. „Der Steinkrebs war die Gesundheitspolizei in unseren Bächen : Er frisst Kadaver und altes Laub.“
Der Steinkrebs wurde gegessen
Der Steinkrebs ist essbar und wurde von den Bewohnern entlang der 75 Kilometer langen Schondra auch verzehrt – ebenso wie der ebenfalls dort lebende braune Edelkrebs. Vielleicht wollten die Bewohner schon vor Jahrzehnten erste Bestandslücken auffüllen? „Sicher ist jedenfalls, dass seit den 1960er-Jahren amerikanische Signalkrebse eingeführt und im Unterlauf der Schondra ausgesetzt wurden“, weiß Heyne.
Die Krebspest kam auf
Ohne es zu ahnen, wurde dadurch die Krebspest eingeführt. Der amerikanische Krebs ist viel aggressiver und größer als der Steinkrebs, ergänzt Fachberater Kolahsa. „Er vermehrt sich viel stärker und ist vor allem resistent gegen die Krebspest.“ So war der Steinkrebs in der Vergangenheit doppelt bedroht. Kolahsa: „Sein bevorzugter Lebensraum im Flachwasser des Schondra-Oberlaufs trocknete allmählich aus und im tieferen Unterlauf wartete der Amerikaner.“

Doch ob der Amerikaner wirklich für das Aussterben des Steinkrebses verantwortlich ist, sind die Fachleute sich nicht sicher, da im Herbst 2023 in ausgelegten Krebsreusen auch keine Signalkrebse gefunden wurden. Eher dürfte nach Meinung Kolahsas die Krebspest schuld sein.
Denn um die Krebspest zu übertragen, reicht es aus, wenn Menschen über Kleidung und Angelausrüstung oder Tiere über Fell und Federn den Krebspest-Erreger vom Unter- oder Mittellauf der Schondra in den Oberlauf eingeführt haben. „Ein durch die Krebspest ausgelöstes Krebssterben verläuft kurz und heftig, ohne bleibende Spuren zu hinterlassen.“
Neue Krebsart bietet neue Chancen
Mittelfristig wird der amerikanische Signalkrebs – wie in anderen Fließgewässern auch – das gesamte Gewässersystem der Schondra besetzen, vermutet HFG-Vorsitzender Heyne. Die sei zwar bedauerlich, eröffne aber auch neue Chancen: Da es im Oberlauf nun keine Krebspest mehr geben kann, will die HFG noch in diesem Jahr die Ellritze dem Mittellauf entnehmen und gefahrlos in die Oberläufe einbringen. Heyne: „Dadurch kann unsere Genossenschaft weiterhin ihren Beitrag zur Artenvielfalt und zur Erreichung eines guten ökologischen Zustands leisten.“
