Am Anfang seines Berufslebens füllte Klaus Rüttger seine Bestelllisten noch per Hand aus, wenn er frische Ware für den Supermarkt geordert hat. Heute geht der Bestellvorgang komplett automatisiert. 30 Jahre war Rüttger erst als Marktleiter, dann als Inhaber das Gesicht des E-Centers an der Spitzwiese. Zum Monatsende gibt der 52-Jährige den Markt ab. „Es steckt viel Wehmut mit drinnen, weil es mein Lebenswerk ist. Nach 30 Jahren mit einer Sechs-Tage-Woche will ich jetzt das Leben genießen“, sagt er.
Letztlich spielen verschiedene Gründe eine Rolle. Zuletzt haben ihn vor allem der Fachkräftemangel und die explodierenden Energiekosten zu der Entscheidung gebracht. „Es ist jeden Tag ein Kampfs aufs Neue“, sagt er. 65 Angestellte hat Rüttger aktuell, drei bis vier Stellen in der Metzgerei und zwei bis drei Stellen im Laden selbst sind vakant – die Personalengpässe betreffen überwiegend den Verkauf.
Kunden sollen nicht warten müssen
„Man findet niemand, es ist sehr schwierig“, klagt Rüttger. Den Job als Verkäufer oder Verkäuferin wolle heute kaum noch jemand machen. „Dabei ist das ein sehr schöner Beruf“, meint er. Eine hohe Personaldecke hält er für enorm wichtig, um die langen Öffnungszeiten sechs Tage die Woche abzudecken und lange Wartezeiten an der Fleischtheke und den Kassen zu vermeiden. „Das war immer meine Philosophie: Dass die Kunden nicht lange warten müssen“, erklärt er.
Hinzu kommen die hohen Energiekosten: Mit einer halben Million Euro Mehrkosten im Jahr kalkuliert er aktuell. Alles Gründe genug, um seinen Edeka an einen Nachfolger zu übergeben. Die Belegschaft wird komplett übernommen, betont er.
Entwicklung an der Spitzwiese
Rüttger hat sein ganzes Berufsleben bei Edeka verbracht. 1989 begann der Breitenbacher seine Ausbildung in Bad Brückenau, im selben Jahr wurde auch der Edeka in Bad Kissingen eröffnet (damals noch Neukauf).
„Ich bin relativ früh Marktleiter geworden und wollte immer selbstständig sein“, erzählt er. 1993 kam er nach Bad Kissingen und führte als Marktleiter den 800 Quadratmeter großen Lebensmittelladen. 1998 wurde der deutlich kleinere Neukauf zum großen Edeka umgebaut: die Ladenfläche wurde auf 2000 Quadratmeter erweitert. Im Jahr 2010 ging Rüttger den Schritt in die Selbstständigkeit und übernahm den Edeka als Inhaber.
„Wir haben den Laden umsatztechnisch gut aufgestellt“, sagt er. Einen niedrigen sechsstelligen Gewebesteuerbetrag zahle er jedes Jahr an die Stadt. Rüttger hat im Lauf der Zeit das Service-Angebot in dem Supermarkt erweitert, hat einen Lieferservice aufgebaut, eine Lottoannahmestelle integriert, einen Bäcker, zwischendurch gab es auch eine Textilreinigung. „Die Kissinger Kundschaft hat es gedankt“, findet er. Zudem hat er immer wieder in den Markt investiert und wiederholt umgebaut. Vor sieben Jahren hat Rüttger das komplette Kühlsystem für eine Millionen Euro erneuern lassen. Aktuell wird für eine halbe Million Euro ein neues Leergutlager angebaut.
Umbauten im Frühjahr geplant
Dass zuletzt der Bäcker gewechselt hat, von der Bäckerei Schmitt aus Bad Neustadt zur Bäckerei Peter Schmitt aus Bad Kissingen , hängt laut Rüttger nicht mit dem Inhaberwechsel zusammen. Der Vertrag mit dem Neustädter Bäcker sei ausgelaufen und wurde nicht verlängert.
Ab Februar werden Klaus Hammelmann und Sonja Hümpfer den Edeka übernehmen. Hammelmann (52) ist ebenfalls seit seiner Ausbildung bei Edeka beschäftigt, seit 2015 als selbstständiger Kaufmann. Er wohnt in Schweinfurt, führt einen Markt in Seßlach bei Coburg und künftig auch den Bad Kissinger Markt. „Viele hatten Angst, dass hier ein Filialist reinkommt. Der Markt wird weiter familiengeführt sein“, betont Hammelmann. An der Grundausrichtung wolle er nichts ändern. „Frische wird weiterhin ein Schwerpunkt sein, mit dem wir versuchen, hier am Standort zu punkten“, sagt er.
Edeka will das Serviceangebot erweitern
Größere Änderungen brauchen die Kunden nicht zu befürchten. Hammelmann und Hümpfer planen, das Serviceangebot zu erweitern. Eine Postagentur soll integriert werden, ebenso wie wieder eine Textilreinigung. Die Lottoannahmestelle und der Bäcker bleiben erhalten.
Das bestehende Sortiment wird beibehalten und ergänzt. „Es ist ein Ausbau im Non-Food-Bereich geplant. Unter anderem prüfen wir eine Depot-Filiale mit Dekoartikeln aufzunehmen“, sagt er. Auch der Name ändert sich. Ab Februar wird das E-Center Rüttger zum E-Center Fapio. Vor allem sind im Frühjahr einige Umbauten angedacht: Die Infotheke – bisher eine Engstelle – soll erneuert werden und mehr Platz bekommen. Die Ladenfläche will Hammelmann bei laufendem Betrieb Stück für Stück modernisieren. Auch die Kassenzone will er neu strukturieren.
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