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Hammelburg: Archivarin sortiert tonnenweise Papier aus

Hammelburg

Archivarin sortiert tonnenweise Papier aus

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    Kreisarchivpfleger Roland Heinlein (links) und Verbundarchivarin Anastasia Schoch von der kommunalen Allianz Fränkisches Saaletal sichten alte Unterlagen im Archiv der Gemeinde Fuchsstadt.
    Kreisarchivpfleger Roland Heinlein (links) und Verbundarchivarin Anastasia Schoch von der kommunalen Allianz Fränkisches Saaletal sichten alte Unterlagen im Archiv der Gemeinde Fuchsstadt. Foto: Ralf Ruppert

    Bereits im Jahr 2019 gab es erste Überlegungen, für die neun Kommunen der kommunalen Allianz Fränkisches Saaletal eine Verbundarchivarin einzustellen. Nach längerer Planung und erfolglosen Ausschreibungen kam im Februar 2022 Anastasia Schoch (früher Götz).

    Die 29-Jährige hat Germanistik und „Digitale Geisteswissenschaften“ studiert, ist also auf die Archivierung und Digitalisierung von Unterlagen spezialisiert. Angelegt war die Stelle eigentlich auf fünf Jahre, aber: „Das wird eigentlich nie richtig fertig“, sieht Kreisarchivpfleger Roland Heinlein den Bedarf weit über das Jahr 2027 hinaus.

    Hauptarbeit in den Registraturen

    „Wo es wirklich hapert, sind eigentlich nicht die Archive, sondern die Registraturen“, sagt Heinlein mit Blick auf die neue Stelle. In einer Registratur legen Verwaltungen alles ab, was im Tagesgeschäft nicht mehr benötigt wird.

    Aus diesen Unterlagen müsse dann aussortiert werden, was „kassiert“, also vernichtet wird. Der Rest gehe in die Archive. „Ich habe mir erst einmal einen Überblick verschafft“, berichtet Anastasia Schoch.

    Ergebnis: In den meisten Kommunen wurde seit mindestens 50 Jahren die Registratur immer nur aufgefüllt. „Da lagen dann die Ordner quer in den Regalen oder auf Stapeln daneben.“

    Archive sind Aufgaben der Kommunen

    „Das Archivieren schieben alle Kommunen vor sich her“, weiß auch Kreisarchivpfleger Heinlein. Das habe auch organisatorische Gründe: In Verwaltungsgemeinschaften etwa sei die Verwaltung für die Registratur zuständig, aber die einzelnen Kommunen für die Archive.

    Akut werde das Thema meistens erst dann, wenn der Platz eng wird. Schließlich müssen Archivalien trocken, dunkel, säurefrei und ohne metallische Gegenstände aufbewahrt werden. Und: „Das Archiv muss eigentlich abgeschlossen und der Zugang klar geregelt werden“, betont Heinlein.

    Mindestens 20 Kubikmeter Papier aussortiert

    Mittlerweile hat Anastasia Schoch mindestens 20 Kubikmeter Papier in den Mitgliedsgemeinden aussortiert: Alte Staatsanzeiger, Gesetzesverordnungen und Informationen des bayerischen Gemeindetages flogen als erstes ungeprüft raus.

    In einigen Gemeinden habe es solche Unterlagen zum Teil sogar in mehrfacher Ausführung gegeben – aus den einzelnen Gemeinden, die während der Gebietsreform verschmolzen wurden.

    Feste Fristen für bestimmte Unterlagen

    Bei vielen Unterlagen gebe es zudem feste Fristen: Kontoauszüge etwa müssten sechs Jahre oder mindestens bis zur Rechnungsprüfung aufbewahrt werden. Generell könnten alle Unterlagen aus den Verwaltungshaushalten, also aus dem laufenden Betrieb, schneller vernichtet werden.

    Ganz wichtig: Alles, was Anastasia Schoch aussortiert, wird in ein Kassationsverzeichnis (früherer Name: Findbuch) aufgelistet. So sei später nachvollziehbar, was noch da sein müsste und was entsorgt wurde. Bei sensiblen Daten müssen die Unterlagen zudem ordnungsgemäß vernichtet werden.

    „Was weg ist, ist weg“

    In einem ersten Durchlauf habe sie in den zurückliegenden eineinhalb Jahren vor allem Unterlagen vernichtet, bei denen sich die 29-Jährige ganz sicher war, dass es niemand mehr braucht. „Ich hebe auch lieber mal was auf“, gesteht die gelernte Germanistin, und: „Wenn es einmal weg ist, ist es für immer weg.“

    Zudem habe sie sich auch an speziellen Interessen orientiert: Für Hammelburg oder Ramsthal könnten zum Beispiel sämtliche Unterlagen rund ums Thema Wein noch wichtig sein, auch wenn es nur eine Rechnung sei. Bei Sulzthal und Fuchsstadt etwa hob sie alles rund um die großen Gemeindewälder auf.

    Suche nach alten Dokumenten

    Regelmäßig bekommt Anastasia Schoch zudem Aufträge aus den Verwaltungen, nach alten Unterlagen zu forschen, die für aktuelle Entscheidungen relevant sind. Das reicht von alten Bauplänen über die Genehmigung von Trinkwasserbrunnen bis zu alten Verträgen.

    Das älteste Dokument, das sie bisher gefunden habe, sei die alte Dorfordnung von Machtilshausen aus dem Jahr 1584. Der Ort feiert im kommenden Jahr sein 1200-jähriges Bestehen, dafür laufen bereits die Vorbereitungen.

    Fortbildungen für das Personal

    Neben der eigentlichen Archivarbeit hat die Verbundarchivarin weitere Aufgaben: Unter anderem legte sie einheitliche Regeln zum Ablegen digitaler Daten an, in mehreren Schulungen habe sie die Informationen dazu mittlerweile mehr als 100 Beschäftigten der beteiligten Kommunen erläutert.

    „Die Schulung vor Ort spart jede Menge Fortbildungskosten“, betont Allianzmanager Holger Becker. Das bestätigt auch René Gerner, Fuchsstädter Bürgermeister und Vorsitzender der VG Elfershausen.

    Bauhof fährt Akten zur Vernichtung

    „Ich freue mich immer, wenn sie kommt“, berichtet er, schließlich würden dann wieder überflüssige Akten aussortiert. Ganze Anhänger voll habe der Bauhof bereits entsorgt. „Ich liebe Ordnung“, lobt Gerner die Arbeit von Anastasia Schoch.

    Die Personalkosten für die Verbundarchivarin werden nach der Zahl der Einwohner auf die neun Kommunen umgelegt. Die Regierung von Unterfranken gewährte für das in der Region Main-Rhön bisher einmalige Pilotprojekt 90.000 Euro Förderung. Gemeinsam angeschafft wurde mittlerweile auch ein Scanner zum Digitalisieren von Akten.

    Digitale und analoge Daten müssen verglichen werden

    Allerdings warnt Kreisarchivpfleger Roland Heinlein vor allzu hohen Erwartung an die Digitalisierung: „Erst einmal wird es sogar mehr Papier geben“, sagt der 68-Jährige vorher. Schließlich müssten oft erst digitale und analoge Daten zusammengeführt werden.

    Laut Archivarin Anastasia Schoch rächt sich jetzt auch, dass nicht schon viel früher ein digitales Ablagesystem eingeführt wurde. „Meistens hat jeder Mitarbeiter seine eigene Ordnerstruktur angelegt.“ Deshalb sei oft schwer nachvollziehbar, zu welchem Vorgang ein gespeichertes Bild oder Dokument gehöre. „Oft muss man in der analogen Welt forschen.“

    Großes Interesse bei Allianzen und Archivpflegern

    „Wir sind zwar noch relativ am Anfang, aber wir haben schon viel geschafft“, fasst Allianzmanager Holger Becker das Projekt zusammen. Das Interesse an dem Modell sei sehr groß: Anastasia Schoch stellte ihre Arbeit bereits bei mehreren Allianzen und beim Archivpflegertreffen im Staatsarchiv Würzburg vor.

    Demnächst sei ein Vortrag beim Netzwerktreffen aller unterfränkischen Allianzen geplant.

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