Die Schlagzeilen, für die er seit einiger Zeit sorgt, hatten natürlich neugierig gemacht: Seit bald drei Jahren ist der Bariton Konstantin Krimmel Ensemblemitglied an der Bayerischen Staatsoper in München, wo er vor allem als Mozart- und Donizetti-Sänger für anhaltende Begeisterung sorgte. Jetzt war er – endlich – beim Kissinger Sommer mit dem Pianisten Ammiel Bushakevitz, und man konnte die Begeisterung verstehen.
Schauspieler der Stimme
Da ist zum einen die technische Seite des Sängers . Konstantin Krimmel hat eine außerordentlich bewegliche Stimme und ein tolles Timbre, das ihm auch in den Klangfarben ein starkes Variieren ermöglicht. Und er ist ein verblüffend präziser Intonator. Selbst bei großen Intervallsprüngen muss er die Zieltöne nicht hörbar ansteuern oder einkreisen, sondern er trifft punktgenau. Man muss sich an diese Klarheit gewöhnen, aber man tut es gerne. Zum Anderen weiß Konstantin Krimmel sehr genau, was er singt, liefert absolut schlüssige dramatische Gestaltungen, die jeden Stimmungsumschwung nuanciert beleuchten, die bis ins dreifache forte und abrupt ins dreifache piano führen – ein Schauspieler der Stimme, denn in seiner Gestik hält er sich sehr zurück und nimmt damit auch sich selbst zurück.
Ein passender Partner für Krimmel
In Ammiel Bushakevitz hatte Konstantin Krimmel einen kongenialen Begleiter am Klavier, der sich nicht als Diener der Singenden oder gar als „einfühlsamer Begleiter“ sieht, sondern wirklich als eigenständiger Partner, der die Inhalte in Musik umsetzt und den singenden Partner damit konfrontiert und mitunter auch provoziert. Denn er ist ein fabelhafter Virtuose mit einem differenzierten, aber immer klaren, pedalunverschleierten Anschlag, der auch die eiligsten Verzierungen nicht vernuscheln muss.
Sieben Stücke von Carl Loewe
Das Programm der beiden war schon deshalb interessant, weil es mit sieben Balladen von Carl Loewe eröffnet wurde, einem Komponisten, der ziemlich in den Schatten geraten ist. Man bekam eine Ahnung, warum. Zum einen ist die Musik handwerklich solide, aber nicht wirklich überraschend. Zum anderen sind es die nicht immer interessanten Texte, etwa über Kontakte mit der Elfenwelt: „Tom der Reimer“ reitet am Ende mit der Elfenkönigin durch den Wald, „Herr Oluf“ wird danach von seiner Braut tot im Wald gefunden.
Andererseits ist ein „Totentanz“ im 6/8-Walzertakt schon eine Herausforderung. Aber in den starken Dramatisierungen gewannen die Balladen interessante Aspekte, nicht zuletzt deshalb, weil Konstantin Krimmel mit seiner Stimme nicht nur wie ein Sänger , sondern auch wie ein Schauspieler umging.
Nicht Inhalt war interessant, sondern Gestaltungen
Als man sich schon fast am Ende der „Loewerei“ wähnte, kam ausgerechnet „Archibald Douglas“, eine nicht enden wollende Folklore-Schmonzette aus dem Schottland des 16. Jahrhunderts, in der es um Hass und Treue, um Mut und Reue geht. Eigentlich erstaunlich, dass der so rationale Theodor Fontane sich diesem Thema gewidmet hat; aber er konnte sich offenbar auch nicht der grassierenden Walter-Scott-Begeisterung entziehen. Doch dass es dann auch noch 18,5 Strophen werden mussten!
Die Geschichte an sich konnte auf Dauer nicht fesseln, denn sie ist doch erheblich aus der Zeit gefallen. Trotzdem konnte man gespannt zuhören, denn nicht der Inhalt war hier das wirklich Interessante, sondern die Lösungen, die Gestaltungen. Denn die beiden Musiker nahmen die Ballade durchaus ernst als musikalische Herausforderung.
Vertonung von Goethe
Mit Hugo Wolf und seinen drei Harfner-Liedern wurde es dann ernst. Die Melancholie eines Menschen, der mit der Einsamkeit kämpft und schließlich resigniert, hat Goethe überzeugend in Worte gefasst und Hugo Wolf mit seiner psychologischen Komponierweise emotional verstärkt. Und Konstantin Krimmel und Ammiel Bushakevitz hatten die Ruhe, diese Stimmung mit feinsten Nuancierungen in der Dynamik und in den Klangfarben fühlbar werden zu lassen.
Franz Schubert über den göttlichen Zorn
Der Franz-Schubert-Teil begann gleich mit dem Höhepunkt: „Prometheus“, jenem Aufbegehren des Menschen gegen die Götter. Schon der Text von Goethe hat eine unglaubliche Kraft und Dramatik. Und Schubert hat dem Rechnung getragen, indem er den melodiegebundenen Bereich immer wieder verlassen hat, weil er meinte, dass damit die Wucht nicht mehr darstellbar sei. Er hat starke rezitativische Elemente eingebaut und sich damit die Möglichkeit geschaffen, die Brutalität des Textes mit harten akkordischen Sequenzen und Tremolopassagen spürbar zu machen.
Das nutzten Krimmel und Bushakevitz und trieben ihre Interpretation bis an die Grenzen des Machbaren. Man bekam eine ziemlich konkrete Ahnung vom göttlichen Zorn.
„Litanei auf das Fest Allerseelen“ war schöner Abschluss
Auch ohne den „Prometheus“ wäre der Schubert-Block eine spannende Sache geworden mit der starken Innerlichkeit bei „An den Mond“ oder fahlen Stimmung auf er „Fahrt zum Hades“, mit den drastischen Kontrasten in der „Gruppe aus dem Tartarus“ oder dem trotz starker Crescendi sehr lyrischen, in der Ferne verklingenden „Nachtstück“. Die „Litanei auf das Fest Allerseelen“ mit ihrer Bitte um Frieden war ein sehr schöner Abschluss.
Drei Zugaben mussten es schon sein: natürlich „Die Uhr“ von Carl Loewe ; dazu „Willkommen und Abschied“ von Goethe in der Fassung von Franz Schubert sowie „Belsazar“, eine Heinrich-Heine-Vertonung von Robert Schumann .
Lesen Sie mehr: