Als Russlanddeutsche (seit 1976 in Deutschland), Mitglied der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland und zertifizierte interkulturelle Trainerin habe ich Ihren Artikel erstmal mit Freude wahrgenommen. Ein Bericht über die ganze Seite! Das gibt es sonst eher selten.
Positiv ist auch, dass sich die Redakteurin so wie die beschriebenen Personen bemühen, einige Facetten aus dem russlanddeutschen Milieu zu beleuchten. Doch das misslingt leider, da hier einige Begriffe durcheinander gebracht werden.
Alle Personen werden zunächst als Russlanddeutsche bezeichnet, auch im Untertitel wird groß angekündigt: „Wie Russlanddeutsche sich integrieren ...“ doch im Text ist dann plötzlich die Rede von „gebürtige Russin“, „gebürtige Kasache, ... sein Deutsch ist gebrochen, geprägt vom typischen starken Akzent der Russlanddeutschen ...“, „Dass es im eher beschaulichen Bad Kissingen eine Menge Russlanddeutscher gibt, die ständig Ärger mit der Polizei haben ...“, „Ich kann auch Ängste vor den Russen versehen ...“, „Alle russischen Mütter ...“, „... russischen Aussiedler“, „russischstäm-miger Streetworker ...“.
Jetzt verstehe ich nicht mehr, um wen es in diesem Bericht geht. Sind wirklich die Russlanddeutschen gemeint oder geht es hier um alle russischsprachigen Migranten, also auch echte (ethnische) Russen, Kasachen und andere Nationalitäten der ehemaligen Sowjetunion sowie Russlanddeutsche?
Hier kommt es zu Vermischung mehrerer Nationalitäten: Ist eine Person Russe oder Kasache, dann bleibt sie auch in Deutschland Russe oder Kasache. Wenn sie die deutsche Staatsangehörigkeit annimmt, dann ist es ein deutscher Staatsbürger mit russischer oder kasachischer Abstammung. Also von der Nationalität ein Russe oder Kasache mit deutscher Staatsangehörigkeit aber niemals ein Russlanddeutscher.
In der Satzung der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland ist der Begriff „Russlanddeutscher“ im Paragraf 4 genau geregelt:
1. Russlanddeutscher ist ein Deutscher, der in den Grenzen der UdSSR von 1937 geboren ist.
2. Als Russlanddeutscher gilt auch ein Deutscher, der von mindestens einem russlanddeutschen Eltern- oder Großelternteil abstammt oder mit einem russlanddeutschen Ehegatten verheiratet ist.
Als Russlanddeutscher gilt auch ein Deutscher, der längere Zeit in dem im Paragraf 4, Absatz 1, bezeichneten Gebiet gewohnt hat und seine Verbundenheit mit der russlanddeutschen Volksgruppe bekundet.
Also ist es immer ein in der Sowjetunion oder in Nachfolgestaaten geborener Deutscher. Hier wird lediglich der Geburts- beziehungsweise Wohnort und nicht die Volkszugehörigkeit gewechselt. Denn diese Personen sind seit ihrer Geburt bereits Deutsche. Somit gibt es auch keine russischen Aussiedler, allerhöchstens Aussiedler aus Russland, denn das sind wiederum nichts anderes als Russlanddeutsche.
Und noch ein Punkt, der mich wegen „Vermischung“ grimmig stimmt. Viele Statistiken beweisen, dass Russlanddeutsche sogar weniger kriminell sind, als die einheimische Bevölkerung. In Ihrem Artikel wird aber genau das Gegenteil vermittelt. Wenn es um Vorurteile geht, sollten diese vom seriösen Journalismus doch überprüft werden.
Kein Wunder, dass Russlanddeutsche bei den „Biodeutschen“ keine Anerkennung finden, wenn nicht einmal in der seriösen Presse beziehungsweise im eigenen Milieu unterschieden wird. Gut gemeint ist eben noch lange nicht gut gemacht, sehen Sie doch selbst bei den Online-Kommentaren an, was das Ergebnis ist. Diese spiegeln die vom Artikel ausgehende Botschaft leider gut wieder.
Albina Baumann
97332 Volkach