Die Aussage ist eindeutig: „Wir haben auf die Nachfrage reagiert, und die resultiert aus den gesellschaftlichen Veränderungen“, sagt Jürgen Oswald, Betriebsleiter im Thoraxzentrum und im Haus Windsburg, der Eingliederungseinrichtung des Bezirks Unterfranken für Menschen mit chronischen Suchterkrankungen. „Es ist ein gesellschaftliches Problem, das Leben wird immer härter, immer mehr ist der Ellenbogen gefragt“, pflichtet sein neuer Stellvertreter, Uwe Brand, bei. „Im Moment haben wir sieben Leute auf der Warteliste“ sagt die Heimleiterin vom Haus Windsburg, Annette Schubert, dazu. Aber nicht mehr lange. Noch in diesem Jahr soll der Anbau mit 14 neuen Plätzen fertig werden, die ersten Nutzer ziehen Anfang 2014 ein. 2,5 Millionen Euro kostet die Erweiterung.
Eigentlich sind es sogar 18 neue Zimmer, erläutert Jürgen Oswald. Wegen interner Umzüge gibt es aber nur 14 neue Plätze. Untergebracht sind in dem Anbau auch die Verwaltung, Wirtschaftsräume, Sozialräume für die Mitarbeiter und ein kleiner Speisesaal.
Die Zimmer für die Patienten sind nach dem neuen Pflege-, Wohn- und Qualitätsgesetz ausgelegt. Es handelt sich ausschließlich um Einzelzimmer mit eigener Nasszelle. „Bei dem Krankheitsbild sind Einzelzimmer sehr wichtig“, sagt Uwe Brand. Durch den Anbau erhöht sich auch die Zahl der Beschäftigten von derzeit 14,3 Planstellen mit 23 Angestellten um 5,6 Planstellen mit acht Angestellten. „Das ist in der strukturschwachen Region, in der wir sind, sehr wichtig“, findet Uwe Brand. Und Jürgen Oswald fügt hinzu: „Der Bezirk versteht sich als sozialer Arbeitgeber.“ Die drei Verantwortlichen sind sich einig, dass die Erweiterung auch ganz klar eine Standortsicherung der Einrichtung in Münnerstadt bedeutet.
Die 14 neuen Betten im Anbau sind ausschließlich für Patienten im Übergangsbereich gedacht. Davon gibt es dann insgesamt 28. Im Langzeitbereich sind 25 Betten geschaffen worden. Insgesamt kann das Haus Windsburg nach der Erweiterung 53 Menschen mit chronischen Suchterkrankungen aufnehmen. Das Klientel hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Waren es früher fast ausschließlich Alkoholkranke, so sind es zunehmend Drogenabhängigkeit, aber auch Spielsucht und Medikamentenabhängigkeit, erläutert Annette Schubert. „Das geht fast immer mit einer psychischen Erkrankung einher“, sagt Jürgen Oswald. Und die Patienten werden immer jünger. Derzeit ist der jüngste Bewohner des Hauses gerade einmal 21 Jahre alt.
Meist kommen die Patienten aus den Bezirkskrankenhäusern in Werneck und Lohr. Weil Plätze in Unterfranken gefehlt haben, mussten sie oft in Einrichtungen beispielsweise in Oberfranken verlegt werden. Das ist ein Grund für die Erweiterung am Haus Windsburg.
In den Übergangsbereich kommen Patienten, die noch nicht hoffnungslos geschädigt sind. Fünf Jahre haben sie dann Zeit, sich wieder in ein halbwegs normales Leben eingliedern zu lassen. Läuft es gut, können sie danach oder während der fünf Jahre in einer Wohngruppe leben und bestenfalls sogar in eine eigene Wohnung in Münnerstadt ziehen. „Das kommt zwar nicht häufig vor, es ist aber schon passiert“, sagt Jürgen Oswald.
Diejenigen, die ihr Leben nicht mehr in den Griff bekommen, wechseln in den Langzeitbereich. Und das bedeutet nichts anderes, als dass sie bis an ihr Lebensende im Haus Windsburg wohnen werden. Diese Patienten sind gesundheitlich sehr stark angegriffen, können beispielsweise auch nur leichte Tätigkeiten ausführen, wie Lockenwickler fertigen. In beiden Bereichen gehört die Arbeitstherapie zum Alltag. Ganz wichtig ist die Einhaltung eines geregelten Tagesablaufes, so Jürgen Oswald.
Obwohl das Haus Windsburg erst einmal eine geschlossene Einrichtung ist, können die Bewohner auch Ausgang beantragen. „Los geht es mit einer halben Stunde in Begleitung“, erklärt Annette Schubert. Dann dürfen die Patienten auch einmal für fünf Stunden alleine los. „Wenn das gut läuft, gibt es einen Anspruch auf Tagesurlaub“, so die Heimleiterin. Und wenn das auch noch funktioniert, können die Bewohner einen Wochenendurlaub bekommen. Es funktioniert allerdings nicht immer. Rückfälle gibt es immer wieder.