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Mit dem Bus zum zweifelhaften Vitamin-Guru

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Mit dem Bus zum zweifelhaften Vitamin-Guru

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    Rührten für Dr. Rath auch im Wahlkampf die Werbetrommel: Ingo H.K. Anders (links, Bad Kissingen) und Armin Ottenweller (Schwärzelbach). In der
Fußgängerzone Bad Kissingen präsentierten sie sich im September mit einem Informationsstand.
    Rührten für Dr. Rath auch im Wahlkampf die Werbetrommel: Ingo H.K. Anders (links, Bad Kissingen) und Armin Ottenweller (Schwärzelbach). In der Fußgängerzone Bad Kissingen präsentierten sie sich im September mit einem Informationsstand. Foto: FOTO PETER RAUCH

    Ziel der groß angelegten Informationsveranstaltung ist es, Menschen für Raths Verschwörungstheorie gegen die deutsche Pharmaindustrie zu begeistern. Erfahrungsgemäß werden Hunderte kommen, um der Propaganda zu lauschen.

    Sie lautet in Kurzform: Herzkreislauferkrankungen, Krebs bis hin zu Aids sind keine echten Krankheiten, sondern die zwangsläufige Folge von einem Mangel an Vitaminen und anderen Biostoffen, welche die Zellen brauchen. Und wenn sie die nicht bekommen, dann wird das Organ krank.

    Statt der erwünschten Heilung gibt es auch schon mal bundesweit Schlagzeilen. So 2004 beim Tod des krebskranken Dominik, den Schulmediziner als unheilbar krank diagnostiziert hatten. "Pillenverkäufer" Rath (Der Spiegel) berichtete werbeträchtig von einer Heilung durch seine Mittel. Das Fernsehmagazin Report kritisierte die "Vermarktung eines traurigen Schicksals".

    "Anhaltspunkte dafür, dass die Medikamente wirken, haben wir nicht "

    Dr. Christian Steffen, Bundesinstitut für Arzneimittel

    Von dieser Kritik an Rath ist der 51-jährige Ottenweller völlig unbeeindruckt. Mehr noch: Er wertet gegenüber der MAIN-POST alle kritischen Berichte gegen Rath als Ausdruck der Medienmacht der Pharma-Industrie. Der gelernte Schreiner schwört auf konzentrierte Vitamingaben. Auf diese Weise sei eine bei ihm diagnostizierte Knochenschwäche verschwunden.

    Der Gefolgsmann von Rath sagt den Präparaten im Gespräch eine Reihe wundersamer Wirkungen nach. Nur ein Beispiel: Locker könnten durch Vitamine Raucherschäden ausgebügelt werden. Von einer weiteren Theorie ist Ottenweller überzeugt: "Jeder Vierte stirbt an Medikamenten." Dabei legt er Wert auf die Feststellung, dass er keine Diagnosen stellt, sondern nur "Weiterempfehlungen" ausspricht. Bei einer gelungenen Werbung gibt der arbeitslose "Berater" im Nebenerwerb nach eigenen Schilderungen seine Provisionsnummer an und bekommt "absolut vertraulich" einen Anteil an dem Geschäft. Sein Ziel sei es, ein Vertriebssystem in der Region aufzubauen.

    Werbung im Wahlkampf

    Geworben hatte Ottenweller gemeinsam mit dem Bad Kissinger "Berater" Ingo Anders für die Theorien Raths auch an einem Informationsstand der "Allianz für Gesundheit, Frieden und soziale Gerechtigkeit" vor der Bundestagswahl in Bad Kissingen. Mit der Aufstellung dieser Partei hatte Rath einen Coup gelandet, weil er über die Wahlwerbespots im Fernsehen eine Plattform für seine Vitamin-Weisheiten erhielt.

    Auch Ottenweller nützte der Wahlkampf in seiner Sache: "Ich habe nicht umsonst dagestanden", resümiert er. Einige Interessenten hätten sich nach der Kontaktaufnahme am Wahlstand Informationsmaterial schicken lassen. Fachleute warnen unterdessen vor den Hoffnungen, die Rath über die Einnahme seiner Präparate weckt. Es handele sich hauptsächlich um Vitamin C und Biostoffe wie Lysin und Prolin. Eine Dose kostet zwischen 18 und 42 Euro. Tausende Patienten glauben inzwischen, dass diese Präparate sie gesund machen können, berichtete zum Beispiel der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR).

    Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn ist für die Zulassung von Medikamenten in Deutschland zuständig. "Hier ist man von der Wirkung der ,Dr.-Rath-Pillen' nicht überzeugt", bestätigt Dr. Christian Steffen auf Anfrage der MAIN-POST: Mehr noch: "Anhaltspunkte dafür, dass sie bei Herzinfarkt oder Krebs wirken, haben wir nicht".  Lange hatte Steffen in Bonn auf einen Zulassungsantrag für die hochdosierten Vitaminpillen gewartet. Wegen der Konzentration an Wirkstoffen darin hätte es eine Zulassung für die Pillen gebraucht. Um diese Bedingung zu umgehen, wurde der Vertrieb über Holland organisiert.

    Inzwischen hat Rath die Zusammensetzung seiner Mittel gesenkt. "Sie enthalten nur noch das Dreifache des Tagesbedarfs", überschlägt der Medikamentenprüfer in Bonn die Vitaminkonzentration. Dies sei nicht mehr, als bei vielen Tabletten, die es im Supermarkt zu kaufen gebe.

    Seine Geschäfte betreibt Rath vom holländischen Ort Almelo aus. In einem Callcenter werden dort rund 400 000 Kunden betreut, heißt es auf der Internetseite des MDR. Der Jahresumsatz beträgt nach Schätzungen des Fernsehsenders 100 Millionen Euro.

    35 000 Berater  helfen nach Informationen des Senders bei der Vermarktung, werden von Rath mit Informationen über die Anwendung der Vitaminpräparate bei den unterschiedlichsten Krankheiten versorgt. In einer Rath-Broschüre wird behauptet, dass Patienten, die diesem Vitaminprogramm folgen, in der Regel keine Herztransplantation mehr brauchen und von der Warteliste für ein Spenderherz gestrichen werden.

    Auch dazu hat der MDR recherchiert. Mediziner, wie die Ärzte im nordrhein-westfälischen Herzzentrum, seien entsetzt über solche Behauptungen. Sie würden die Methoden von Rath "abenteuerlich" nennen. Auch die Schweizer Krebsliga kommt in einer Studie zu dem Schluss: "Es gibt keinen Beweis dafür, dass die von Rath verkauften Präparate (...) nützlich bei der Krebsvorbeugung sind." Für Rath und seine Anhänger sind das nur weitere Belege dafür, wie sehr Ärzte, Verbände und Medien von der Pharmaindustrie gesteuert werden, berichtet der MDR.

    Dabei legt es Rath selbst auf den Verkauf von Tabletten an. Laut Dr. Steffen vom Bundesinstitut für Arzneimittel komme man viel günstiger an jene Nährstoffe, die zum Beispiel in Raths Epican forte enthalten sind: Durch ein Frühstück mit einem Ei, einer Apfelsine und zwei Tassen Tee.

    Im Blickpunkt

    Rath-Dokumentation in der ARD
    Am 2. November 2005 sendet die
    ARD um 2145 Uhr die 45-minütige
    Dokumentation "Der Fall Dominik
    - vom Geschäft mit der Krebs-
    angst". Autorin ist Beate Klein. Die
    32-Jährige hatte schon in Report
    über den krebskranken, inzwischen
    verstorbenen Dominik berichtet.
    Dabei ging es um die umstrittene
    Behandlung mit Vitaminpräpara-
    ten von Dr. Matthias Rath als auch
    um die Vermarktung des Schicksals.

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