Ein Sommer ganz ohne Bierzelte? Undenkbar für Evi und Peter Öhrlein. Zu sehr war die Unternehmer-Familie aus Wittershausen wirtschaftlich von diesen Festen abhängig. "Das war die Grundlage unseres Geschäfts", sagt der 61-jährige Peter Öhrlein. Ende des Jahres schließen sie ihren Getränkevertrieb nach 40 Jahren Familientradition - "mit einem weinenden und einem lachenden Auge", so Evi Öhrlein, gerade 60 geworden.
Lachend, weil sie gemerkt haben, dass die Arbeit immer mehr an die körperliche Substanz ging, das Familienleben ständig zu kurz kam und ihre einzige Tochter Meike mit ihrer jungen Familie eine andere Lebensplanung hat als ihr Vater Peter und ihr Opa Herbert.
Familie musste sich zwischen Landwirtschaft und Getränkehandel entscheiden
Der hatte 1964 den kleinen Getränkehandel auf seinem Bauernhof gegründet. Als Fahrer der Euerdorfer Brauerei Romeis kannte der gebürtige Wittershäuser das Metier. Schnell wuchs die Firma im heimischen Hof, belieferte an die 50 Kundinnen und Kunden.
Und das alles zweigleisig. Denn neben den Getränken forderte auch die Landwirtschaft Zeit und Raum. Darum kümmerte sich in den Siebzigern Sohn Peter. Er lernte Landwirt, bildete sich zum Meister weiter - und nach seiner Heirat 1987 mussten die Familien entscheiden, welches der beiden Betätigungsfelder alle Beteiligten ernähren kann.
"Vollerwerb mit unserer kleinen Landwirtschaft war nicht die beste Option", erinnert sich Peter Öhrlein. Die beiden Familien haben auf den Getränkehandel gesetzt, ein 2000-Mann-Zelt gekauft, Biertisch-Garnituren und Kühlwägen erworben, die Scheunen sukzessive in Getränkelager umgebaut. "Alle mussten mithelfen. Meine Mutter Beate und mein Vater sowieso, meine Frau Evi, eigentlich Arzthelferin, hat sich ins Büro eingearbeitet", so Peter Öhrlein.
Großer Kundenstamm mit Vereinen, Privatleuten und Gastronomen
1993 hat der Junior den Getränkevertrieb samt Zeltverleih von einem Vater übernommen. Der Seniorchef ist weiter mit ihm und einem Mitarbeiter in Städte und in Dörfer gefahren, sie belieferten Gaststätten, Sportheime und Kurhäuser. Im Sommer haben sie Wochenende für Wochenende Bierzelte auf- und abgebaut, zu allen Unzeiten Getränke-Nachschub geliefert.
Und hatten einen respektablen Kundenstamm von 200 Vereinen, Privatleuten und Gastronomen akquiriert. "Uns spielte in die Karten, dass in den 90er Jahren Brauereien wie Wahler in Bad Kissingen und Werner in Poppenhausen ihren Betrieb einstellten. Da konnten wir flexibel Festbelieferungen übernehmen", sagt Peter Öhrlein.
Rakoczy-Fest in Bad Kissingen als große logistische Herausforderung
Ihr Geschäft boomte. Beim Rakoczy-Fest, bei der Abenteuer-Allrad-Messe, am Nüdlinger Bergfest, beim Steinacher Pfingstfest und bei unzähligen Vereinsfeierlichkeiten im Landkreis Bad Kissingen sah man das Öhrlein-Logo aus Wittershausen. "Unser Fokus lag auf dem Umkreis von 25 Kilometern um unseren Schlot. Damit sind wir gut gefahren in der 40-jährigen Familien-Tradition", betont Peter Öhrlein. Seit 2010 waren neben den Familienmitgliedern ("Mein Vater Herbert ist mit 80 noch den 18-Tonner gefahren") zwei feste Mitarbeiter angestellt.
Die größte logistische Herausforderung für den kleinen Betrieb wartete jedes Jahr am letzten Juli-Wochenende. "Rakoczy erforderte wochenlange Vorbereitung, an den drei Festtagen Verladen und Nachschub rund um die Uhr; an die zehn Stände mussten schließlich beliefert werden. Brutale Anspannung", erzählt Öhrlein.
Corona-Lockdown sorgt für Existenz-Ängste bei Peter Öhrlein
Alles haben sie gemeistert. Auch den Lockdown durch die Corona-Pandemie. "2020 hätte für uns das wirtschaftlich beste Jahr werden können. Die Auftragsbücher waren voll, wir hatten einen dritten Mitarbeiter eingestellt. Dann kam das Virus" Mit Schrecken erinnert sich Peter Öhrlein daran, dass die Gastronomie Fässer und Getränkekisten nach Wittershausen zurückgab. "Ohne unsere Rücklagen hätten wir Konkurs anmelden müssen. Da plagten mich schon Existenz-Ängste", gibt er zu.
Aber auch diese schwierige Zeit meisterten die Öhrleins mit ihrer positiven Lebenseinstellung. Als sie in den vergangenen Tagen ihren Kunden mitteilten, dass sie ihren Betrieb schließen, registrierten sie vielfach "Schockstarre". Doch die Öhrleins hatten von sich aus Ersatz angeboten, von Kollegen, die das Firmen-Equipment mittlerweile übernommen haben.

Evi und Peter Öhrlein haben sich persönlich bei ihren treuen Kunden und Mitarbeitern bedankt für das gegenseitige Vertrauen. Sie freuen sich, dass ihre beiden jungen Mitarbeiter Jonas Schäfer und Klaus Lippert jeweils Arbeit gefunden haben.
Was war nun mit dem weinenden Auge? "Einerseits bedauern wir das Ende der langen Familientradition. Die Wertschätzung unserer zahlreichen Kunden tat schon gut", sagt Evi Öhrlein. Andererseits aber freuen sie sich auf eine Zeit ohne größere Verantwortung, ohne ständige Termine im Hinterkopf und ohne berufliche Verpflichtungen gerade an den Wochenenden.
Also gibt es doch künftig Sommer ohne Bierfeste? "Definitiv. Das ist zwar komplett neu für uns. Aber wir können uns jetzt ganz auf unser Leben als Oma und Opa einlassen", freut sich Peter Öhrlein. Und augenzwinkernd fügt er an: "Und auf eine Abenteuer-Tour mit dem Motorrad."