Wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit unterlassener Hilfeleistung mussten sich ein Rentner (77) und sein 44-jähriger Sohn vor dem Bad Kissinger Amtsgericht verantworten. Der Nebenerwerbslandwirt hatte im Sommer 2021 seinen 73-jährigen Nachbarn krankenhausreif geprügelt. Anschließend hatten Vater und Sohn dem Verletzten die gewünschte Hilfe verwehrt.
Während der Senior zu acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und einer Geldauflage von 1200 Euro verurteilt wurde, erhielt sein Sohn wegen unterlassener Hilfeleistung eine Geldstrafe in Höhe von 1500 Euro. Beide müssen die Kosten des Verfahrens tragen.
Immer wieder Streitigkeiten
Schon früher war es immer wieder zwischen dem Angeklagten und seinem Nachbarn, der ein direkt angrenzendes Ackerstück bewirtschaftet, zu Streitigkeiten gekommen. Am Tag der Prügelei blockierte der 77-Jährige mit seinem Schlepper die Zufahrt auf den gemeinsam zu nutzenden Feldweg, so dass der Nachbar nicht vorbeifahren konnte. Statt den Weg freizumachen, wollte sich der Angeklagte entfernen. Deshalb stieg der Nachbar von seinem Schlepper ab, um – so seine Aussage vor Gericht – zu Fuß zu einem ihm ebenfalls gehörenden Waldstück zu gehen.
Angeklagter: Schläge ja, Tritte nein
„Er kam auf mich zu. Ich fühlte mich bedroht“, versuchte nun der Angeklagte vor Gericht sein Einprügeln auf den Nachbarn als Notwehr darzustellen. Er gab zu, ihm mit der Faust ins Gesicht geschlagen zu haben, dass dieser zu Boden ging. Die ihm von der Staatsanwaltschaft vorgeworfenen nachfolgenden Fußtritte gegen das am Boden liegende Opfer bestritt er. Der Geschädigte sei aufgestanden und fortgegangen. „Hilfe hat er keine gebraucht.“ Der wegen unterlassener Hilfeleistung ebenfalls angeklagte Sohn machte keine Aussagen zum Tathergang.
Geschädigter: Tritte mit Stahlkappen gegen den Kopf
„Nachdem ich schon am Boden lag, hat er mich zweimal an den Hinterkopf getreten“, erklärte der Geschädigte als Zeuge, der mit seiner Anwältin auch als Nebenkläger vor Gericht auftrat. Während der Angeklagte zuvor ausgesagt hatte, er habe damals nur „normale Halbschuhe“ angehabt, sprach sein Opfer ausdrücklich von Arbeitsschuhen mit Stahlkappen.
Wüste Drohungen
Danach habe der Angeklagte ihn noch in den Rücken getreten. „Dich erschlage ich“, habe er ihm gedroht. Nachdem er mühsam aufgestanden sei, habe er um ärztliche Hilfe gebeten. Da habe der Angeklagte nur gelacht und sich mit seinem Sohn entfernt. Da er selbst nicht mehr seinen Schlepper fahren konnte, sei er hilfesuchend zur Landstraße gegangen, wo er von einem Auto aufgenommen und zur Behandlung ins Krankenhaus gebracht wurde.
Zivilprozesse bereits 2022
Monate später wurde der Schwiegersohn des Opfers, der ebenfalls vor Gericht aussagte, vom Angeklagten angesprochen. „Er war sehr erregt. Ich habe ihn noch nie so erlebt“, berichtete der Zeuge. „Das nächste Mal schneide ich ihm die Kehle durch“, habe der Angeklagte seinem Schwiegervater ausrichten lassen. Daraufhin kam es 2022 zu einem Zivilprozess. Beide sollen sich aus dem Weg gehen, war eine Auflage, woran sie sich seitdem auch halten.
Die Staatsanwältin sah nach der „ohne Belastungseifer“ vorgetragenen Aussage des Geschädigten alle Vorwürfe bestätigt. Das Opfer leide heute unter Belastungsstörungen und sein Hörvermögen habe sich nach dem Gutachten der Universitätsklinik Regensburg verschlechtert. Sie forderte für den Vater eine Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung, da dieser noch nicht vorbestraft sei, und eine Geldauflage von 1200 Euro, sowie für den Sohn wegen unterlassener Hilfeleistung eine Geldstrafe von 1500 Euro. Die Anwältin des Opfers verzichtete auf einen eigenen Strafantrag, schloss sich als Nebenklägerin den Argumenten der Staatsanwältin an und verwies zudem auf die Brutalität der Handlung: „Mein Mandant hatte Todesangst.“
Der Verteidiger des 77-Jährigen meinte: „Dem Geschädigten wird vor Gericht immer mehr geglaubt als dem Angeklagten .“ Die Verschlechterung des Hörvermögens beim Opfer wollte er nicht akzeptieren: „Das erste Gutachten ist von 2008, das zweite von 2022, da ist eine Verschlechterung nicht verwunderlich.“ Auch er verzichtete auf einen eigenen Strafantrag.
Verteidiger fordert Freispruch für den Sohn
Sein Kollege, der den mitangeklagten Sohn vertrat, forderte Freispruch für seinen Mandanten: „Er hat hinter seinem Schlepper vom Vorfall überhaupt nichts mitbekommen. Hilferufe des Opfers wurden von diesem nicht bezeugt.“ Ein Hilfsbedürfnis sei nicht erkennbar gewesen, da der Geschädigte zu Fuß weitergegangen sei.
Belastungsstörung bleibt
Die Richterin folgte aber der Argumentation der Staatsanwältin. Sie sprach sowohl den Rentner als auch seinen Sohn schuldig im Sinne der Anklage. Ob sich das Hörvermögen verschlechtert habe oder nicht, sei nicht relevant. „Die festgestellten Belastungsstörungen waren vorher jedenfalls nicht da.“ Der Geschädigte habe vor Gericht keinen Belastungseifer gezeigt, weshalb seine Schilderung des Tathergangs glaubhaft war. Trotz der ausdrücklichen Bitte um ärztliche Hilfe, hätten Vater und Sohn diese dem Opfer verweigert, seine Hilflosigkeit in Kauf genommen und seien einfach fortgegangen.
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