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Bad Kissingen: Neue Bäcker-Filialen, in denen nur altes Brot verkauft wird: Sind die Kunden öko oder arm, Herr Schmitt?

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Neue Bäcker-Filialen, in denen nur altes Brot verkauft wird: Sind die Kunden öko oder arm, Herr Schmitt?

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    Johannes Schmitt in der Backstube des Unternehmens im Bad Kissinger Stadtteil Reiterswiesen mit den frischen Broten, die vielleicht auch ihren Weg in die Vortagsläden finden. 
    Johannes Schmitt in der Backstube des Unternehmens im Bad Kissinger Stadtteil Reiterswiesen mit den frischen Broten, die vielleicht auch ihren Weg in die Vortagsläden finden.  Foto: Torsten Leukert

    Sie sind einzigartig in den Landkreisen Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld: Die Bäckerei Peter Schmitt hat drei sogenannte "Vortagsläden", in denen Kundinnen und Kunden nur Brote, Brötchen oder Gebäck vom Vortag bekommen. Angefangen hat alles 2005 mit dem ersten Vortagsladen der Bäckerei, der mittlerweile vom Jawoll Markt im Gewerbegebiet Reiterswiesen in die Norma in der Bad Kissinger Innenstadt gezogen ist. Daneben gibt es seit 2016 eine Filiale in Sennfeld (Lkr. Schweinfurt) und seit kurzem eine in Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld).

    Warum es eigene Läden für altes Brot braucht, was früher mit den Backwaren gemacht wurde und warum seine Kundschaft auch aus Überzeugungstätern besteht, erklärt der 44-jährige Geschäftsführer der Bäckerei, Johannes Schmitt, im Interview.

    Frage: Was haben Sie heute gefrühstückt – frisches oder altes Brot?

    Johannes Schmitt: Zwei Tage altes Brot. Ich bin mit frischem Brot ja gut versorgt, aber bei uns daheim wird viel Wert darauf gelegt, dass das Brot aufgegessen wird. Der alte Knorzen, der am Ende auch einmal übrig bleibt, kommt in die Pferdekiste. Bei uns fliegt nichts in die Tonne.

    Sie eröffnen momentan "Vortagsläden", in denen ausschließlich Backwaren vom Vortag verkauft werden. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

    Schmitt: Wir machen uns schon immer viele Gedanken darüber, wie wir die unverkaufte Ware sinnvoll verwenden können. In der Bäckerei wird über Warendruck und Angebot verkauft, es muss also eine gewisse Menge in der Auslage vorhanden sein. Dadurch bleiben am Ende des Tages aber zwischen zehn und zwölf Prozent der Ware übrig.

    Was ist bisher mit diesen Produkten passiert?

    Schmitt: Wir verwerten die Retoure zum Beispiel durch sogenanntes 'Rework'. So vermahlen wir altes Brot, was wieder in die Produkte einfließen kann. Normale Brötchen werden als Semmelmehl oder Knödelbrot wiederverwendet. In vier Landkreisen bedienen wir auch die Tafeln; im Landkreis Würzburg sind wir bei der App 'Too good to go' vertreten. Manches wird auch zu Tierfutter. Darüber hinaus bleibt ein großer Anteil Backware übrig, bei dem wir uns die Frage stellen 'Wie wertig ist die?'

    Und was ist Ihre Antwort darauf?

    Schmitt: Brot am zweiten Tag ist in keinem Fall ein stark wertgemindertes Produkt. Ich als Bäckermeister sage sogar, dass ein gutes handwerkliches Brot erst dann das Schmecken anfängt.

    Deshalb nun die Idee Ihrer "Vortagsläden"?

    Schmitt: Das ist kein neues Konzept. Wir betreiben diese Läden mittlerweile seit 15 Jahren. Wir haben uns aber im vergangenen Jahr Gedanken gemacht, wie wir das Konzept relaunchen können, um die Wertigkeit der Produkte zu unterstreichen.

    Sie könnten diese Backwaren auch in den normalen Filialen mit anbieten. Warum braucht es neue Läden für altes Brot?

    Schmitt: Uns ist es wichtig, dass wir als qualitativ hochwertiger Handwerksbäcker wahrgenommen werden. Ich sehe ansonsten schon eine Schwierigkeit in der Warenpräsentation. Deshalb haben wir uns für eine klare Trennung der Produkte entschieden, sodass es nicht zu Verwechslungen kommt. Ich glaube, dass sich beide Konzepte gut ergänzen können.

    Wie haben Sie dies geplant?

    Schmitt: Wir haben uns viele Gedanken gemacht, dass wir aus logistischer Sicht keinen längeren Fahrtweg haben. Bei der Anlieferung an unsere Standorte werden die Retouren mitgenommen, kommissioniert und auf die Vortagsläden verteilt. Wir müssen damit arbeiten, was am Vortag übrig geblieben ist. Das lässt sich schwer kalkulieren und ist mit dem Risiko verbunden, dass die Vortagsware auch schon einmal um 14 Uhr aus ist. Das gehört zum Charakter solch eines Standortes dann dazu.

    Das Sortiment ist also Glückssache?

    Schmitt: Nicht unbedingt. Wir kennen natürlich unsere gefragtesten Artikel und haben in der Regel von diesen immer Ware vom Vortag übrig. Zudem sind die Waren auch günstiger.

    Am wichtigsten wird sein, dass es noch schmeckt.

    Schmitt: Das tut es, sonst würden wir uns auch nicht trauen, mit so einem Konzept auf den Markt zu gehen. Ich war in den Faschingsferien im Urlaub und wir haben Brote mitgenommen, die wir über sieben Tage verzehrt haben. Am Ende haben wir uns damit beschäftigt, was man noch aus Brot machen kann. Dann wurde es eben mit Knoblauch angeröstet und mit Hackfleisch und Käse überbacken.

    Hauptsache nicht wegschmeißen?

    Schmitt: Es ist ja nicht nur im Bereich der Backware so, dass große Mengen an Lebensmitteln entsorgt werden. Es betrifft den Lebensmittelsektor insgesamt. Wie viele Bananen finden aufgrund des falschen Krümmungsgrades gar nicht den Weg zu uns?

    Der Anspruch der Kundinnen und Kunden ist hoch?

    Schmitt: Die Ansprüche sind gestiegen. Wir reden aber auch viel über Nachhaltigkeit und müssen dann so ehrlich sein und prüfen, wie wir das gut hinbekommen.

    Eine Frage in Bezug auf die neuen Vortagsläden ist doch auch, ob die Kundschaft besonders öko oder besonders arm ist.

    Schmitt: Nein, das ist kein Faktor und darauf zielen wir auch nicht ab. Dort kaufen alle Bevölkerungsschichten ein. Es gibt viele, die dort aus Überzeugung kaufen, weil die Produkte eben am zweiten Tag auch noch eine Qualität haben.

    Beschäftigen sich die Menschen in ihren Augen mehr mit dem Thema?

    Schmitt: Es ist ein Konzept, das in die Zukunft gedacht werden muss. Wenn wir kein Bewusstsein schaffen, wird das nicht passieren.

    Sehen Sie als Lebensmittelproduzent das als Ihre Aufgabe an?

    Schmitt: Es gibt viele Menschen, die sich Gedanken über Nachhaltigkeit machen. Ich glaube, dass vieles im Kleinen anfängt.

    Also daheim in der eigenen Küche.

    Schmitt: Genau. An der Stelle, wo man zuhause bei sich Wert darauf legt, Produkte vollständig zu verwerten. Wenn man sich die Zahlen ansieht, belegen die klar, dass an vielen Stellen das notwendige Bewusstsein fehlt – sonst würden wir nicht so viele Lebensmittel wegschmeißen. Das passiert natürlich im Supermarkt, der Gastronomie, der Bäckerei genauso wie in jedem Privathaushalt. Das ist schon erschreckend, was alles weggeschmissen wird.

    Geschäftsführer Johannes Schmitt beim Interview in der Zentrale des Unternehmens in Reiterswiesen.
    Geschäftsführer Johannes Schmitt beim Interview in der Zentrale des Unternehmens in Reiterswiesen. Foto: Torsten Leukert

    Ist dieses Umdenken ein Trend in der Branche?

    Schmitt: Für uns ist es kein Trend, weil wir dies schon lange betreiben. Es war aber an der Zeit, das Thema neu aufzugreifen. Wir brauchen einen sinnvollen Umgang mit der Backware, der vom Kunden auch wertgeschätzt wird.

    Sie sind aber letztendlich Unternehmer.

    Schmitt: Zweifelsohne ist es auch immer ein unternehmerisches Risiko. Wenn ich unsere Unternehmensberatung zu dem Thema 'Vortagsladen' gefragt hätte, hätten sie ganz klar davon abgeraten. Die Läden werden aus Kostengründen natürlich nie in der Bestlage in der Fußgängerzone existieren und vielleicht verlieren wir auch den ein oder anderen Kunden beim konventionellen Einkauf. Aber ich glaube, dass sich die Filialen ergänzen.

    Was ist also Ihr unternehmerisches Ziel?

    Schmitt: Es kommt darauf an, wie gut wir die Läden zum Laufen bekommen. Aber das grobe Ziel ist, dass wir am Ende so wenig wie möglich wegschmeißen und eine sinnvolle Kreislaufwirtschaft hinbekommen. Wir setzen auf die 'Ährenrunde'.

    Den Begriff müssen Sie bitte erklären.

    Schmitt: So haben wir die Filialen genannt. 'Ährenrunde' ist abgeleitet von Ehrenrunde, das heißt unsere Backwaren drehen eine zweite Runde in der Filiale. Weil die Ähre einen deutlichen Bezug zur Backware herstellt und wir verdeutlichen wollen, dass die Produkte auch am zweiten Tag noch eine Chance verdient haben.

    Das UnternehmenIn dritter Generation führt Johannes Schmitt (44) die Bäckerei "Peter Schmitt" mit Hauptsitz im Bad Kissinger Stadtteil Reiterswiesen. Die Bäckerei ist in den sechs Landkreisen Bad Kissingen, Rhön-Grabfeld, Schweinfurt, Main-Spessart, Würzburg und Kitzingen an insgesamt 50 Standorten vertreten – drei davon sind Vortagsläden.Quelle: jsc

    Dieser Text wurde aktualisiert, in Unterfranken gibt es bereits "Vortagsläden", allerdings gab es bislang keine in den Landkreisen Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld.

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