Wer’s noch nicht wusste: Bismarck war auch nur ein Mensch, zumindest bevor er in die Politik ging. Während seines Jurastudiums und der Referendarzeit feierte er wild und gab sich dem Trunke hin. Er bezirzte recht fleißig die feinen Damen der Gesellschaft und brachte sein Geld immer mal im Spielcasino durch.
Es gab Duelle mit ihm – Bismarck galt als einer der besten Fechter in seinem Studienort Göttingen - und sogar von Haftstrafen im Universitätsgefängnis, dem sogenannten Karzer, war damals die Rede. Eine rundum schillernde Persönlichkeit also, die später auch in Kissingen tiefe Spuren hinterlassen sollte.

Nicht dass die gerade veröffentlichte Online-Biografie der Otto-von-Bismarck-Stiftung, die von all diesen Ereignissen berichtet, sich nur der lasterhaften Seite des jungen Studenten der Jurisprudenz widmen würde. Nein, auch dem politischen Wirken des bedeutenden deutsch-preußischen Staatsmannes wird umfangreich Rechnung getragen.
Ein unruhige Geist, den es stets in die Welt hinaustrieb
Aber die Mischung macht’s: Da ist der lebensbejahende, wilde Junker, der sich 1837 offenbar unsterblich in die 17-jährige Britin Isabella Loraine-Smith verknallt, die er auch zunächst zu heiraten gedenkt. Und dann kommt die Verwandlung hin zum staubtrockenen, preußisch-korrekten Staatsmann, der nur noch mit der politischen Elite verkehrt. Und wie es sich gehört, heiratete er 1847 dann auch die sittsame Johanna von Puttkammer, eine Tochter aus einflussreichen Kreisen.

Interessant ist es, online über seine Reisen zu lesen, denn Bismarck war offensichtlich – auch außerhalb seiner Staatsgeschäfte – ein unruhiger Geist, pendelte zwischen seinen Wohnsitzen und Dienstorten, unternahm kurze Jagdausflüge und trat immer wieder auch lange Reisen an, um Politiker und Monarchen zu treffen oder einfach privat Europa zu erkunden.

Zu Bismarck gehört auch Bad Kissingen – und das schon seit rund 150 Jahren. Denn im Sommer 1874 reiste der Reichskanzler, zusammen mit seiner Frau Johanna und Tochter Marie, zum ersten Mal hierher zur Kur – und kam bis 1896 noch 14 Mal.
In der Oberen Saline entstand das "Kissinger Diktat"
Kein Wunder also, dass man dem berühmten Kurgast heute noch immer überall in der Stadt begegnet, allem voran im Bismarck-Museum in der Oberen Saline. Dann geht’s aber meist um den Politiker, der selbst von seinem Kissinger Kur-Domizil aus das Weltgeschehen mitzubestimmen suchte. Hier diktierte Bismarck beispielsweise 1877 seinem Sohn Herbert die Grundsätze seiner Außenpolitik in die Feder (Kissinger Diktat).

Ebenfalls in Kissingen baldowerte der große Staatenlenker 1880, zusammen mit seinem Reichskanzleramtspräsidenten, die Grundlagen der modernen Sozialgesetzgebung aus. Am 15. Juni 1883 wurde im Reichstag schließlich ein Gesetz über die Krankenversicherung für Arbeiter (aber nicht für Angestellte) verabschiedet.

Erst als Reichskanzler kam Bismarck nach Kissingen
Alles in allem zwar nichts Neues. Der historische Stoff wird aber in dieser digitalen Aufbereitung der Otto-von-Bismarck-Stiftung neu angeordnet und frisch belebt. So nimmt es nicht Wunder, dass zwischen all den knöchernen, historischen Daten und Fakten plötzlich auch hie und da die menschlichen Stärken und Schwächen des seinerzeit hochverehrten Staatsmannes aufblitzen.
Auch die 15 Kuraufenthalte Bismarcks im damaligen Kissingen sind in der Biografie beschrieben. Schon als preußischer Ministerpräsident hatte er mit dem Kuren angefangen. Zunächst war er im böhmischen Karlsbad oder in Gastein zu Gange gewesen. Er erholte sich aber auch gern auf der Insel Norderney und im Seebad Ostende, in Wiesbaden und Nauheim, auf Rügen und im französischen Trouville, in Baden-Baden und Reichenhall.
„Nächst Gott verdanke ich mein gutes Befinden und meine Gesundheit meinem Schweninger und Kissingen“
Reichskanzler Otto von Bismarck im Jahr 1890
Erst als Reichskanzler, also nach 1871, zog es ihn dann wiederholt nach Kissingen. Warum weiß keiner so genau. Freilich sagte man den Kissinger Quellen große Heilkraft nach und der Ort hatte einen sehr guten Ruf. Aber vielleicht war auch dies für den Naturliebhaber Bismarck stets verlockend: König Ludwig II. von Bayern stellte dem Reichskanzler in der Badestadt stets Pferde zur Verfügung.

Offenbar hatte Bismarck auch seine ganz eigene Sichtweise der Dinge, um die vielleicht nur er wusste. Denn er schien fest davon überzeugt, dass nicht nur sein Leibarzt Ernst Schweninger, sondern auch das Verweilen in der Saalestadt für ihn stets Heilung bedeutete. Im August 1890 brachte er dies auch öffentlich bei hiesigen Bürgerinnen und Bürgern zu Gehör: "Nächst Gott verdanke ich mein gutes Befinden und meine Gesundheit meinem Schweninger und Kissingen."
Zunächst wohnte Bismarck in der Saalestraße (heute Bismarckstraße), wo ihm auch gleich bei seinem ersten Aufenthalt im Juli 1874 der Attentäter Eduard Kullmann auflauerte und mit der Pistole auf ihn feuerte. Bismarck wurde aber zum Glück lediglich an der rechten Hand und im Gesicht verletzt.
Als die Saalestraße zur Bismarckstraße wurde
Diesen Vorfall nahm er zum Anlass, ab seinem zweiten Aufenthalt in der Stadt in der früheren fürstbischöflichen Kurresidenz bei Hausen zu logieren. 1877 war dort auch sein Sohn Herbert mit von der Partie und 1883 und 1885 durfte, neben seiner Frau und Tochter, auch sein anderer Sohn Wilhelm mal mit.

1893 war Bismarck, zusammen mit seiner Frau, ein letztes Mal in Bad Kissingen. Da war schon klar: Bismarck ist schwerkrank und wird wohl nicht mehr wiederkommen. Damals beschloss der Magistrat der Stadt Bad Kissingen am 10. August, also noch während Bismarck hier kurte, die Saalestraße in Bismarckstraße umzubenennen. Denn laut Bürgermeister Theobald von Fuchs müsse gerade die Straße, in welcher der Reichskanzler bei dem Attentat 1874 aus großer Gefahr gerettet wurde, nun nach ihm benannt werden.
Wer sich also bislang drum herumgedrückt hat, sich mal in eine dieser inhaltsschweren biografischen Schinken über den großen Staatenlenker hinein zu versenken, dem sei diese übersichtliche und höchst spannende Online-Version ans Herz gelegt. Denn hier kann man kursorisch lesen, also selbst lenken, was einen so an dieser schillernden Persönlichkeit interessiert.
Infos: www.bismarck-stiftung.de. Die frei zugängliche Website findet man unter www.bismarck-biografie.de.