Wie schafft es ein Ehepaar, 60 Jahre gemeinsam zu überstehen? „Man muss nur die richtige Frau suchen und heiraten“, lächelt Karl-Heinz Weingärtner, „in guten und in schlechten Tagen zusammenhalten – und natürlich alt genug werden.“
Der 86-Jährige weiß, wovon er spricht: Er und seine Else feiern am heutigen Dienstag diamantene Hochzeit. Vor 60 Jahren haben sie in ihrer Heimat Lohr standesamtlich geheiratet, tags darauf kirchlich im Kloster Maria Buchen. Deshalb feiern sie ihr Ehejubiläum auch (am übernächsten Wochenende) in Lohr: zusammen mit ihren sechs Kindern Ulla, Walter, Horst, Karl-Heinz, Inge und Thomas sowie 14 Enkeln und drei Urenkeln.
Das Leben der beiden ist typisch für die Verhältnisse der letzten Kriegsjahre. Karl-Heinz Weingärtner wurde 1943 als 16-Jähriger mit seiner Klasse der Oberrealschule am Sanderring Würzburg (jetzt Röntgen-Gymnasium) als Luftwaffenhelfer nach Schweinfurt eingezogen. Dort erlebte er die schweren Bombenangriffe auf die Kugellager-Fabriken, auch den „Black Thursday“, den Schwarzen Donnerstag am 14. Oktober 1943, an dem die Amerikaner im Abwehrfeuer der von den Luftwaffenhelfern bedienten Flugabwehrkanonen 60 Flugzeuge und 600 Mann Besatzungen verloren.
1944 wurde er, damals schon begeisterter Segelflieger, zur Luftwaffe eingezogen, zum Fallschirm-Panzerjäger ausgebildet und nach Monte Cassino abkommandiert, wo eine der grausamsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs tobte. Grade mal 18 Jahre alt geworden, war Weingärtner einer der wenigen Überlebenden seiner Kompanie, die in englische Kriegsgefangenschaft geriet.
Er wurde in ein Gefangenenlager nach Ägypten gebracht, in der Wüste zwischen Suez und Ismailia. „Meine Eltern erfuhren erst ein halbes Jahr später, dass ich den Krieg lebend überstanden hatte“, erzählt er. Nach drei Jahren durfte er heimkehren.
Nach einer Lehre als Elektriker bei der damaligen Überlandwerk Unterfranken AG (ÜWU) arbeitete er in der Transformatorenwerkstatt des ÜWU in Lohr, wo er seine Frau kennenlernte. Elisabeth Zeitz war 1944 zum Landdienst in Sommerhausen verpflichtet worden, da viele der Landwirte entweder noch beim Militär, bereits gefallen oder vermisst waren. Von Sommerhausen aus sah sie nach dem englischen Bombenangriff am 16. März 1945 das brennende Würzburg. Da die inzwischen auf dem Truppenübungsplatz Wildflecken stationierten Amerikaner 1951 dringend Elektriker suchten und einen höheren Stundenlohn zahlten, wechselte Karl-Heinz Weingärtner den Arbeitgeber. Zu seiner Else, die in einem Lehrer-Haushalt als Mädchen für alles tätig war, fuhr er jedes Wochenende von Wildflecken nach Lohr – mit dem Motorrad, das er sich vom ersten Lohn gekauft hatte. Nach einer damals noch üblichen zweijährigen Verlobungszeit heirateten die beiden 1953 und mieteten in Wildflecken eine kleine Wohnung im Haus von Lehrer Schumm neben der Kirche.
Diese wurde schnell zu klein für die bald sechsköpfige Familie. Die Weingärtners bauten 1960/1961 das Haus in der Reußendorfer Straße 9, in dem sie bis heute leben, und in dem auch die beiden Nachzügler aufwuchsen. „Heute können sich wahrscheinlich nur wenige Leute vorstellen, wie eine Mutter mit sechs Kindern – in den 50er Jahren noch ohne Waschmaschine, ohne Wegwerfwindeln und ohne Hilfe von Verwandten – den Haushalt bewältigte“, erzählt Karl-Heinz Weingärtner anerkennend.
Er selbst absolvierte einen Elektrotechniker-Fernlehrgang, machte 1955 den Meister. Dank seines Schulenglisch, das er in Gefangenschaft perfektioniert hatte, und seiner Erfahrung mit Stromnetzen arbeitete er sich hoch zum Leiter der Elektrowerkstatt und später zum Chef der gesamten technischen Ver- und Entsorgung des US-Lagers Wildflecken, bis er in Rente ging.
Segelfliegen betreibt Weingärtner nur noch als Co-Pilot. Seine weiteren Hobbys Schwimmen, Skilanglauf und Klavierspielen pflegt er noch aktiv. Elsa betreut die Enkel und den Garten, baut Gemüse an und bäckt seit Jahrzehnten selbst Brot. Vielleicht ist es diese gesunde Ernährung, die beide hat so alt werden lassen, dass sie jetzt Diamantene feiern können.