Lars Nieberg ist in der großen Welt des Reitsports zuhause. Mannschafts-Gold hat der 59-Jährige gewonnen bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta und 2000 in Sidney. Ins beschauliche Detter hatte sich der hochdekorierte Springreiter aber keineswegs verirrt. „Für mich ist das hier wie ein Kurzurlaub“, sagt Nieberg. Was keinen Widerspruch darstellt zu den sportlichen Ambitionen, die der 50-fache Nationenpreisteilnehmer mit zum Springturnier auf dem Reiterhof Rhön gebracht hat. Gemeinsam mit Gattin, Sohn Gerrit, der wenige Tage zuvor noch beim Großen Preis von Hamburg triumphierte, und einer Pflegerin kam Nieberg in die unterfränkische Provinz. Und mit sechs Pferden, die in unterschiedlichen Prüfungen an den Start gingen.
„Das ist hier ein sehr familiäres Turnier mit hervorragenden Bedingungen und einer schönen Landschaft. Eine angenehme Abwechslung zum sonstigen großen Turnierzyklus, der manchmal etwas unpersönlich ist. Man trifft hier auch immer gute Bekannte, die man schon länger nicht mehr gesehen hat“, sagt Lars Nieberg, der in Münster einen großen Betrieb leitet mit 150 Pferden. Sein Chef: der Münsteraner Unternehmer Hendrik Snoek, einst selbst ein äußerst erfolgreicher Springreiter .
„Den Job muss man lieben und mit Leidenschaft ausüben. Da hat man eine Siebentage-Woche. Über Diskussionen wie eine 35- oder 40-Stundenwoche lache ich mich kaputt“, sagt Nieberg, der selbst noch oft im Sattel sitzt, wenngleich nicht mehr bei den großen Prüfungen, die mittlerweile Filius Gerrit reitet. Mal mit, mal ohne Begleitung des Vaters. „Gerrits Ziel ist es, mit Ben für die Europameisterschaften nominiert zu werden. Da muss in der Vorbereitung und bei den Sichtungsturnieren alles passen“, sagt der Vater. Mit jenem Wallach also, mit dem der 29-Jährige im vergangenen Jahr den Großen Preis von Aachen gewonnen hatte.
In Detter bringen die Niebergs vor allem junge Pferde an den Start. „Wir haben hier keine große Gewinnerwartung, aber genügend Einsatzmöglichkeiten für unsere Pferde, um diese im Idealfall für den internationalen Sport aufzubauen“, sagt Lars Nieberg. Analysen, mitunter per Videoaufnahmen, gehören zum Tagesgeschäft. Wie auch Gespräche mit Pferdehändlern. Nicht zu kurz kommt der Smalltalk mit den Sportlerinnen und Sportlern, die für gute Runden im Parcours schon mal ein Lob vom Olympiasieger einheimsen.
Höhepunkt der viertägigen Veranstaltung mit gleich mehreren gut dotierten S-Springen war die finale Springprüfung der Klasse S** mit Siegerrunde. Und da hätte es fast einen Sieg der Lokalmatadorin gegeben. Auf „Uriel“ musste sich Eva-Maria Müller von der RSG Reiterhof Rhön nur Elisabeth Meyer (RV Hüttental) geschlagen geben. Beide waren im ersten Umlauf und in der Siegerrunde fehlerlos geblieben, sodass die Zeit den Ausschlag gab. Mit Sabrina Berger (RSG Amberg-Köfering) und Christiane Hoffmann (Wiesbadener RFC) landeten weitere Reiterinnen auf den nächsten Plätzen. „Elisabeth Meyer ist mit einem sensationellen, fehlerfreien Durchgang die verdiente Siegerin im Großen Preis von Detter . Aber auch die Lokalmatadorin Eva-Maria Müller hat eine herausragende Leistung gezeigt. Die Leistungen der Reiterinnen an der Spitze waren beeindruckend“, sagte Kommentator Carsten Sostmeier, dessen markante Stimme nicht nur Reitsport-Experten von TV-Übertragungen kennen.
Der Hesse war in jungen Jahren selbst erfolgreicher Reiter und gilt aus ausgewiesener Experte. „Das Publikum in Detter hat ein ganz feines Gespür für Pferde und Reiter. Es belohnt auch die Teilnehmer, die ihre Tiere schonen und auf ihren Durchgang verzichten, mit ganz viel Applaus. Man merkt, dass man es mit vielen fachkundigen Zuschauern zu tun hat. Das Turnier ist, wie immer, erstklassig besetzt mit deutschen, aber auch internationalen Spitzenreitern“, so Sostmeier vor Ort.
Zu den Höhepunkten der bestens organisierten Veranstaltung gehörte die Verleihung des Goldenen Reitabzeichens an Eva-Maria Müller durch den Staatssekretär a.D. Gerhard Eck . Seit gut einem Jahr ist der Unterfranke aus Donnersdorf Präsident des Bayerischen Reit- und Fahrverbandes. Um dieses Reitabzeichen zu erlangen, sind – in der Dressur oder im Springen – zehn Siege auf S-Niveau erforderlich. Über die vier Tage verfolgten mehrere tausend Besucher die Prüfungen. Das alles bei herrlichem Wetter. Lediglich der böige Wind war eine Herausforderung. Vor allem für die Pferde. Und ganz besonders für einen Hund, der – angebunden an einem Sonnenschirm – tatsächlich mit diesem abhob, aber wieder sanft landete. So ein bisschen wie der „fliegende Robert“ aus dem Struwwelpeter. „Das Turnier der Familie Müller ist familiär und hochklassig zugleich. Es bietet die Chance, erstklassigen Sport unter hervorragenden Bedingungen zu sehen“, lautete das abschließende Kompliment von Carsten Sostmeier.
Alle Ergebnisse unter www.grabmayer.de
