Am 1. April beginnt im Garitzer Schreinerhandwerk ein neues Zeitalter. Die Schreinerei Brand verdreifacht ihre Kapazität, gibt ihren bisherigen Sitz in der Jahnstraße auf und zieht auf das Betriebsgelände der Schreinerei Bömmel in der Baptist-Hoffmann-Straße 11. Das Traditionsunternehmen Bömmel, seit 1910 ein Begriff im Schreinerhandwerk, wird aus Altersgründen aufgelöst.
„Das macht nichts“, gibt sich Rudolf Bömmel (72) gelassen. „Es war ein notwendiger Schritt in die Zukunft“, ist Schreinermeister Johannes Brand (39) mit seiner Entscheidung zufrieden. Die industrielle Möbelproduktion, Möbelkaufhäuser, Baumärkte und das Internet setzten in den vergangenen 20 Jahren die kleinen Schreinereien zunehmend unter Druck und brachten viele in Existenznot. Deshalb hatte sich sein Vater Roland Brand (73) mit der von Großvater Stefan Brand im Jahr 1938 gegründeten Bau- und Möbelschreinerei schon auf Innenausbau, Hotel- und Ladeneinrichtungen sowie Möbelfertigung spezialisiert, als der Betrieb schließlich 2004 von Sohn Johannes übernommen wurde. Doch auch auf diesem Sektor hat der Familienbetrieb nur mit ausreichendem Kapazitätsvolumen eine Zukunft im deutschen Markt. „Nur mit großen Kapazitäten kommt man an größere Aufträge heran.“
Das bisherige Firmengelände in der Jahnstraße war aber mit seinem 1000 Quadratmeter großen Grundstück und der 350 Quadratmeter großen Werkstatt viel zu klein geworden. Erweiterungsflächen in der Nachbarschaft gab es keine.
Früher gemeinsame Aufträge
Da kam der partnerschaftliche Kontakt zu Schreinermeister Bömmel sehr gelegen, mit dem man früher größere Aufträge wie die Ausstattung des Landratsamtes oder der Kalk-Klinik gemeinsam erledigt hatte und der nun schon länger über die Betriebsaufgabe nachdachte. „Mit 72 kann man doch langsam aufhören.“ Beide Bömmel-Töchter waren längst außerhalb Bad Kissingens und in anderen Berufen heimisch geworden.
Ab 1. April verpachtet er nun sein Betriebsgelände (3000 Quadratmeter), seine Werkstätten mit 1200 Quadratmetern Nutzfläche sowie die großen Maschinen an Johannes Brand. Beide sprechen von „langfristiger Pacht“, von Kauf ist nicht die Rede. „Erst mal sehen, wie es läuft.“ Aber die Zukunft scheint vielversprechend. Immerhin hat Johannes Brand seit einiger Zeit sogar Kundschaft in Rumänien, denen er etwa ein Drittel seines Umsatzes verdankt. „Dort schätzt man deutsche Wertarbeit“, sieht er noch Ausbaumöglichkeiten. Da kommt ihm das große Betriebsgelände gerade recht.
Doch nicht nur das Gelände hat sich vergrößert, auch die Mitarbeiterzahl der Schreinerei Brand hat sich auf fünf fast verdoppelt, da die beiden Bömmel-Mitarbeiter übernommen werden. Sogar Vater Roland hilft noch gelegentlich im Betrieb mit. Ansonsten verbringt der Senior („Seit 1946 beginnt jeder Tag mit der Main-Post.“) seine freie Zeit gern auf dem Golfplatz.
Rudolf Bömmel will sich nach 40 Arbeitsjahren endlich mehr um seine Hobbys kümmern: Lesen und Konzertbesuche, aber auch „tagelang durch die Münchner Museen ziehen“. Denn: „Die Ära Bömmel ist vorbei.“ Die 102-jährige Geschichte des Garitzer Handwerksbetriebs, den Großvater Franz 1910 gegründet und Vater Franz (97) nach Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft 1951 übernommen hatte, ist beendet.
Johannes Brand, der seinen Familienbetrieb vor acht Jahren in dritter Generation übernahm, will die Tradition beider Garitzer Schreinereien fortsetzen, vor allem aber die Zukunft seines eigenen Unternehmens sichern. Im kommenden Jahr darf er das 75-jährige Bestehen der Schreinerei Brand feiern. Platz genug für eine zünftige Party hat er jetzt auf seinem neuen Betriebsgelände in der Baptist-Hoffmann-Straße.