Der Druck durch den Verkehr - er hat nachgelassen, seitdem der Hammelburger Berg wieder offen und der Betrieb der Rhönschotter-GmbH zwangsweise eingestellt ist. Das gibt Christian Fischer aus Breitenbach zu. Aber das Grundproblem für den Anwohner der Hauptstraße bleibt: LKW brettern sprichwörtlich durchs Wohnzimmer. Nun die Entscheidung des Oberleichtersbacher Gemeinderats: Die erhoffte Umgehung kommt nicht.
Gemeinderat fast einstimmig gegen Weiterverfolgung des Projektes
Das Gremium war sich fast komplett einig: 13 von 14 Räten wollten das Projekt nicht weiterverfolgen, darunter alle Breitenbacher und Mitgenfelder.
Vorausgegangen war die erste öffentliche Vorstellung einer Machbarkeitsstudie durch das Büro Mayr Beratende Ingenieure aus Schweinfurt. Es hatte nicht nur eine Umgehung der Ortsteile Breitenbach und Mitgenfeld geprüft, sondern auch eine Neuanbindung des Gewerbe- und Industriegebiets Buchrasen an Rhönautobahn und B286.
Verkehrsbelastung von 2021 und 2022
Allerdings standen nicht die durch die Sperrung des Hammelburger Bergs (Staatsstraße 2790) ausgelösten Verkehrsströme auf der Kreisstraße KG 32 im Mittelpunkt, sondern die, die 2021 und 2022 in den beiden Ortsdurchfahrten stattfanden.
Auch wenn es damals - auch wegen der Corona-Beschränkungen - dort sicher ruhiger zuging als während der knapp achtmonatigen Bauphase der St 2790: Die der Studie zugrunde liegenden Verkehrszahlen überraschen.
Relativ wenig Fahrzeuge in 24 Stunden
1626 Fahrzeuge durchquerten demnach in 24 Stunden durchschnittlich Mitgenfeld und Breitenbach; das macht 112 Autos pro Stunde. Noch überraschender: 1.000 bis 1.100 dieser Fahrzeuge sollen Quellverkehr aus den Ortschaften selbst sein.
Das Büro Mayr hat diese Zahlen dem Bayerisches Straßeninformationssystem (Baysis), einer Informationsdatenbank, entnommen. Dorthinein fließen die Ergebnisse der turnusmäßigen Zählung, im Fall von Breitenbach/Mitgenfeld die, die der Landkreis vor Ort an seiner Kreisstraße zuletzt vorgenommen hat.
Solche Messungen können klassisch durch Menschen erfolgen, die in einem bestimmten Zeitraum Anzahl und Art der durchfahrenden Fahrzeuge dokumentieren. Es kann aber auch ein Seitenradar zum Einsatz kommen, das die Fahrzeuge elektronisch erfasst.
Geschätzter Quellverkehr mit sehr hohem Anteil
Der Quellverkehr wird nach einem auf Erfahrungswerten basierenden Verfahren abgeschätzt. Dabei werden Parameter wie die Anzahl der Einwohner pro Wohneinheit sowie die Wege von und zu Arbeit, Schule oder auch Kindergarten sind berücksichtigt. Geschaut wird auch, ob es sich um städtischen oder ländlichen Raum handelt und wie weit das nächste Zentrum entfernt liegt.
Bei der Erarbeitung möglicher Korridore für die Umgehung schauten sich die Mayr-Ingenieure zunächst die Beschaffenheit der Flächen rund um Breitenbach und Mitgenfeld (Topografie) an, aber auch ihre derzeitige Nutzung. Sie schauten nach Natur-, Trinkwasser- und Heilquellenschutzgebieten, nach Bodendenkmälern sowie der Bebauung.
Vier Trassen näher untersucht
Inner- und zwischenorts sahen sie sich neben Straßenführung und Verkehrsbelastung auch die Unfallzahlen an - mit dem Ergebnis, dass die Radien einiger Kurven nicht dem Mindeststandard genügen.
Letztlich kristallisierten sich mehrere Trassen, von denen die Experten vier genauer prüften - zwei im Norden und zwei mit südlichem Verlauf. Alle beginnen an der Kreuzung der KG 32 mit der B286 nahe der A7-Anschlussstelle Bad Brückenau/Wildflecken und enden am Buchrasen.
Die Experten kamen bei der Nordumgehung zu diesen Ergebnissen: Sie wäre - je nach Variante - zwischen 4,3 und 4,4 Kilometer lang. Allerdings wären viel sensible Natur und besonders Wald betroffen. Zwei Brücken müssten gebaut werden und sogar ein Tunnel von rund 300 Meter Länge.
Die Trasse würde recht nah an Wohnbebauung verlaufen, Freileitungen wären zu verlegen. Breitenbach und Mitgenfeld wären nur von Westen aus über eine Verkehrsknoten anbindbar.
Die zwei geprüften Südvarianten wären 4,9 und 5,3 Kilometer lang, der Landschaftsverbrauch dementsprechend größer als im Norden. Dafür wäre weniger wertvolle Natur betroffen und eine Anbindung der Orte im Westen und Osten über die KG 32 möglich. Einen Tunnel bräuchte es nicht, zwei bis drei Brücken schon.
Wirtschaftlichste Variante kosten schon 14 Millionen Euro
Die kürzeste und wirtschaftlichste Umgehung (im Süden) würde geschätzt 14 Millionen Euro kosten. Eine nördliche Umfahrung wäre wegen des Tunnelbaus ungleich teurer.
Auch ein großer Nachteil: Die Gemeinde Oberleichtersbach kann nicht mit staatlichen Zuschüssen rechnen. Das Staatliche Bauamt Schweinfurt sieht das Projekt laut den Mayr-Ingenieuren wegen der geringen Verkehrsbedeutung und niedriger Verkehrszahlen kritisch.
Behörden sehen Projekt kritisch
Der Quellverkehr aus den Ortsteilen decke fast den gesamten Verkehr ab. Da der Sinn einer Umfahrung in Zweifel gezogen werde, stelle man eine Übernahme oder Beteiligung an der neuen Trasse durch den Freistaat nicht in Aussicht.
Das Landratsamt Bad Kissingen kann sich die Übernahme der Baulast für die neue Straße vorstellen, mehr nicht, auch keine Beteiligung an den Baukosten.
Die Regierung von Unterfranken sieht wenig Chancen, dass es die Umgehung bis ins Verwaltungsverfahren der Planfeststellung schafft. Gründe: eine hohe Anzahl von Betroffenheiten, die geringe Verkehrswirksamkeit und der geringe Kosten-Nutzen-Faktor.
Vorschlag des Ingenieurbüros: Planung einstellen
Wenig überraschend kam der Vorschlag von Mayr Ingenieure, die Planung der Umgehungsstraße vorerst nicht weiterzuverfolgen. Gleichzeitig sollten mit dem Landratsamt Verbesserungen an der KG 32 in den beiden Orten angestrebt werden.
Ähnlich sieht es Oberleichtersbachs Bürgermeister Dieter Muth (Aktive WG). Man habe die Machbarkeitsstudie als Grundlage. Vielleicht könne man den Faden in ein paar Jahren wieder aufnehmen, wenn sich die (Verkehrs-)Lage geändert habe.
Anwohner Fischer: "Interessen schwer zusammenzubringen"
Anwohner Christian Fischer hätte sich die Investition in eine Umgehungsstraße gewünscht, nachdem man über viele Jahre Einnahmen aus dem Buchrasen generiert habe. Der Verkehr von dort sei ja, was die Anwohner am meisten belaste.
Allerdings seien schon in den beiden Ortschaften die Interessen schwer zu vereinbaren. Es mangele an Unterstützung von denjenigen, die nicht direkt an der Hauptstraße wohnten.
Fischer fragt sich, ob man nicht die Sperrung für Schwerlastverkehr hätte beibehalten können. Während des Neubaus am Hammelburger Berg sei das auch möglich gewesen.
Anwohnerin Jörg: "Rieseneingriff in Natur"
Tanja Jörg aus Mitgenfeld war einst Fürsprecherin einer Ortsumgehung. Jetzt würde sie das als "Rieseneingriff in den Grund um die Dörfer herum und damit in die Natur" begreifen.
Die derzeitige Belastung nennt sie "auszuhalten, seitdem die Schotter-LKW nicht mehr fahren". Schlimm wäre es wahrscheinlich, wenn die Firma Rhönschotter wieder zu arbeiten beginne.
Jörg hofft, dass ein Teil der LKW künftig über die Staatsstraße 2431 durch Unterleichtersbach und Einraffshof, an Schondra vorbei Richtung Schildeck fährt - so wie es die offizielle Umleitung für den Hammelburger Berg war. Sie hat aber nicht das Gefühl, dass das ernsthaft verfolgt wird.
