"Wir waren im Urlaub mit dem Wohnmobil meist in Ländern, in denen kaum Touristen sind", sagt Thomas Röder. Da lernt man Land und Leute besser kennen und die Töchter Mathilda (5) und Paula (1) haben mehr davon, so die Devise der Eltern. Beispielsweise in Norwegen, Albanien und Montenegro war die Familie schon unterwegs gewesen. Im September 2021 stand eine Reise nach Rumänien an.
Thomas und Johanna Röder informierten sich online und stießen so auch auf die Website von "Lost Romania", des Freundeskreises Castel Banffy (Sitz Berlin), der im rumänischen Luncani (Siebenbürgen) seinen gleichnamigen Schwesterverein dabei unterstützt, soziale Projekte vor allem für benachteiligte Kinder und Jugendliche in den Roma-Siedlungen zu ermöglichen. Die Familie beschloss, an diesen Ort zu reisen, der in der Nähe von Cluj-Napoca (früher Klausenburg) liegt, der zweitgrößten Stadt Rumäniens.
Annette Kirchner-Schröder (Rodenbach/Kaiserslautern) ist bei diesem Verein die "Zahnärztin ohne Grenzen". Zweimal im Jahr fährt sie nach Rumänien, um dort mit ihrer mobilen Praxis Menschen zahnmedizinisch zu behandeln. "Sie war für uns online die erste Ansprechpartnerin. Sie erzählte uns von den ärmlichen Verhältnissen der Roma, die bei Luncani leben. Wir beschlossen, Freunde und Verwandte um Kleidung, Werkzeug und Spielsachen für die Menschen dort zu bitten", sagt der Rannunger im Gespräch mit dieser Redaktion. Schließlich kamen so viele Hilfsgüter zusammen, dass die Familie sich noch einen Anhänger mieten musste.
Wohnbedingungen für Roma-Familien verbessern
Am 1. September 2021 rollt die Familie endlich mit ihrem Gespann in Luncani (zu deutsch: Neusatz) ein, wo das Vereinshaus steht. Geplant ist laut Röder eigentlich eine kurze Stippvisite. Doch dann bleibt die Familie fast zwei Wochen.
Besonders die Stadt Campia Turzii hat es der jungen Familie angetan. Dort betreut der Verein nämlich das Projekt I.C.A.R., bei dem es darum geht, die Wohnbedingungen für Roma-Familien zu verbessern. Etliche Familien konnten sich mit Hilfe des Vereins schon ein eigenes Häuschen schaffen oder die alten Behausungen wohnlicher gestalten. Man versucht auch, die Familien an die Strom- und Wasserversorgung anzuschließen, erzählt Röder.

Erstaunen über die deutschen Besucher
Als die Familie aus Rannungen dort zum ersten Mal aussteigt, sind die Eindrücke in mehrerlei Hinsicht bewegend: Inmitten der schönsten Landschaft des rumänischen Nordwestens stehen scheinbar halb zerfallene Hütten und verwitterte Häuschen, in denen aber offenbar Menschen leben. Meist teilen sich ganze Familien mit mehreren Kindern einen einzigen Raum.
Röder erzählt, wie damals vielfältige Gerüche von Menschen, Essen, Tieren und moderndem Müll auf sie eindringen. Überall halten sich Menschen vor den Häusern auf. Neugierig linsen sie in Richtung der Gäste. Und schon kommen die ersten Kinder herbei und blicken neugierig in die Gesichter der Fremden.
Mathilda teilt gleich mal das Spielzeug aus
Alexandru Pop, kurz Sandu genannt, einer der Organisatoren des rumänischen Vereins, nimmt die Familie mit in die ärmlichen Häuser. Es herrscht vielfach Unordnung. Schmutz ist an der Tagesordnung. Und draußen Müll. Freilich ist man da erst mal erschüttert, sagt Röder. Irgendwann fällt einem dann ein, wie behütet Kinder in Deutschland leben. "Bei uns soll jedes Kind, wenn's geht, ein eigenes Kinderzimmer haben, das dann oft mit Spielzeug vollgestopft ist", sagt der Vater von Mathilda und Paula.

Die anfängliche Beklemmung weicht schnell, als die Menschen freundlich auf die Besucher zukommen. Vor allem die Kinder tun sich leicht. Tochter Mathilda fängt gleich mal an, etwas von den mitgebrachten Spenden an die Mädchen und Buben auszuteilen, wie etwa Haarschmuck oder Kuscheltiere. Denn Kinder kennen keine Sprachbarrieren, hat Röder festgestellt. Und so dauert es nicht lange, bis die damals Viereinhalbjährige auf ihre Art die ersten Kontakte zu den Roma-Kindern geknüpft hat.
200 Waffeln auf einen Schlag gebacken
In den folgenden Tagen sind Johanna und Thomas Röder mit ihren Töchtern noch öfter in der Siedlung zu Gast. Einmal bringen sie die Kleiderspenden aus Deutschland hin, ein andermal haben sie für die Kinder Seifenblasen dabei. Und der Rannunger erzählt, wie er und seine Frau stundenlang im Vereinshaus in Luncani mindestens 200 Waffeln gebacken haben, die später in I.C.A.R. im Nu begeistert von den Mädchen und Buben verschlungen werden.
Das Vereinshaus in Luncani ist für die Röders bei ihrem Aufenthalt Dreh- und Angelpunkt. Dort sitzen sie abends mit Gerhard Spitzer zusammen, dem Leiter des rumänischen Vereins (gegründet 2002). Der Österreicher lebt mittlerweile seit mehr als 20 Jahren in Rumänien und hat sich ganz den Hilfsprojekten für seine Schützlinge verschrieben. Die Schulbildung von Kindern und die praktische Handwerkerausbildung von Jugendlichen zu unterstützen gehören laut Röder mit zu den Hauptanliegen des Vereins.

Mit wenig Geld viel Gutes bewirken
Die Familie aus Rannungen hat auch Geldspenden dabei. Dafür kauft der Verein dann beispielsweise Stifte und Hefte für die Kinder, die in die Schule gehen, wenn sie denn dort überhaupt angemeldet werden konnten. Denn für den Besuch in der Schule brauchen die Kinder unter anderem einen Ausweis, weiß Röder. Und auch das Ausstellen solcher Urkunden kostet Geld.
Bevor die deutsche Familie nach knapp 14 Tagen die Heimreise antritt, wird im Vereinshaus noch kräftig Abschied gefeiert – mit Kesselgulasch und Karaoke. Für Thomas Röder ist klar: "Man kann viel über ein Land lesen und sich über alles Mögliche informieren. Aber wie das Leben dort ist, begreift man erst, wenn man es mit eigenen Augen gesehen hat."
Infos: www.hilfsprojekt-rumaenien.de; Spenden an den Freundeskreis Castel Banffy unter IBAN: DE30 1005 0000 0190 4174 98, BYC: BELADEBEXXX; "Verwendungszweck Momo".